Microsofts Xbox Series X/S startete am 10. November 2020 weltweit. Sonys Playstation 5 zog wenig später nach und kam in Europa am 19. November 2020 heraus. Bereits der Vorverkauf liess Übles erahnen: Viele Kunden gingen leer aus. Frust machte sich breit.
Und trotzdem feierten Sony und Microsoft den Verkaufsstart. Allein die Playstation 5 verkaufte sich laut offizieller Angaben bis zum Ende des Jahres 2021 rund 4,5 Millionen Mal. Und die Nachfrage ist auch Monate später noch so gross, dass die Konsole nahezu überall ausverkauft oder Restbestände binnen Minuten vergriffen sind.
Das alles klingt vermeintlich nach einem Wintermärchen, jedoch stecken dahinter handfeste, weltweite Probleme, die nicht nur den Markt für Videospielkonsolen betreffen. Next-Generation-Gaming hängt am Corona-Tropf und eine Besserung scheint vorerst nicht in Sicht.
Wer den Vorverkauf von Playstation 5 und Xbox Series X/S mitmachte, kennt das Problem: Überlastete Websites und binnen kürzester Zeit abverkaufte Konsolen machten den Preorder zu einem einzigen Glücksspiel. Ein Grund für diese Problematik: Scalper. Sie verwenden Bots, also vollautomatische Computerprogramme, sowie Händlerzugängen und spezielle Kreditkarten, um rasend schnell Bestände abzugrasen. Später verkaufen sie die gelieferten Geräte dann auf Ebay – mit deftigem Gewinn versteht sich.
Datenanalyst Daniel Ahmad zeigte etwa, dass bis zum 01. Dezember 2020 die Playstation 5 bei Ebay rund 33.000 Mal über die virtuelle Ladentheke gingen und das zu einem Durchschnittspreis von 1.021 Dollar. Das macht bis zu diesem Zeitpunkt einen Umsatz von 19 Millionen US-Dollar. Microsofts Xbox Series X wurde dagegen nur 30.000 Mal verkauft und war mit 865 US-Dollar geradezu ein Schnäppchen.
Und auch wenn die Zahlen variieren, so zeigen Playstation 5 und Xbox Series X/S deutlich, dass das Geschäft mit dem Wiederverkauf längst kein Hobby mehr ist. Inzwischen hat sich sogar die Politik eingeschaltet. Grossbritannien plant bereits ein Gesetz gegen Scalper. Bis hierhin steht fest: Scalper werden reich und das auf Kosten der Gamer. Knappe Kontingente in Verbindung mit koordinierten «Kaufangriffen» ergeben eine explosive Mischung, die Hersteller und Kunden zunächst ratlos zurücklassen. Und wenn es im Trailer zur Playstation 5 heisst «Play has no limits», dann kann man dem nur entgegen: Doch! Nämlich in dem Moment, wo es keine Konsolen im Handel gibt.
Aber nicht nur Scalper machen Gamern das Leben schwer, auch die hohe Nachfrage ist ein echtes Problem. Sony und Microsoft kommen mit der Fertigung der Konsolen nicht mehr hinterher. Grund dafür: Die weltweite Pandemie, die damit verbundenen Ansprüche und Lieferengpässe.
Gerade der Bedarf an Halbleitern stieg rapide an. Die durch den Umstieg auf Homeoffice wachsende Nachfrage nach Hardware wie Webcams, Notebooks und anderen Gerätschaften erfordert mehr Ressourcen – vorallem Halbleiter. Halbleiter benötigt man u.a. bei der Fertigung von Chipsätzen oder auch Netzteilen. Kein Wunder also, dass auch Spielkonsolen davon betroffen sind.
Wer aber dennoch zu den Glücklichen gehört, der oder die eine Konsole abbekam, plagt sich wahrscheinlich mit dem bislang recht geringen Software-Lineup herum. Bei Microsoft wartet man nach der Verschiebung von «Halo: Infinite» auf den grossen Systemseller und setzt stattdessen auf den Xbox Game Pass. Eine kluge Entscheidung! Seit dem Beginn der weltweiten Pandemie wächst die Abonnentenzahl des Game Pass' stetig. Waren es im April 2020 noch 10 Millionen Mitglieder, sind es Ende Januar 2021 bereits 18 Millionen. Wer im Lockdown sitzt, freut sich natürlich über die umfangreiche Spiele-Bibliothek und braucht nicht zwangsläufig neue, grosse Produktionen.
Sony auf der anderen Seite legt den Fokus auf Exklusivtitel mit hoher Qualität: «Marvel's Spider-Man: Miles Morales», «Demon's Souls» und «Sackboy: A Big Adventure» sorgten für ein pralles Launch-Lineup. Auch hier geht das Konzept offenbar auf. Wer jedoch Anfang 2021 auf die AAA-Blockbuster wartet, muss Geduld mitbringen. Release-Verschiebungen gehören derzeit zum Tagesgeschäft: «Far Cry 6», «Outriders», «Hogwarts Legacy» oder «Vampire Bloodlines 2» sind nur einige Beispiele. Die Umstellung vom regulären Studio-Alltag hin zur Spieleentwicklung aus dem Homeoffice stellt viele Unternehmen vor eine Herausforderung. Bereits im vergangenen Jahr erklärte Xbox Chef Phil Spencer, dass man die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Spieleentwicklung erst 2021 so richtig merken würde. Recht hatte er!
«Cyberpunk 2077» war das letzte grosse Fehlerfestival auf Konsole und kostete CD Projekt Red seinen guten Ruf. Gerade das Qualitätsmanagement leidet unter den aktuellen Arbeitsbedingungen. Einen derartige Shitstorm können und werden sich andere Entwickler nicht erlauben dürfen. Noch mehr Release-Verschiebungen wie etwa zuletzt beim Remake von «Prince of Persia: Sands of Time» werden die Folge sein.
Nein, es wird nicht plötzlich der Tag kommen, an dem sich Playstation 5 und Xbox Series X/S in den Läden stapeln. Oder wenn, dann ist dieser Tag noch einige Zeit weit weg. Auch wenn Next-Generation mit jedem neuen, exklusiven Spiel wieder mehr Fahrt aufnimmt, so bleiben viele der angesprochenen Probleme bestehen.
Aber es wird Besserung geben. Zur zweiten Jahreshälfte dürfte sich die Lage leicht entspannen und mit ein wenig Glück erwartet uns ein Wintergeschäft, das diesem Namen auch gerecht wird. Die neue Konsolengeneration erschien zu einer besonderen Zeit und wurde zum Spielball der Umstände.
Die Menschen spielen im Lockdown mehr als jemals zuvor. Dem Medium und dem Geschäft der Computer- und Videospiele geht’s gut. Alles, was derzeit noch fehlt ist der Kickstart für Next-Generation-Gaming. Drei Monate nach dem Launch nämlich tut sich bei Playstation 5 und Xbox Series X/S leider noch vergleichsweise wenig.