Hokuspokus der Astrologie: Die Sterne lügen doch
In unsicheren Zeiten wie heute steigt das Sorgenbarometer sensibler und ängstlicher Leute. Auf der Suche nach Trost und Sicherheit flüchten sie gern in eine spirituelle Bubble, in der die Realität vermeintlich harmonisch und rosarot erscheint.
Das Angebot an esoterischen und spirituellen Ritualen, Seminaren und Heilsideen ist riesig, der Markt an Alternativmethoden unübersichtlich. Viele Suchende möchten gern einen Blick durch die Kristallkugel oder in die Zukunft werfen.
Astrologie ist allgegenwärtig
Eine beliebte Disziplin ist die Astrologie. Die Sterndeutenden behaupten, anhand der Konstellationen der Gestirne Vorhersagen und Analysen machen zu können.
Die bekannteste Schweizer Astrologin ist Monica Kissling alias Madame Etoile. Jahrelang konnte sie auf dem Radiosender SRF 3 die nähere und weitere Zukunft einem breiten Publikum vorhersagen.
Aktuell gibt sie ihre astrologischen Weisheiten auf privaten TV-Stationen von sich. Ihre Bekanntheit beschert ihr viele Kunden und vor allem Kundinnen.
Im aktuellen Oktober-Horoskop auf ihrer Webseite schreibt sie, dass Beziehungen, die nicht auf einer stabilen Vertrauensbasis stehen, eine Krise erleben und möglicherweise auseinanderbrechen würden. Wörtlich: «Gleichzeitig ermöglichen die Sterne aber auch heilsame Einsichten, die zu einer Verbesserung von Beziehungen und zu konkreten Einigungen führen können. Zum Beispiel zu griffigen Resolutionen im globalen und zu neuen Vereinbarungen im persönlichen Umfeld.» (Ob sie dabei an die vielen Dekrete oder Zollverordnungen von Donald Trump gedacht hat, entzieht sich meiner Kenntnis.)
Astrofans glauben, die Sterne würden nicht lügen. Wirklich? Da die Himmelskörper nicht sprechen können, müssen die Astrologinnen und Astrologen ihre vermeintlichen Zeichen interpretieren.
Grosser Interpretationsspielraum
Damit beginnt die Krux. Denn je grösser der Interpretationsspielraum, desto grösser das Spekulationsvolumen. Und dieses ist beträchtlich.
Die Sternzeichen wurden von den Babyloniern vor rund 2500 Jahren «erfunden». Damals gab es noch wenige astronomische Erkenntnisse. Die Zuordnung verschiedener Himmelskörper zu einzelnen Sternzeichen erfolgte primär nach optischen Kriterien.
Was die Babylonier nicht wussten: Die Sternzeichen verschieben sich aus unserer Sicht permanent. Unser Planet, der sich um seine Achse dreht, «eiert». Es braucht 26‘000 Jahre, bis der Nordpol einen Kreis in den Himmel zeichnet.
Oder andersherum: Alle 72 Jahre verschieben sich die Himmelskörper um ein Grad. Der astrolgische Kompass müsste also laufend angepasst werden, was aber in den vergangenen 2600 Jahren nie gemacht wurde.
Somit weichen die «Berechnungen» oder Vorhersagen beträchtlich vom Ursprungskonzept ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Widder heute ein Fisch oder ein Stier ist, ist gross. Was bedeutet, dass alle Horoskope erst recht Hokuspokus sind.
Weiter berücksichtigen die Astrologen nicht, dass sie die Sternzeichen nach einer zweidimensionalen Optik und aus unserer Froschperpektive definieren. In Wirklichkeit liegen die Gestirne in der Tiefe oft sehr weit auseinander und können kaum in einem inneren Zusammenhang stehen.
Himmelskörper sind Lichtjahre entfernt
Es ist unbestritten, dass die Sonne und der Mond einen physikalischen Einfluss auf die Erde haben, zum Beispiel die Gravitation und die Energiefelder. Doch Himmelskörper, die die Sternzeichen bilden, sind Lichtjahre entfernt. Sie schicken höchstens reflektiertes Licht zu uns.
Es ist nicht plausibel und schon gar nicht nachweisbar, dass sie irgend etwas mit uns zu tun haben.
Es gibt aber weitere Ungereimtheiten rund um die Astrologie. Wichtig bei der «Analyse» sind die exakte Geburtszeit und der Geburtsort. Weshalb die Sterne einen anderen Einfluss auf eine Person haben sollen, die beispielweise sechs Stunden früher oder später auf die Welt kam, ist nicht nachvollziehbar und reine Interpretationssache.
Für die Astrologen hingegen spielt der Zeitpunkt der Geburt eine wichtige Rolle und bestimmt, was für einen Charakter ein Mensch bekommt und was für ein Schicksal er erdulden muss.
Kaiserschnitt anhand der Sternenkonstellation
Es stellt sich auch die Frage, ob ein geplanter Kaiserschnitt einen Einfluss auf das Horoskop hat. Konsequenterweise müssten Eltern, die an die Astrologie glauben, den günstigsten Zeitpunkt für die Geburt eines Kindes berechnen und den Kaiserschnitt nach der Konstellation der Sterne planen.
Selbst wenn die Himmelskörper einen Einfluss auf uns Menschen hätten, so wäre er vernachlässigbar. Gene, Umwelteinflüsse Veranlagungen, Charakter, Erziehung, Bildung, Lebenserfahrungen, Partnerwahl usw. prägen uns und unser Schicksal wesentlich stärker als Himmelskörper, die weit draussen im All ihre Bahn ziehen.
Um ein Beispiel zu nennen: Das Mobbing eines Chefs, das zu einem Burnout oder einer Depression führt, hat sicher nichts mit den Sternen zu tun.
Die Sterndeuter wischen kritische Einwände zur Seite. Es gibt in der Schweiz Hunderte von Astrologen, die Dutzende Millionen umsetzen. Viele leben von der Astrologie und verdrängen Widersprüche und Zweifel aus existentiellen Überlegungen und festgefahrenen Überzeugungen.
Es ist verständlich, dass die Menschen vor 2500 Jahren übernatürliche Erklärungen für Naturkatastrophen, Krankheiten und Seuchen suchten, weil sie keine plausiblen oder wissenschaftlichen Erklärungen für das Unheil fanden.
Gestirnen werden göttliche Attribute zugeordnet
Deshalb suchten sie die Ursache bei Geistern und Göttern, die die Menschen vermeintlich bestraften. Oder bei Gestirnen, denen teilweise ebenfalls göttliche Attribute und Kräfte beigemessen wurden. Ein Beispiel ist die Verehrung der Sonne als göttliches Wesen.
Dass wir aber heute noch die magischen Welterklärungsmuster der ursprünglichen Astrologie anwenden, zeigt, wie stark bei uns heute noch der Aberglaube verbreitet ist.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.
Du kannst Hugo Stamm auf Facebook folgen und seinen Podcast findest du auf YouTube.