Was geht in den Köpfen von hohen katholischen Würdenträgern vor? Einen Einblick in die Geisteswelt eines konservativen Geistlichen liefert der schwedische Kardinal Andres Arborelius, der in der Schweiz geboren ist und mit 20 Jahren zur katholischen Kirche konvertierte. In einem aktuellen Interview mit der deutschen katholischen Wochenzeitung «Die Tagespost» stellte er seine dogmatische Haltung dar.
Die Bilanz seiner Antworten: Seine Kirche muss ein Refugium sein für die Rechtgläubigen und ein Bollwerk gegen die gesellschaftspolitischen Entwicklungen. Es gibt zweifellos auch fortschrittlichere Geistliche in der Kurie, doch der 73-jährige schwedische Kardinal ist mit seiner dogmatischen Haltung in guter Gesellschaft.
Könnten er und seine Gesinnungsgenossen frei den Takt in der katholischen Kirche vorgeben, würden sie das Rad der Zeit weit zurückdrehen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich die katholische Kirche nicht bewegt. Auch unter Papst Franziskus nicht.
Der Kardinal hält nichts von demokratischen Strukturen in der Kirche. Mehrheitsbeschlüsse mögen für ihn in der Politik sinnvoll sein, nicht aber in der Kirche. Er baut lieber auf den Heiligen Geist. Es sei deshalb falsch, Mehrheitsbeschlüsse als Stimme des Heiligen Geistes zu interpretieren. Das ist für ihn eine nichtbiblische Auffassung.
Dies zu begreifen, sei für die deutschen Katholiken schwierig. Wörtlich: «Die Demokratie ist gut für die Welt, aber in der Kirche sieht das anders aus. Da gilt Wahrheit, Liebe, Barmherzigkeit und Heiligkeit.»
Weiter warnt der Kardinal vor der Bindung der Kirche mit der Welt und den gesellschaftlichen Strukturen. Es bestünde «die Gefahr, dass wir auch die Auffassungen der Welt übernehmen».
Der Kardinal sieht ein Problem darin, dass die Kirche in Deutschland ein Teil der Gesellschaft sei. Für ihn ist also die gesellschaftliche Entwicklung eine Gefahr für die katholische Lehre und die Kirche an sich. Und wörtlich: «Man hat irgendwie nicht verstanden, dass sich die Welt so radikal geändert hat, dass Christen sich etwas abseits stellen müssen.»
Bei der Frage zur Priesterweihe für Frauen verweist der Kardinal auf Papst Johannes Paulus II., der das alles geregelt habe: «Es ist traurig, wenn sich Katholiken nur auf die Frage des Weiheamts konzentrieren, denn es gibt so viele Möglichkeiten für Frauen, sich in der Kirche zu engagieren und Einfluss auszuüben.»
Der Kardinal sieht die deutsche katholische Kirche auf Abwegen und hofft, dass der Heilige Geist ein Wunder bewirke. Er empfiehlt denn auch, die Kirche dürfe nicht so viel über sich selbst nachdenken. Seine Absicht ist offensichtlich: Die Gläubigen könnten unangenehme Fragen zur Erneuerung der katholischen Kirche und unbequeme Forderungen stellen.
Auf den Umgang mit gleichgeschlechtlichen Menschen angesprochen, sagte der Kardinal, wichtig sei zu akzeptieren, «dass wir entweder Mann oder Frau sind». Dabei beruft er sich auf die traditionelle biblische Lehre: Gott habe uns als Mann oder Frau geschaffen.
Dem schwedischen Kardinal ist nur heilig, was seinem reaktionären theologischen Weltbild entspricht. Es ist offensichtlich, dass er in der Kurie viele Gleichgesinnte hat, die vom ewigen Erhalt der reinen katholischen Lehre träumen. Sie sehen sich vom Heiligen Geist inspiriert und von Gott legitimiert. Deshalb reklamieren sie einen Absolutheitsanspruch bezüglich der Auslegung der Heilslehre.
Die Traditionalisten leben in einer Männer-Bubble, die sich in ihren reaktionären Überzeugungen gegenseitig bestätigen und stärken. Sie wähnen sich dabei unter der Schirmherrschaft von Jesus, Gott und der Mutter Gottes. Deshalb realisieren sie nicht, wie anmassend und selbstherrlich ihr Verhalten ist.
Man kann davon ausgehen, dass der schwedische Kardinal seine Worte im Interview sorgfältig abgewogen und seine konservativen Ansichten in Watte verpackt hat. In Diskussionen unter konservativen Geistlichen «von Mann zu Mann» dürften die Aussagen noch wesentlich radikaler ausfallen.