
Sag das doch deinen Freunden!
Was haben Sie als Letztes gegessen?
Mirjam Hauser: Ein Sandwich im Zug. Ein Thun-Sandwich. Das mache ich sonst nie.
Werden wir in 20 Jahren immer noch Sandwichs essen?
Ja, das Sandwich wird überleben. Inhalt und Form ändern sich jedoch. Allenfalls auch die Art, wie wir es essen. Das Sandwich ist sinnbildlich für unsere immer schnellere, mobilere Gesellschaft. Weil das Sandwich meistens kalt ist, kann ich eine Hälfte essen, einen Termin wahrnehmen und die andere Hälfte danach zu mir nehmen. Es ist nicht die beste Form von Essen, aber die praktischste für unterwegs.
Sie sagen, das Sandwich werde sich verändern. Wie denn?
Früher hatte es im Sandwich Käse, Schinken, Salami. Schon heute gibt es eine breite Palette. Das Sandwich kann viele Trends aufgreifen. Es kann gesund, bio, vegan, saisonal oder gar alles zusammen sein. Heute gibt es zum Beispiel Avocado- oder Hummus-Füllungen und in Zukunft immer neue Varianten davon. Das Brot könnte sich Richtung Wrap verändern, damit die Füllungen weniger tropfen.
Gleich geht's weiter mit dem Interview, vorher ein kurzer Hinweis:
20 Jahre sind ein bisschen gar weit weg. Worauf dürfen wir uns in näherer Zukunft bereit machen?
Wir werden noch mehr unterwegs sein, noch mehr pendeln und unser Essen wird sich noch stärker darauf ausrichten. Nach 2020 könnte es dann allerdings kippen. Dann werden wir wirklich mobil sein und von überall aus auf unsere Arbeit zugreifen können. Folglich werden sich in diesem Sinne auch die Essgewohnheiten wieder zurück entwickeln.
Womit beschäftigt sich die Food-Forschung der Zukunft aktuell?
Zuerst möchte ich erwähnen, dass nebst den traditionellen Forschungsstellen wie den Universitäten und den Hochschulen Branchenfremde auf das Feld drängen. Es sind diese Foodtech-Startups aus dem Silicon Valley. Diese tüfteln an neuen Produktionsverfahren, an Technologien für die Zubereitung oder die Lieferung von Essen. Natürlich investieren auch Firmen wie Nestlé viel in die Forschung. Alle diese Gruppen haben verschiedene Interessen. Das macht den Markt dynamisch.
Was genau kreieren diese Foodtech-Startups?
Was sie tun, ist vergleichbar mit Uber oder AirbnBb Eigentlich liefern sie nur Plattformen. Sie übernehmen damit die Kommunikation zwischen dem Händler – zum Beispiel einem Restaurant – und dem Kunden. Dazu kommt die Auslieferung. Aber auch schon die Auslieferung lassen sie andere erledigen. Sie vernetzen mit ihren Food-Plattformen lediglich und kassieren dafür eine Gebühr. Die Arbeit übernehmen andere; wie bei Airbnb, wo Private ihre Wohnungen und Häuser anbieten. Doch wer vermittelt, hat die Macht. In den USA gibt es in Ballungszentren wie New York oder Los Angeles bereits solche Plattformen. Die Grösse einer Stadt ist ein wichtiger Faktor. Zürich ist schon fast zu klein.
Woran forschen die anderen?
In der Produktion gibt es in Zukunft ganz neue Ansätze. Die Fleischproduktion zum Beispiel. Da sind die Forscher schon daran «Fleisch» zu züchten, wofür keine Tiere mehr sterben müssen. Dafür werden Zellen gezüchtet. Noch ist es teuer, doch das könnte sich rasch ändern. Diese Forschung haben keine Lebensmittelunternehmen vorangetrieben, sondern Firmen aus dem medizinischen Bereich.
Verschwindet Fleisch ganz von unserem Speisezettel?
Das denke ich nicht. Zumindest nicht so rasch. Nebst der Zellenzüchtung wird auch nach Protein-Ersatz geforscht, beispielsweise auf Basis von Insekten. Zudem ist das Züchten von Algen für Öl-Ersatz interessant und ein grosses Thema.Sie sind reich an Omega-3 und Docosahexaensäure (DHA).
Können Sie Megatrends voraussagen?
Vorhersagen kann ich leider nicht. Aber die grossen Firmen forschen intensiv am personalisierten Essen. Schon heute kann jede und jeder relativ günstig eine Gen-Analyse von sich machen lassen. Diese zeigt die Veranlagungen für Krankheiten auf. So kann zum Beispiel ein erhöhtes Risiko von Krebs festgestellt werden. Aufgrund dieses Vorwissens steuert man dann die Nahrung. Mehrere Firmen sind daran, Food gegen chronische Krankheiten zu entwickeln. Nestlé ist daran, Essen zu erfinden, das Alzheimer vorbeugt. Darin sehen die grosses Potenzial.
Gibt es noch etwas für uns noch weiter in der Zukunft liegendes als Food gegen Krankheiten?
Man kann das Ganze weiterspinnen. Grundsätzlich ist es ja so, dass wir immer mehr Daten sammeln über uns selber; mit Smartphones oder Wearables – diesen Armbändern etwa. Die Technik verschmilzt mehr und mehr mit unserem Körper und wir wissen immer mehr über unsere Essgewohnheiten und Vorlieben. Irgendwann haben wir am oder im Körper einen Chip mit diesen Daten. Diese kommunizieren dann direkt mit dem Restaurant oder dem Supermarkt und liefern ein auf uns persönlich zugeschnittenes Essen. Nehmen wir an, wir beide würden das tun und beide Schnitzel und Pommes Frites bestellen. Dann bekämen sie vielleicht ein Schnitzel mit weniger Fett und ich eines mit mehr Vitamin D – personalisiertes Essen halt.
Wann kommt der Astronauten-Food für die Massen? Die Vitamin-Kapsel, die Nährwert für den ganzen Tag enthält?
Nie, denn wir hätten das schon lange tun können. Wir Menschen essen auch wegen des sozialen Aspektes. Und wir essen, weil es uns schmeckt, wir neue Geschmackskombinationen mögen. Auf diese wollen wir nicht verzichten. Deshalb denke ich nicht, dass wir uns je mit einer Vitamin-Kapsel pro Tag abspeisen lassen.
Restaurants verschwinden also nicht?
Wir essen immer noch am Liebsten in Gesellschaft. Unsere Kultur ist dem Essen verbunden. In den USA etwa ist essen im Auto normal, ganz im Gegensatz zu Europa. Das wird sich nicht so rasch ändern. Und es wird immer zu Gegenbewegungen kommen. Durch das rasche Zwischenverpflegen wird der Wunsch nach «reinem» Essen wachsen. Das heisst, Orte, Restaurants, die nur Essen anbieten, die das Essen in diesem Sinne zelebrieren, werden wieder gefragter sein.