Der Gedanke, wir seien allein im All, ist im Grunde absurd. Im Universum wimmelt es von potenziellen Brutstätten für Leben: Nur schon in unserer Heimatgalaxie, der Milchstrasse, tummeln sich schätzungsweise eine Billion (das ist eine Million Millionen) Planeten. Mehrere Milliarden davon sind erdähnlich. Und grosse Monde, die Gasriesen umkreisen, sind da noch nicht einmal mitgezählt.
Es gibt da draussen also fast zwangsläufig ausserirdisches Leben – das sich in zahllosen Fällen zu intelligenten Zivilisationen entwickelt haben müsste, von denen mit Sicherheit einige der unsrigen technisch weit voraus wären. Falls dem so ist, dann stellt sich die Frage: Wo sind sie denn, diese Ausserirdischen?
«Where is everybody?» («Wo sind denn alle?»), fragte sich 1950 auch der italienisch-amerikanische Physiker Enrico Fermi. Sein ungarischstämmiger Mitarbeiter Leó Szilárd konnte es nicht lassen, die Frage nach den Ausserirdischen mit einem kleinen Scherz zu beantworten: «Sie leben bereits unter uns, aber wir nennen sie Ungarn.»
Fermis Frage ist als Fermi-Paradoxon bekannt geworden: Zivilisationen, die uns technisch weit voraus wären, hätten uns schon längst gefunden. Oder wir hätten Signale von ihnen auffangen müssen. Für das Fermi-Paradoxon existieren eine Reihe von Antworten, zum Beispiel die Annahme, dass sich jede technische Zivilisation zwangsläufig selber zerstört, bevor sie überhaupt die Fähigkeit zur interstellaren Kolonisation entwickelt hat.
Eine bisher noch nie vorgestellte Lösung hat nun der amerikanische Astronom Alan Stern vom Southwest Research Institute (SwRI) in den Raum gestellt. Stern denkt an Zivilisationen, die sich auf Eismonden oder -Planeten entwickelt haben könnten, und zwar in Ozeanen, die tief unter den mächtigen Eispanzern liegen. Solche Ausserirdischen, die niemals einen Stern am Nachthimmel gesehen hätten, wüssten möglicherweise schlicht nichts von der Welt ausserhalb des Eispanzers, sagte Stern bei einem Astronomenkongress in Utah.
Viele Exoplaneten – das sind Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems –, bei denen es Hinweise auf Wasservorkommen gibt, sind oberflächlich vereist. Und innerhalb unseres Sonnensystems gibt es mehrere Monde, unter deren Eiskruste mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Ozean aus Wasser schwappt: darunter die Jupitermonde Europa und Ganymed, die Saturnmonde Titan und Enceladus sowie die Uranus-Trabanten Titania und Oberon.
Seit auf einigen von ihnen auch noch organische Komponenten nachgewiesen werden konnten, gelten diese Eismonde – aber auch Zwergplaneten wie Ceres – als heisse Kandidaten für die Suche nach ausserirdischem Leben im Sonnensystem.
Die meisten Astrobiologen sehen in den eisumschlossenen extraterrestrischen Ozeanen bestenfalls eine mögliche Heimstatt für primitivste Lebensformen. Nicht so Stern. Er geht davon aus, dass dort beispielsweise hydrothermale Schlote auf dem Grund der Ozeane Nährstoffe ins Wasser pumpen – ähnlich wie auf dem Ozeanboden der Erde.
Solche durch Wasser und Eis vor dem harschen Weltall geschützte Brutstätten für Leben könnten sogar produktiver sein als auf der Erde. Alle notwendigen Ressourcen, glaubt Stern, dürften daher vorhanden sein, damit sich auch höhere Lebensformen bilden können – bis hin zu intelligenten Zivilisationen.
Der Eispanzer, der eine solche Zivilisation schützen würde, wäre aber zugleich auch ein Hindernis für sie. Es könnte sein, postuliert Stern, dass Lebewesen, die sich unter solchen Umständen entwickelt hätten, den Nachthimmel gar nicht kennen – oder viel weniger gut als wir. «Ihr ‹Raumfahrtprogramm› bestünde vielleicht einfach nur daraus, ihre gefrorene Oberfläche zu durchdringen», spekuliert Stern.