Wer nun meinen würde, Aufregung um ein Beatles-Biopic wäre einzig eine Sache von Grumpy Old Men wie mir, liegt weit daneben. Erst durch meine 16-jährige Tochter erfuhr ich überhaupt davon. Und erst durch sie erfuhr ich, wie sehr sich die Generation Z in heller Aufruhr befindet, seit die Besetzung von John, Paul, George und Ringo bekannt gegeben wurde.
Oh ja: Es ist tatsächlich weiterhin so, dass jede Generation Legionen von eingeschworenen Beatles-Fans hervorbringt. Selbst mehr als 50 Jahre nach der Auflösung der Band. Hey, heute wohl mehr denn je, TikTok und Co. sei Dank.
Umso mehr freuten sich alle ob der Ankündigung, dass es eine Verfilmung der Geschichte der Fab Four geben würde unter der Ägide von Regielegende Sam Mendes («American Beauty», «Road to Perdition», «Skyfall», «1917» etc.). Und zwar nicht nur ein einziges Biopic, sondern gleich vier (4!) einzelne Filme, jeweils aus der Perspektive der einzelnen Bandmitglieder erzählt.
Grossartige News!
BIS zu dem Moment, als die Besetzung der vier Hauptrollen bekannt gegeben wurde. Meine Tochter leitete mir die offizielle Ankündigung weiter – mit der Bemerkung:
«The casting is really bad.»
Ich schaute mir zunächst das Foto an und schrieb zurück:
«Hmm ... von links nach rechts: Paul, Ringo, John und George? Richtig? (Mit der entsprechenden Maske, versteht sich.)»
Falsch. Nur George war richtig. Die korrekte Lösung lautet nämlich:
Harris Dickinson spielt John Lennon.
Paul Mescal spielt Paul McCartney.
Barry Keoghan spielt Ringo Starr.
Und Joseph Quinn spielt George Harrison.
Okay. Vielleicht verstehe ich die Kritiker ein wenig.
Im Nullkommanichts ging ein Aufschrei durch die TikTokosphäre (ich nenn das jetzt mal so): Die Schauspieler seien «zu berühmt». «Zu heiss.» Man habe einfach «the internet's boyfriends» gecastet. Und war diese ganze Sache, die am 1. April enthüllt wurde, gar ein riesiger Aprilscherz?
Okay, schlüsseln wir das mal auf.
Der erste – und meistgenannte – Kritikpunkt ist der offensichtlichste: Sorry, aber die sehen nun wirklich nicht aus wie John, Paul, Ringo oder George. Gewiss, die Maske sollte noch einiges richten können, ... aber da wird einiges an Goodwill vom Zuschauer gefordert.
Wieso konnte man in dieser verdammt riesigen Welt keine vier Schauspieler finden, die den jungen George, John, Ringo und Paul vielleicht ein klitzekleines Bitzeli mehr ähneln? Es ginge nämlich anders: Anno 1976 suchte man den Hauptdarsteller für die Titelrolle des bis dahin teuersten Films in der Geschichte Hollywoods, «Superman». Etliche Hollywood-Grössen erhielten Absagen. Stattdessen bekam der unbekannte Schauspieler Christopher Reeve die Rolle, ... weil er verdammt nochmal wie Superman aussah. Und in der Folge wurde Reeve selbst zum grossen Star. Heute aber scheint man in vorauseilendem Gehorsam auf Popularität zu setzen.
Was aber fast problematischer ist: Die Schauspieler sind alle um die 30. Harris Dickinson mit 28 Lenzen ist der Jüngste, Barry Keoghan der Älteste mit 32. John Lennon war aber 16, als er 1957 zum ersten Mal dem 15-jährigen Paul McCartney begegnete.
Paul Mescal wird bei Drehbeginn über 30 sein, ... während McCartney 27 war, als sich die Beatles Ende 1969 aufzulösen begannen. Nochmals: Die Maske wird wohl auch hier einiges gutmachen können. Und vielleicht wird auch De-Aging-CGI eingesetzt. Aber die Frage bleibt im Raum: Wieso hat man nicht einfach vier jüngere Typen gecastet?
Und – wenn wir gleich dabei sind – wieso nicht gleich aus Liverpool, der Heimatstadt der Beatles? Etliche Kommentatoren und Fans monieren, dass keiner der vier Schauspieler aus Liverpool stammt. (Okay, Joseph Quinns Mama ist aus Liverpool, er selbst ist aber South London durch und durch.)
Vielleicht ist dieser Kritikpunkt etwas moralbehaftet, legitim ist er dennoch. The Beatles haben Liverpool aufs internationale Parkett gebracht. Dank ihnen wurde die Stadt erst als kreativer Kraftort berühmt. Dort steht gar das Liverpool Institute for Performing Arts, jene weltbekannte Hochschule für Darstellende Kunst, die zudem gar von Paul McCartney höchstpersönlich gegründet wurde! Wieso ging man nicht dort auf die Suche?
Fassen wir also zusammen: Konnte man keine vier Jungs finden, die John, Paul, George und Ringo etwas mehr ähneln? Und vielleicht ein klein wenig jünger sind? Und weshalb zum Geier nicht aus Liverpool?
Nun, die Antwort liegt auf der Hand.
Aus Sicht der Produzenten ist es immer von Vorteil, ein fettes Filmprojekt (und in diesem Fall: geschlagene vier Filme) mit bekannten Namen ankündigen zu können. Gewiss, keiner der vier Schauspieler ist ein Megastar. Aber alle sind im Aufwind, und alle sind aktuell mega trendy bei der Generation TikTok (siehe oben, Stichwort «internet's boyfriend»). Da wurde auf die Abertausenden (und lautstarken) Gen-Z-Fans dieser vier Schauspieler gesetzt.
Ist dies nicht am Ende eine gute Sache? Indem man vier angesagte Jugendidole die Fab Four spielen lässt, kann man eine ganz neue Generation mit der Musik der Beatles bekannt machen. Win-win, oder?
Nö, dies ist ein Trugschluss. Es braucht keine Mescals und Co., um The Beatles bei den Kids populär zu machen. The Beatles als interkulturelles und generationenübergreifendes Phänomen besitzen eine eigenständige Grösse und Schlagkraft wie kaum wer. Ja – selbst im Jahr 2025. Der Beweis dafür ist ja der Fakt, dass es genau die Gen Z ist, die sich über das Casting empört. Nicht, weil sie etwas gegen die vier Schauspieler per se hätten (nicht wenige sind ausdrückliche Fans ihrer Filme). Sondern weil ihnen The Beatles am Herzen liegen. Oder wie es eine TikTokerin ausdrückte:
«These are not my boys. This is not my George. Not my John, Paul or Ringo.»
Und wehe allen, die diese jungen Damen auf TikTok belächeln. Ein Blick in die Geschichte der Popkultur zeigt es immer wieder: Junge Frauen haben einen ausgezeichneten Instinkt für wahre Grösse. The Beatles hätten nicht stattgefunden ohne die jungen Frauen, welche die Beatlemania auslösten. Daher verdient die aktuelle Riege der jungen Frauen, die sich emotional für die Beatles engagieren, Respekt.
Indes, liebe Beatles-Fans und Casting-Kritiker: Es gibt Hoffnung. Und sie heisst Sam Mendes. Liefert er im April 2028 vier so richtig geile Filme ab, dann ist alles verziehen. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass er es hinkriegt. Seine Erfolgsbilanz kann sich nämlich sehen lassen. Ich, zumindest, halte die Daumen gedrückt.