Edward hat ein Problem. Eigentlich hat er gleich mehrere: Sein Leben gerät völlig aus der Bahn. Alkoholsucht, Depressionen und ein Liebesleben, das ihm sehr zu schaffen macht, drängeln ihn an die Wand. Der Lebensmut schwindet, der Boden unter seinen Füssen wackelt, die Seele möchte sich nur noch übergeben.
Doch ein allerletzter Versuch, um sein Gewissen und sich selbst zu retten, tragen Edward zu einem Motel, wo ersichtlich wird, dass sein Verstand wohl schon lange im Pausenmodus läuft. Eine unheilvolle Stimme rät ihm, stets im Licht zu bleiben, wenn er Erlösung finden möchte. Total verwirrt taumelt er weiter. Als dann auch noch sein Auto gestohlen wird, bleibt ihm nur noch der Gang ins nahegelegene Städtchen Dormont, wo der Psychotrip seinen Lauf nimmt.
Man riecht es schon von weitem: In diesem Städtchen ist irgendetwas oberfaul. Die Menschen scheinen alle verschwunden zu sein und in der Dunkelheit lauern Gestalten mit glühenden Augen und Stichwaffen. Jetzt macht der ominöse Rat am Anfang des Spiels, dass man stets im Licht bleiben soll auch Sinn. Denn entfernt sich Edward zu weit von der Lichtquelle, packen die Spukgestalten zu und das Jenseits wartet.
Zur Wehr setzen kann er sich nicht, also muss er sein Resthirn einschalten, um neue Lichtquellen zu erschliessen, damit er seinen Weg fortsetzen kann. Um zum Beispiel die Scheinwerfer eines verlassenen Autos einzuschalten, braucht es zuerst natürlich den Autoschlüssel. Dieser ist wiederum irgendwo in der näheren Umgebung versteckt.
Also schleichen wir via Ego-Perspektive durch das jeweils begrenzte Setting, sammeln andere Gegenstände zwecks Rätsellösung ein, um dann schliesslich das Objekt der Begierde einzusetzen. Auch eine Parallel- oder Geisterwelt muss regelmässig besucht werden, um dort entweder einen Gegenstand zu holen, zu platzieren oder durch das Betätigen eines Lichtschalters in der Realität etwas auszulösen.
So wandern wir beispielsweise durch eine heruntergekommene Tankstelle, besuchen eine verlassene Bibliothek oder eine Polizeistation, die auch schon bessere Tage erlebt hat, und suchen immer wieder den Weg aus dem Gebäude, indem wir für mehr Licht sorgen, um unseren Pfad zu erhellen. Unterwegs lesen wir Dokumente, finden obskure Gemälde und kommen in den Kontakt mit satanischen Ritualen.
Immer wieder treffen wir dabei auf ein mysteriöses Mädchen, das uns den Weg weist, ein Monster mit grosser Taschenlampe im Gesicht und ein Maskenmann, der von uns verlangt, dass wir Entscheidungen treffen, um eine bestimmte Seele zu retten oder sie zu verdammen. Und Genre-Fans ahnen es natürlich, dass alles zusammenhängt und Edward nicht zufällig in diesem Örtchen weilt.
Trotz zu Beginn spannend erzählter Geschichte und gutem Horror-Flair, «Those Who Remain» will in den ca. sechs Spielstunden nie so richtig zünden. Die Macher Camel 101 bedienen sich zu sehr bei den Genre-Klischees und können kaum etwas Neues bieten, was man nicht schon irgendwo und irgendwie erlebt hat. Verlassene Stadt, Gestalten im Dunkeln und ein mysteriöses Mädchen, das lieben wir Genre-Fans zwar, aber kennen alles ehrlicherweise schon in und auswendig.
Besonders negativ fällt bei diesem simplen Psychotrip die Technik auf: Die Steuerung mit dem Controller ist ein Graus. Das Laufen, das Drehen der Spielfigur, das Aufheben von Gegenständen, generell die Bewegung innerhalb der Räumlichkeiten, das läuft alles so grauenvoll langsam und holprig ab, dass sich hier der wahre Horror entpuppt. Auch wenn es ein Indie-Titel ist und man geneigt ist, öfters mal beide Augen zuzudrücken, eine solche Steuerung ohne Feinschliff hätte nicht veröffentlicht werden dürfen.
Fazit: Auch wenn «Those Who Remain» nur ca. sechs Stunden dauerte, es war oft eine Qual, die sich kaugummiartig in die Länge zog. Ich war regelmässig kurz davor, das Spiel einfach links liegen zu lassen und abzubrechen. Dabei war ich von der Story zu Beginn sehr angetan und ich wollte wissen, was aus Edward werden wird. Auch die immer gleich stupiden Schlüssel- und Schalter-Rätsel konnte ich noch verkraften. Aber je länger ich spielte, umso egaler wurde mir alles. Der Hauptschuldige war schnell gefunden: die Technik. Die holprige, ungenaue Steuerung und das ungeschmeidige Bewegen der Spielfigur sorgten für ein Dauergefluche im Wohnzimmer und der Spielspass sank immer mehr nach unten.
«Those Who Remain» ist erhältlich für Playstation 4 (getestet), Xbox One und PC. Eine Switch-Version folgt zu einem späteren Zeitpunkt. Freigegeben ab 16 Jahren.