Quizfrage: Was haben die Planeten mit der Erde zu tun? Ganz einfach: Sie liefern die Grundlage für die jährlichen Fake News der Astrologen.
Ein Blick zurück auf die vergangenen zwölf Monate zeigt, dass die Sterndeuter mehr im Kaffeesatz gelesen als prophetisch in die Zukunft geschaut haben. Entweder gaben sie mehrdeutige Plattitüden von sich, oder sie produzierten Pleiten, Pech und Pannen.
Was soll’s, denken wohl viele. Das jährliche Ritual zum Jahreswechsel ist doch ein harmloses Gesellschaftsspiel mit einem Schuss Unterhaltung. Sie sehen die medialen Auftritte der Astrologen als Realsatire zum Schmunzeln. Diese Interpretation greift aber zu kurz. Ungünstige Prognosen können bei sensiblen Astrologie-Gläubigen und Esoterikern Ängste auslösen und zu psychischen Belastungen führen.
Der wohl bekannteste «Seher» war Nostradamus (1503-1566). Um nicht von der Inquisition verfolgt zu werden, hat der Esoteriker seine Prognosen in Verse gegossen und verfremdet. Seither versuchen seine Anhänger, die kryptischen Vierzeiler zu interpretieren. Darunter finden sich apokalyptische Prognosen, die Leichtgläubige in Angst und Schrecken versetzen können.
Für das vergangene Jahr prophezeiten seine Interpreten, Paris würde belagert, die EU auseinanderbrechen und ein wichtiger Politiker sterben. Fake News vom Feinsten. Jahr für Jahr. Doch dies verunsichert seine riesige Fangemeinde weltweit kein bisschen. Einmal Nostradamus, immer Nostradamus.
Hoch im Kurs ist momentan auch die «Hellseherin» Baba Wanga, die bei Astrologie-Gläubigen Kultstatus geniesst. Die 1996 gestorbene Bulgarin gilt neben Nostradamus als Star der Szene. Als Beobachter kann man nur den Kopf schütteln, wie eine unbedarfte, blinde Frau mit seltsamen spekulativen Prognosen eine solche Popularität erreichen konnte.
Baba Wanga schien Gefallen daran zu haben, Horrorszenarien zu prophezeien. Ihr Zuhause wurde zu Lebzeiten zu einem Pilgerort. Zeitweise reisten täglich mehrere hundert Gläubige zur angeblich heiligen Mutter.
Ihre Prophezeiungen lassen offenbar wie bei Nostradamus Vorhersagen für die Zukunft zu. So landen dieses Jahr angeblich Ausserirdische auf der Erde, und Russland soll die Ukraine mit Nuklearwaffen erpressen. Das Problem bei dieser Prognose: Den Ukrainekrieg hatte Baba Wanga nicht vorhergesehen. Wieso kann die verstorbene «Heilige» nun plötzlich Einzelheiten zum Ukrainekrieg prophezeien?
Weiter werde laut Baba Wanga ein «grosses Land» Menschenversuche mit Biowaffen durchführen und die Erde ihre Umlaufbahn verlassen oder verändern. Die Horrorvisionen der Bulgarin gipfeln laut ihren Erbverwaltern in Kernschmelzungen und Sonnenstürmen, die auf der Erde einen elektrischen Tsunami auslösen sollen. Dies würde bedeuten, dass Computer ausfallen und die Wirtschaft lahmgelegt wird. Verbunden mit Hungersnöten.
Baba Wanga ist mit ihren Fehlprognosen in guter Gesellschaft, wie die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) recherchiert hat. Sie analysierte die Prophezeiungen vieler Astrologen für 2022 und entlarvte unter anderem folgende Pleiten:
Roboter haben die Macht nicht wie vorhergesagt übernommen, Putin hat nicht abgedankt, und die prophezeiten Überfälle von Zombies fanden nicht statt. Das Schloss Neuenschwand ist nicht niedergebrannt, und die Riesenkaninchen haben keine Stadt überfallen.
Viele Medien bedienen ihre Leserinnen, Zuhörer und Zuschauerinnen mit Horoskopen und astrologischen Prognosen zur Jahreswende. Bei diesem Thema muss man ihnen den Vorwurf machen, vorsätzlich Fake News zu verbreiten, wenn auch vergleichsweise harmlose. Sie betrachten wohl die Horoskope als Unterhaltung. Für Astrologie-Gläubige können aber schlechte Prognosen Ängste auslösen.
Liebling der Schweizer Medien ist Monica Kissling. Die Astrologin hatte als Madame Etoile jahrelang eine prominente Plattform bei der SonntagsZeitung und auf SRF 3. Tele Züri setzt nach wie vor auf die Präsidentin des Schweizer Astrologenbundes. Beim kürzlichen Ausblick auf das Jahr 2023 gab sie sich handzahm.
Hatte sie früher konkrete Aussagen zu sozialen und politischen Aussage gemacht, blieb sie mit ihren aktuellen Vorhersagen auffällig vage. Sie hat offensichtlich von früheren Fehlprognosen gelernt. Nur: Um Plattitüden von sich zu geben, muss man keine Kenntnisse in Astrologie haben.
Ein Beispiel: Kissling sagte einen Umbruch im Klimaschutz voraus, weil Pluto in den Wassermann eintrete. Ab 2024 würden grosse technische Fortschritte erzielt, die uns unabhängig von fossilen Brennstoffen machen würden. Eine «Erkenntnis», die auch Primarschüler ohne astrologische Vorkenntnisse machen können, diskutiert zurzeit doch die ganze Welt darüber.
Zum Knatsch im Bundesrat befragt, sagte Kissling, das Horoskop der Wahl habe sehr viel Spannungen und einen Machtkonflikt gezeigt. Neue Erkenntnis für Laien: Auch eine Wahl hat ein Horoskop.
Weiter offenbarte Kissling, das Horoskop der Schweiz verspreche, dass nach Unstimmigkeiten im ersten Quartal eine gute Diskussionskultur im Bundesrat herrschen werde. Da die Sitzungen hinter verschlossenen Türen stattfinden, lässt sich dereinst der Wahrheitsgehalt der Vorhersage kaum prüfen.
Dass unsere Urahnen in den Höhlen die Sonne als Gott angebetet und an die magische Kraft der Gestirne geglaubt haben, ist nachvollziehbar. Wer es heute noch tut, ignoriert die wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Doch dieses Phänomen hat System: Die komplexe Realität überfordert viele Leute, weshalb sie gern in eine irrationale Parallelwelt flüchten, in der der Aberglaube zum Mass aller Dinge wird. Die Konten oder Astrologen, Esoteriker und Quacksalber freut es.