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Hat Gott den Bergsturz verursacht, der zwei Tessiner Pilger unter sich begrub?

Die verschuettete Bergstrasse SS337 zwischen Domodossola und der Tessiner Grenze bei der Ortschaft Re, Italien am Montag, 2. April 2018. Ein Bergsturz im italienischen Val Vigezzo hat am Sonntag zwei  ...
Zwei Personen starben am 2. April beim Bergsturz im italienischen Val Vigezzo.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS
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Hat Gott den Bergsturz verursacht, der zwei Tessiner Pilger unter sich begrub?

Ein Paar stirbt bei einem Bergsturz im italienischen Val Vigezzo. Der Bruder der tödlich Verunglückten glaubt, Gott habe es so gewollt. Ein ungeheuerlicher Gedanke, wenn man ihn zu Ende denkt.
09.04.2018, 14:21
Hugo Stamm
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Wenn Gläubige gewisse Vorkommnisse oder Ereignisse nicht erklären können, greifen sie gern auf den geflügelten Spruch zurück: Gottes Wege sind unergründlich.

Übersetzt heisst das: Gott, egal welcher Couleur oder Provenienz, beobachtet uns, begleitet uns, lenkt uns möglicherweise und greift in unseren Alltag oder unser Leben ein. Primär natürlich helfend.

So jedenfalls verkünden es viele Geistliche und Seelsorger. Ein Credo, das Trost und Hoffnung spenden soll. Und uns Menschen anhalten, ein möglichst gottgefälliges und sündenfreies Leben zu führen. Strenggläubige sind denn auch überzeugt, von Gott schon im Diesseits belohnt zu werden, indem er sie vor Krankheiten und Unglücksfällen bewahrt.

Wie kann Gott es zulassen, dass Gläubige auf tragische Weise ihr Leben verlieren, die zu seinen Ehren unterwegs waren? Oder ist es Gott egal, was mit uns hienieden passiert?

Doch selbst die Kirchen scheinen Zweifel zu haben, dass Gott omnipräsent sein und seine schützende Hand über alle Gläubigen halten kann. Deshalb setzt er sein Bodenpersonal in Bewegung, nämlich die Schutzheiligen.

Davon gibt es ein ganzes Heer. Für die Katholiken ist Maria die erste Anlaufstelle. Viele Berufsgattungen haben sogar eigene Schutzheilige. Die Mineure zum Beispiel hoffen auf die heilige Barbara, wenn sie beim Tunnelbau tief im Berg ihre gefährliche Arbeit verrichten. Für die Autofahrer und Reisenden ist der heilige Christopherus als Schutzpatron zuständig, für die Feuerwehrleute der heilige Florian.

Iwan Luginbuehl, Sohn des Berner Kuenstlers Bernhard Luginbuehl, installiert die Eisenskulptur "Christopherus" seines Vaters Bernhard Luginbuehl am Mittwoch, 7. Oktober 2015, auf dem Bahnhof ...
Bernhard Luginbühls Skulptur des Schutzheiligen Christopherus wird auf dem Bahnhofplatz Bern aufgestellt.Bild: KEYSTONE

Auf dem Weg zur Blutenden Madonna tödlich verunglückt

Passiert trotz Wohlverhalten und intensiver Fürbitte doch ein Unglück, sind die Gläubigen ratlos und greifen – wie bereits erwähnt – auf den Spruch von den unergründlichen Wegen Gottes zurück. 

Es gibt aber tragische Situationen, bei denen alle religiösen Heilsversprechen und Erklärungsversuche in sich zusammenfallen. So passiert am Ostersonntag im Centovalli unweit der Schweizer Grenze zum Tessin. Ein Ehepaar aus Minusio TI war auf der Pilgerfahrt zur Blutenden Madonna in der Wallfahrtskirche im italienischen Re. Die Tessiner wollten etwas für ihr Seelenheil tun.

Madonna del Sangue in Re, Valle Vigezzo Wallfahrtskirche der Madonna del Sangue
Die Wallfahrtskirche im italienischen Re.Bild: Adrian Michael/Wikimedia Commons

Zwischen den beiden Ortschaften Olgia und Meis krachten riesige Felsbrocken vom Berghang herunter und begruben die Pilger unter sich. Das Paar kam beim Unglück ums Leben.

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Der Unfall wirft für Gläubige viele Fragen auf. Wie kann Gott es zulassen, dass Gläubige auf tragische Weise ihr Leben verlieren, die zu seinen Ehren unterwegs waren? Oder ist es Gott egal, was mit uns hienieden passiert? Kann er allenfalls nicht eingreifen, weil ihm die Macht dazu fehlt? Oder ist er bei den Milliarden von Menschen, die permanent beobachtet und begleitet werden möchten, heillos überfordert?

Denkbar ist eine weitere Variante: Es gibt Gott gar nicht, weshalb jede Hoffnung auf Schutz, jede Fürbitte und jede Wallfahrt vergebliche Liebesmühe ist.

Die Meinung eines Gläubigen auf die Frage: Wieso lässt Gott das Leiden zu?Video: YouTube/Du bist genial!

Für Gläubige sind dies ketzerische Fragen. Auch der Bruder der tödlich verunglückten Frau hat keinen Gedanken an eine solche Möglichkeit verschwendet. Gegen über dem Blick sagte er, Gott habe es so gewollt, der Erdrutsch müsse Bestimmung gewesen sein.

Eine unerträgliche Vorstellung

Ein ungeheuerlicher Gedanke, wenn man ihn zu Ende denkt. Er bedeutet, dass Gott die Felsen absichtlich auf seine Gläubigen hat niederdonnern lassen – aus welchen Motiven auch immer. Diese Vorstellung stellt den Glauben an einen barmherzigen Vater im Himmel völlig auf den Kopf.

Das Beispiel zeigt, dass unsere konkreten Lebenserfahrungen oft in einem krassen Widerspruch zu den religiösen Dogmen und Heilskonzepten stehen. Es demonstriert uns auch, wie verstörend der Glaube sein kann. Wen wunderts, dass es heute vielen Menschen schwer fällt, an einen Gott zu glauben?

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Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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188 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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DaveTheBrave
07.04.2018 09:55registriert Mai 2016
God works in mysterious ways!
Hat Gott den Bergsturz verursacht, der zwei Tessiner Pilger unter sich begrub?
God works in mysterious ways!
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Roman Stanger
07.04.2018 10:17registriert Februar 2018
Herr Stamm, ich bin in diesem Punkt eigentlich ganz ihrer Meinung. Den Anlass finde ich aber komplett unpassend. Es geht hier um die Schutz- und Trostvorstellungen eines Privatmannes, der einen tragischen Verlust erfahren musste. Finden Sie es richtig, sich an diesem Fall weltanschaulich abzuarbeiten? Es gäbe genügend öffentlich relevantere Beispiele mit Unbetroffenen und andere Gelegenheiten.
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Follower
07.04.2018 11:48registriert Juni 2016
Es ist offensichtlich sehr lustig, Gläubige an den Pranger zu stellen; vor allem christlich gläubige Menschen. Egal was passiert, man findet immer einen Weg sie dumm dastehen zu lassen...
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