Die USA sind eine wehrhafte, stolze Nation. Und ein gläubige. Gleichzeitig sind die Staaten geprägt von einer Bigotterie, die ihresgleichen sucht. Das jüngste Beispiel liefert das Massaker von Las Vegas, bei dem 59 Menschen von einem Attentäter erschossen und mehrere hundert verletzt wurden.
Eigentlich müsste nun ein Aufschrei durch das Land hallen. Stoppt den Wahnsinn, müssten die frommen Christen rufen. Betet zu Gott und Jesus und verschrottet die Waffen, wo immer ihr ihrer habhaft werdet! Schliesslich bekennen sich 80 Prozent der Amerikaner zum christlichen Glauben.
Doch die Amis sind Waffennarren. Ihr Freiheitsgefühl ist eng mit Schusswaffen verbunden. Ihre Beziehung zu Schiessprügeln aller Art ist schon fast erotisch und hat fatale Folgen, wie die vielen Amokläufe zeigen.
Konkret: In diesem Jahr starben bereits über 11'000 Amerikaner durch Waffengewalt. Es kommen mehr Menschen durch Kugeln um als im Verkehr. Ausserdem sterben mehr Leute durch Schusswaffen als durch Drogen, Aids, Terror und Kriege zusammen.
Seit dem Massaker von Orlando vor 16 Monaten kam es zu 521 Massenschiessereien mit mindestens 4 Toten oder Verletzten pro Amok. In diesem Jahr waren es bereits 273. Der alltäglich amerikanische Wahnsinn.
Schizophren ist auch, dass nach jedem Massaker die Verkaufszahlen von Waffen in die Höhe schnellen. Die Leute bewaffnen sich, um gegen Amokschützen gewappnet zu sein. Eine teuflische Spirale.
Diese liesse sich mit einem restriktiven Waffengesetzen zumindest etwas bremsen. Allerdings bräuchte es dazu die laute Stimme der Millionen Christen aus dem freikirchlichen Lager. Also jener frommen Fundamentalisten, die die Bibel wörtlich interpretieren und glauben, das heilige Buch sei das authentische Wort Gottes.
Doch die Frommen sind erzkonservativ und wählen grossmehrheitlich republikanisch. Und sie schlugen sich bei den Wahlen auf die Seite von Trump. Dieser versprach der Waffenlobby, das Gesetz nie und nimmer zu verschärfen.
Auch die meisten Freikirchler verteidigen die aktuellen Waffengesetze und sind gegen eine Verschärfung der Gesetze. Viele zählen sich zur Waffenlobby, der mächtigsten Interessengruppe in Washington.
Die frommen Christen agieren nach dem Motto: Mit der Bibel und dem Revolver in der Hand lassen sich Amerika und das Reich Gottes effizient verteidigen. Dabei nehmen sie den Kolateralschaden in Form von Zehntausenden Waffenopfern in Kauf.
Das ist Bigotterie der zynischen Art. Auf der einen Seite kämpfen die frommen Christen verbissen gegen Abtreibung und attackieren auch schon mal Abtreibungskliniken und ihr Personal. Auf der anderen Seite begünstigen sie die Mordserien der Amokläufer.
Einerseits betrachten sie das Gebot «Du sollst nicht töten» als zentrales Dogma, andererseits erlauben etliche Freikirchen ihren Gläubigen, durchgeladene Schusswaffen in den Gottesdienst mitzunehmen.
Die frommen Gläubigen machen sich mit ihrer Haltung moralisch mitschuldig am Tod der Opfer von schiesswütigen Amerikanern. Ein Beispiel mehr, das zeigt, wie ein radikaler Glaube das Mitgefühl verdrängen und die Moral pervertieren kann.