Lange bevor der japanische Entwickler FromSoftware mit «Demon's Souls» und später «Dark Souls» international grosse Erfolge feierte und das Subgenre der sogenannten Soulslikes etablierte, war die Mech-Shooter-Reihe «Armored Core» einer der wichtigsten Umsatzbringer des Studios. Ganze 16 Teile sind seit 1997 erschienen, darunter das von «Elden Ring»- Mastermind Hidetaka Miyazaki koordinierte «Armored Core 4». Mit «Armored Core VI: Fires of Rubicon» bringt FromSoftware seine futuristischen Kampfkolosse nun nach zehn Jahren Pause zurück auf PlayStation und Xbox – und erstmals auch auf moderne Windows-PCs.
Das Wichtigste gleich vorweg: «Armored Core VI» ist kein Open-World-Spiel wie «Elden Ring». Vielmehr orientiert man sich hinsichtlich der Levelstruktur eng an früheren Serienablegern und konfrontiert Spieler mit aneinandergereihten Missionen, die über vorgegebene Speicherpunkte verfügen. Explodiert der eigene Armored Core – so der Name der Kampfroboter –, startet man einfach von dort aufs Neue. Mühsames Backtracking nach einem Bildschirmtod, um verloren gegangene Seelen zurückzuholen, gibt es hier nicht. Anders als in «Elden Ring» fühlt sich das Storytelling zudem zugänglicher an. Statt kryptische Notizen zu deuten, mit mysteriösen NPCs zu interagieren und inhaltliche Schlüsse selbst zu ziehen, gibt's hier vor jeder Mission aufwändig inszenierte Zwischensequenzen, die den Plot verständlich vorantreiben – teils auch mit Rückblenden auf vergangene Ereignisse.
Aufhänger der Geschichte ist der Planet Rubicon 3. Schon früh entdeckte man hier eine überaus wertvolle Substanz namens Coral, die der Menschheit fortan als mächtige neue Energiequelle diente und superschnelle Datentransfers ermöglichte. Doch dann walzte ein apokalyptischer Flammensturm durch das Sonnensystem, zerstörte grosse Teile von Rubicon 3 und brachte die Coral-Förderung komplett zum Erliegen. Jahre später mehren sich nun Anzeichen, dass der Planet weiterhin über Coral-Vorkommen verfügt, was wiederum verschiedene machtversessene Firmenkonglomerate auf den Plan ruft.
Der Held des Spiels – ein augmentierter Mensch mit dem Rufnamen Raven – agiert in diesem sich anbahnenden Konflikt als Söldner, dem ein mysteriöser Zwischenhändler namens Walter immer neue, lukrative Aufträge zuschiebt. Die Bandbreite reicht von Aufklärungsmissionen über Sabotageaktionen bis hin zu Einsätzen, in denen ein ganz bestimmtes Ziel eliminiert werden muss – Kollateralschäden einkalkuliert.
Bevor das erste Kapitel so richtig durchstartet, folgt jedoch zunächst ein Tutorial, das gezielt an die wichtigsten Spielmechaniken heranführt. Im Fokus stehen dabei die Schubdüsen, zumal sie nicht nur blitzschnelle Ausweichbewegungen am Boden erlauben, sondern den Armored Core auch – eine ausreichend gefüllte Boost-Leiste vorausgesetzt – Dutzende Meter hoch in die Luft katapultieren und waghalsige Flugmanöver gestatten. Flankiert wird diese volle 360-Grad-Bewegungsfreiheit von erfreulich viel Vertikalität im Leveldesign.
Nehmen wir als Beispiel Mission sieben: Darin erhält Raven den Befehl, eine sechsbeinige, durch die Wüste wandelnde Bergbau-Plattform – Codename Strider – zu zerstören. Während sich das Zielobjekt im Rahmen der Einsatzbesprechung noch schwierig einschätzen lässt, verschlägt einem die schiere Grösse kurz nach Missionsbeginn in der Tat die Sprache.
Geschützt wird das Stahlmonstrum von einem nicht minder imposanten Laser, der einen Armored Core mit nur einem Direkttreffer in Fetzen reisst. Die dann folgende Mission sorgt für kontinuierliche Nervenkitzel: Zunächst gilt es, sich inmitten eines Sandsturms in Richtung des Striders vorzukämpfen und dabei seinen Laserstrahlen auszuweichen. Ist das geschafft, bringt Raven das Ungetüm durch gezielten Beschuss eines Servogelenks zu Fall und kraxelt dann mittels Schubdüsen-Unterstützung Abschnitt für Abschnitt am umgekippten, Hunderte Meter hohen Korpus empor.
Aber auch bei der darauffolgenden Erstürmung eines stark bewachten Staudamms kommt man letztendlich nur erfolgreich voran, wenn man regen Gebrauch von den Schubdüsen macht und zwischen den verschiedenen Höhenebenen des Levels wechselt. Gepaart wird all das mit Kämpfen gegen eine riesige Palette an Feindtypen. Stellen sich einem anfangs lediglich kleinere Panzer, Mechs und Artilleriegeschütze entgegen, kommen später immer potentere Feinde hinzu, darunter vierbeinige, schwer bewaffnete Spinnen-Roboter und andere, besonders manövrierfähige Armored Cores.
Richtig knackig wird's allerdings erst, wenn Raven mal wieder einem Level-Endgegner gegenübersteht. Typisch FromSoftware: Schon der erste Boss teilt so heftig aus, dass wir drei Anläufe benötigen, um ihn vom Himmel zu holen. Im Vergleich zur mobilen Artillerieplattform Juggernaut im letzten Drittel der Anspiel-Version sind das jedoch Peanuts. Hier sehen selbst erfahrene Spieler nach einem Dutzend Versuchen nur schrittweise Fortschritte.
Zugegeben, während genau dieses Experimentieren Genre-Veteranen viel Freude bereiten dürfte, könnten Normal- und Gelegenheitsspieler die teils immensen Schwierigkeitsschwankungen in Bossduellen früher oder später als zu frustrierend erleben und die Flinte ins Korn werfen.
Doch das ist Meckern auf hohem Niveau, denn mit der richtigen Taktik und der nötigen Geduld gibt auch die hartnäckigste Boss-Blechbüchse irgendwann klein bei. Hinzu kommt, dass eine gewisse Frusttoleranz bei FromSoftware-Spielen nun mal Pflicht ist. Und technisch? Schlägt sich das für den 25. August geplante «Armored Core VI: Fire of Rubicon» wacker. Die Grafik läuft in allen Situationen sehr konstant mit 60 Bildern pro Sekunde und bietet gelungene Explosion und Gegnermodelle. In Sachen Texturqualität und Lichteffekte bleibt allerdings noch Luft nach oben. Dennoch: Wenn sich auch der Rest der Kampagne so abwechslungsreich spielt wie das erste Kapitel und sich der PvP-Multiplayer-Modus lange genug bei der Stange hält, könnte sich Teil sechs zum bisher besten «Armored Core» mausern.