Kreativer Kopf, Entwicklerlegende oder auch «Gran Turismo»-Mastermind – all diese Begriffe liest und hört man immer wieder im Zusammenhang mit Kazunori Yamauchi. Der liebevoll als «Kaz» bezeichnete Japaner ist der Chef des Entwickler-Studios Polyphony Digital und Produzent der Rennsport-Serie «Gran Turismo».
Diese gehört seit der ersten PlayStation-Generation fest zum First-Party-Portfolio der Sony-Konsole und trägt Yamauchis Handschrift. Der 54-Jährige verbindet in der Reihe seine grössten Leidenschaften: Automobilsport, visuelle Inszenierung und natürlich das Erschaffen virtueller Rennspielwelten. Aber was für ein Mensch ist Kazunori Yamauchi?
Yamauchi wurde am 5. August 1967 in Kashiwa in der Präfektur Chiba geboren. Als Kind war er naturbegeistert und sammelte beispielsweise mit grossem Enthusiasmus Insekten. Diesen Aspekt des Entdeckens und Aufhebens findet man bis heute in «Gran Turismo 7». Nur dass Spieler dort eben Autos und keine Käfer sammeln. Seine Eltern förderten seine Kreativität, indem sie etwa die Wände mit Papier bedeckten und den kleinen «Kaz» darauf herummalen liessen.
Sein Vater arbeitete als Geschäftsmann und war oft unterwegs. Nicht selten nahm er aber Kazunori Yamauchi mit. Auf den langen Fahrten beobachtete der kleine «Kaz» den Strassenverkehr und lernte so Automarken und Typen auswendig. Zu Schulzeiten träumte er davon, Astronaut zu werden, fand aber schnell Interesse am Filmemachen. Er drehte damals mit sehr einfachen Mitteln und entwickelte so ein Gespür für die visuelle Inszenierung, die er später in seinem Grafik-Studium noch weiter vertiefte und nebenbei beispielsweise Werbematerialien für Autohersteller entwarf.
Yamauchi-san war ein Musterschüler und bezeichnet sich selbst gerne als «Nerd». Doch stille Wasser sind bekanntermassen tief und mit zunehmendem Alter entdeckte er seine Liebe für Autos, das Fahren und auch für die Geschwindigkeit. Kurz nachdem er seinen Führerschein gemacht hatte, kaufte er sich einen Toyota Supra (in Japan Toyota Celica XX).
Er wurde zu einem «hashiriya» – einem Strassen-Rennfahrer. Mit 24 Jahren stockte er auf und ersetzte den Supra durch den schnelleren Nissan GT-R R32. Doch noch bevor der Wagen versichert oder gar abbezahlt war, hatte Yamauchi einen Unfall und zerlegte den Flitzer komplett. Glücklicherweise kam er selbst ohne bleibende Schäden davon.
Doch trotz dieses prägenden Erlebnisses liess Yamauchi nicht von Autos ab. Heute hat er eine Fahrerlizenz und nahm u.a. mehrfach am 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring oder den 25 Stunden von Thunderhill teil. Diese reale Beziehung zum Rennsport begleitet ihn sein ganzes Leben und prägt letztlich auch seine Vision von «Gran Turismo».
In die Gaming-Branche rutschte Yamauchi eher zufällig. Zunächst arbeitete er bei Sony und war an der Entwicklung der ersten PlayStation beteiligt. Sein erstes Projekt war der Mario-Kart-Klon «Motor Toon Grand Prix», ehe er und ein kleines Team von gerade einmal vier Kollegen mit den Arbeiten an «Gran Turismo» begann. Das Rennspiel war damals ein grosses Risiko, schliesslich dominierten zu dieser Zeit Titel wie «Ridge Racer» und andere Fun-Racer die Szene.
Doch Yamauchi wollte mehr. Er wollte den «Real Driving Simulator». Der Erfolg gab ihm schliesslich recht und «Gran Turismo» erwuchs zu einer der wichtigsten Marken für Sony PlayStation. Die Rennsimulation verknüpfte über die Jahre virtuelles Racing mit realem Motorsport und brachte auch kompetitives Gaming auf eine neue Ebene. Enge Partnerschaften mit Automobilherstellern oder der FIA bilden die Grundlage für den Erfolg und die Weiterentwicklung der Serie.
Für Yamauchi ist die Motivation hinter dem Entwickeln von Computer- und Videospielen und dem Designen von Autos ähnlich. «Jeder, der in der Autoindustrie arbeitet, möchte elegante Fahrzeuge bauen. Aber dafür gibt es kein Patentrezept. Jeder muss für sich einen Weg finden, das persönliche Designziel zu erreichen,» erklärte er im Interview im Rahmen des Genfer Auto-Salons 2017.
Dieser Prozess dauert seiner Meinung nach manchmal Jahre oder sogar Jahrzehnte. Am Ende käme es vor allem auf die Leidenschaft der Designer an. Yamauchi-san ergänzt: «In diesem Punkt sehe ich eine Parallele zum Entwickeln von Videospielen: In beiden Branchen kommt es vor allem auf Kreativität und Leidenschaft an. Fehlt eine dieser Zutaten beim Schaffungsprozess, dann merkt das der Spieler oder Autokäufer später sofort. Vielleicht möchte ich aus diesem Grund auch beide Bereiche miteinander verbinden.»