Die Computerspiel-Industrie befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch. Das zeigt sich an der weltgrössten Videospielmesse, der E3 in Los Angeles. Zwar gibt die Veranstaltung auch dieses Jahr die Richtung vor, in die sich die Industrie bewegt, allerdings lässt sie auch viele Fragen unbeantwortet.
Am mutigsten zeigte sich Microsoft und kündigte gleich zwei neue Xbox-Spielkonsolen an. Da wäre zunächst die bereits im August erscheinende Xbox One S, eine überarbeitete Version der aktuellen Xbox One. Sie ist trotz integriertem Netzteil nur etwa halb so gross wie ihre Vorgängerin und wird überdies in der Lage sein, Inhalte in 4K von Bluray und Netflix abzuspielen. Zeitgleich erscheinen soll auch ein verbesserter Controller, dessen Farbe und Bedienelemente sich bei Bestellung farblich individualisieren lassen und der sich über Bluetooth mit Windows 10 PCs und Tablets verbinden lässt. Und das nicht ohne Grund: Microsoft hat mit Xbox Play Anywhere nämlich eine Initiative gestartet, die es möglich machen soll, deren Spiele nicht mehr nur auf der Xbox, sondern auch auf PCs mit installiertem Windows 10 zu spielen, wobei das Spiel hierfür nur einmal gekauft werden muss. Generell scheint Microsoft «Cross-Play», also plattformübergreifendes Spielen, ein grosses Anliegen zu sein. Besonders eindrücklich wurde dies an dem Klötzchenspiel «Minecraft» vorgeführt, als sich Spieler mit unterschiedlichsten Geräten und Betriebssystemen in dieselbe Spielwelt einloggten.
Spiele in 4K erleben wird man hingegen erst mit der von Grund auf neu entworfenen Konsole, deren Entwicklung derzeit unter dem Projektnamen «Scorpio» vorangetrieben wird und die 2017 erscheinen soll. Microsoft zufolge wird es sich dabei um die leistungsfähigste Konsole handeln, die jemals gebaut wurde, weshalb sie auch für Spiele und Anwendungen in Virtual Reality (VR) geeignet sein soll. Über die Spezifikationen der Hardware wurden jedoch nichts Genaueres bekanntgegeben. Überrascht hat der Umstand, dass noch keine Partnerschaft mit den Herstellern von VR Brillen angekündigt wurde. Das könnte darauf hindeuten, dass Microsofts neues Flaggschiff sowohl die Oculus Rift von Facebook als auch die HTC Vive unterstützen wird.
Damit hätte Microsoft den Weg für VR auf seiner Spieleplattform geebnet und den Abstand zum Konkurrenten Sony verkürzt, der seine Brille, die Playstation VR, selbst herstellt. Sony versprach, dass für die bereits im Oktober erscheinende Brille bis zum Ende des Jahres fünfzig Titel für VR erhältlich sein werden, darunter Ableger bekannter Marken wie «Star Wars», «Batman» und «Final Fantasy.»
Sehr bedeckt hielt sich das Unternehmen aus Japan im Hinblick auf dessen neue Konsole. Zwar wurde im Vorfeld der E3 von Sony bestätigt, das man unter dem Projektnamen «Neo» an einer neuen Konsole arbeite, die 4K- und VR-fähig sei, allerdings würde diese an der Messe noch nicht vorgestellt. Tatsächlich verlor man bei der Pressekonferenz kein einziges Wort darüber und zeigte stattdessen nur Spiele. Die Verschwiegenheit auf Microsofts und Sonys Seite ist verständlich, möchten sich doch beide Hersteller beim technischen Wettrüsten nicht früher als notwendig in die Karten blicken lassen.
Jedenfalls scheinen die Zeiten vorüber, in denen man sich beim Kauf einer neuen Konsole für fünf oder mehr Jahre keine neue Hardware mehr anschaffen musste. Denn schon weniger als drei Jahre nach dem Verkaufsstart der jetzigen Konsolengeneration stellen Microsoft und Sony das baldige Erscheinen neuer und leistungsfähigerer Geräte in Aussicht.
Als Grund hierfür sind nicht bloss neue, äusserst leistungshungrige Technologien wie 4K und Virtual Reality zu nennen, welche die bestehende Hardware vor grosse, wenn nicht gar unüberwindbare Herausforderungen stellen. Die Konsolenhersteller möchten längerfristig auch die Zyklen verkürzen, in denen neue Hardware erscheint. Dann könnte es zur Regel werden, dass mehrere Modelle einer Konsole mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit und abweichendem Funktionsumfang angeboten und zugleich alljährlich neue, iterativ verbesserte Modelle dem Produktportfolio hinzugefügt würden. Ein Vorbild für eine solche Vermarktung hierfür wäre einmal mehr der lukrative Smartphonemarkt. Die Frage ist nur, ob die Gemeinschaft der Konsolenspieler willens ist, eine solche Entwicklung mitzumachen.
Nintendo geht derweil wie gewohnt seine eigenen Wege, wobei sich die Firma an der diesjährigen Messe über seine neue Konsole in noch grösserem Umfange ausschweigt, als Microsoft und Sony. Denn zurzeit kann man bloss spekulieren, worum es sich bei der «Nintendo NX» handelt. Klar ist nur, dass die Konsole ebenfalls 2017 erscheinen soll. (aargauerzeitung.ch)