Alkohol – es ist mit Abstand die beliebteste Droge in unserem Alltag. Das enthemmende, entspannende und berauschende Genussmittel, das freilich nur zu oft zum Suchtmittel wird, ist stark in unserer Kultur verankert. Deshalb glauben wir auch, wir wüssten Bescheid über Wirkungen und Auswirkungen alkoholischer Getränke. Aber längst nicht alles, was wir wissen, ist wirklich wahr – es gibt eine ganze Reihe von Mythen rund um den Alkohol. Hier sind 15 davon.
«Bier auf Wein, das lasse sein – Wein auf Bier, das rat' ich dir.» Den Spruch kennt jeder, aber er wird deshalb nicht wahrer. Es spielt keine Rolle, in welcher Form und Reihenfolge man den Alkohol zu sich nimmt – am Schluss zählt einzig die Menge. Möglicherweise hält sich dieser Mythos so hartnäckig, weil er der persönlichen Erfahrung zu entsprechen scheint.
Ein Grund dafür könnte sein, dass Durcheinander-Trinken gar nicht so selten mit höherem Alkohol-Konsum einhergeht. Für den Kater am nächsten Tag machen wir dann den Mischkonsum verantwortlich – statt der grösseren Menge. Ebenfalls eine Rolle könnte spielen, dass jemand, der bereits schnell ein paar Biere gekippt hat und dann in diesem Tempo mit Spirituosen weitermacht, in kurzer Zeit viel Alkohol aufnimmt. Auch hier aber ist es die Menge, die den Ausschlag gibt.
Was den eingangs erwähnten Spruch anbelangt, so gibt es dazu die Theorie, dass der Wechsel von Wein zu Bier gewissermassen einen sozialen Abstieg widerspiegle. Wein galt als edles Getränk, während Bier etwas für arme Leute war.
Eine üppige Mahlzeit vor dem Trinken verhindert nicht, dass der Alkohol ins Blut und damit ins Hirn gelangt – es ist also keine Massnahme, die vor Trunkenheit schützt. Allerdings verzögert ein reichhaltiges Essen, besonders wenn Fett dabei im Spiel ist, diesen Vorgang.
Fette bedecken die Magen- und Darmschleimhaut und verlangsamen die Aufnahme von Alkohol ins Blut. Wer weiss, dass es an einer Party viel Alkohol geben wird, tut also gut daran, nicht mit leerem Magen dort anzukommen. Die Verzögerung wiederum kann den Trinker in falscher Sicherheit wiegen – am Ende gelangt der Alkohol eben doch ins Hirn. Gerade Autofahrer sollten sich dessen bewusst sein.
Vor mehr als zehn Jahren erschien eine Studie von italienischen Wissenschaftlern, die in bestimmten Rotwein-Sorten das «Schlafhormon» Melatonin nachgewiesen haben wollte. Doch offenbar handelte es sich in Wahrheit lediglich um einen Melatonin-ähnliche Substanz, und so fehlt nach wie vor ein wissenschaftlicher Nachweis für die oft gehörte Vermutung, dass Rotwein schläfrig mache.
Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die vermeintlich unterschiedliche Wirkung eher mit dem Zeitpunkt des Konsums zu tun hat als mit der Art des Getränks. Weisswein trinken wir oft am frühen Abend zum Apéro. Die Stimmung ist dann eher leicht und spritzig – wie der Wein. Beim Essen später wird dann Rotwein gereicht, von dem wir womöglich auch mehr als ein Glas trinken. Der zunehmende Alkoholpegel in Verbindung mit der späteren Zeit und eventuell auch noch einem vollen Magen kann sehr wohl dazu führen, dass wir uns dann müde fühlen.
Ein weiterer Faktor könnte die Temperatur sein: Rotwein wird in aller Regel wärmer getrunken als Weisswein – übrigens oft zu warm, wie Weinkenner bemängeln. Je wärmer aber der Wein ist, desto stärker spüren wir den Alkohol.
Wer ein alkoholisches Getränk über einen Strohhalm zu sich nehme, soll schneller betrunken werden, wird gern behauptet. Der Grund dafür sei, dass der Alkohol über die Mundschleimhaut schneller ins Blut gelange als über den Rest des Verdauungskanals. Das trifft jedoch nicht zu, denn die Fläche der Mundschleimhaut entspricht nur etwa zwei Bierdeckeln. Das reicht nicht aus, um genug Alkohol aufzunehmen.
Auch die Magenschleimhaut, die immerhin so gross wie eine Serviette ist, nimmt lediglich bis zu einem Viertel des Alkohols auf. Der Löwenanteil gelangt erst in der Darmschleimhaut ins Blut. Kein Wunder: Sie ist rund 100 m2 gross.
Manche Speisen gewinnen, wenn man sie mit alkoholischen Getränken verfeinert. Es ist aber nicht so, dass der Alkohol beim Kochen schnell verdampft, wie viele Leute glauben. Alkohol hat zwar einen niedrigeren Siedepunkt als Wasser (78,4 °C) und verdunstet schneller. Doch beim Kochen sind noch weitere Zutaten vorhanden, darunter Fett, mit dem sich die Alkoholmoleküle verbinden. Nach einer Kochzeit von einer Viertelstunde sind daher immer noch 40 Prozent des beigegebenen Alkohols im Essen enthalten. Trockene Alkoholiker sollten aus diesem Grund Speisen meiden, die mit alkoholischen Getränken abgeschmeckt wurden.
Besonders nach einer fetthaltigen Mahlzeit soll ein Schnaps der Verdauung auf die Sprünge helfen. Leider tut er das nicht – im Gegenteil. Alkohol verdünnt die Säure im Magen, der dadurch mehr Zeit benötigt, um die Fette abzubauen. Auch im Darm verzögert Alkohol den Verdauungsprozess. Selbst Kräuterschnäpse haben keine verdauungsfördernde Wirkung, da der Alkohol die Wirkung der Kräuter kompensiert.
Das Wohlbefinden, das sich einstellt, wenn man nach einem schweren Essen einen Schnaps trinkt, ist nur von kurzer Dauer. Es rührt daher, dass der hochprozentige Alkohol die Magenmuskulatur kurzfristig entspannt.
Tatsächlich ist es so, dass sich «geeichte» Trinker bei derselben Menge Alkohol weniger betrunken fühlen als solche, die sich nicht an Alkohol gewohnt sind. Wenn man merkt, dass man Alkohol besser verträgt als früher, ist das ein Warnsignal des Körpers – die Alkoholtoleranz nimmt zu.
Doch auch wenn sich das Gehirn an den Alkohol gewöhnt, so ist das bei der Leber nicht der Fall. Es spielt keine Rolle, wie oft und wie viel Alkohol man trinkt – die Leber baut stets zwischen 0,1 und 0,2 Promille pro Stunde ab. Das Gefühl, gar nicht betrunken zu sein, ist für Leute besonders gefährlich, die sich dann ans Steuer setzen. Ihre Fahrtüchtigkeit ist nämlich trotzdem herabgesetzt – und bei einer Verkehrskontrolle ist der Führerschein weg.
Hier haben wir es für einmal mit einer Behauptung zu tun, die kein Mythos ist: Frauen haben mehr Körperfett als Männer, der Flüssigkeitsgehalt ihres Körpers ist um etwa zehn Prozentpunkte niedriger. Dies führt dazu, dass dieselbe Menge Alkohol sich bei Frauen auf weniger Flüssigkeit verteilt und die Alkoholkonzentration im Blut somit höher ist. Zudem haben Männer ohnehin oft mehr Körpermasse.
Schon Shakespeare wusste: «Wer Wein trinkt, schläft gut, wer gut schläft, sündigt nicht, wer nicht sündigt, wird selig, wer also Wein trinkt, wird selig.» In der Tat wirkt Alkohol nach einer gewissen Menge ermüdend, und man schläft schneller ein. Doch der Schlaf ist oberflächlicher, unruhiger und weniger erholsam; die Phasen des REM-Schlafes – der besonders erholsam ist – sind seltener.
Wer getrunken hat, leidet eher an Schweissausbrüchen; viele wachen mitten in der Nacht wieder auf und verspüren ein Durstgefühl. Zudem verstärkt Alkohol den Harndrang, so dass man eher während der Nacht aufstehen und zur Toilette gehen muss.
Das hängt natürlich davon ab, wie lange man schläft. Auf jeden Fall ist es aber nicht so, dass der Körper den Alkohol im Schlaf schneller abbaut – es bleibt bei der Rate von 0,1 bis 0,2 Promille pro Stunde. Wer sich mit 1,5 Promille ins Bett legt, ist auch nach acht Stunden Schlaf noch nicht nüchtern – was besonders gefährlich ist, wenn man nach dem Aufstehen Auto fährt.
Subjektiv stimmt das, objektiv aber nicht – und darum handelt es sich um einen gefährlichen Irrtum. Wer bei Kälte Alkohol trinkt, um sich warm zu halten, tut sich keinen Gefallen. Alkohol erweitert die Blutgefässe, so dass mehr Blut aus dem Körperinneren in die peripheren Bereiche fliesst. Dies führt zu einem angenehmen Gefühl der Wärme. Der Körper hat jedoch die Blutzirkulation bei Kälte nicht umsonst reduziert; er hält so die lebenswichtigen inneren Organe warm und vermindert die Abgabe von Wärme an die Umgebung.
Eine halbe Flasche Wein lässt die Körpertemperatur um etwa ein halbes Grad sinken – bei starkem Alkoholkonsum kann es daher zu einer Unterkühlung kommen. Zugleich führt der Alkohol dazu, dass die Kälte weniger wahrgenommen wird. Die Folgen können letal sein: Im Winter können Alkoholisierte draussen schnell erfrieren, wenn sie stürzen und einfach liegen bleiben.