Über zehn Jahre lang begleitete die Stimme von Mani Sokoll die Fahrgäste in den Bussen der Regionalen Verkehrsbetriebe Baden-Wettingen (RVBW). Wenn die ehemalige Tele-M1-Moderatorin den nächsten Stopp ankündigte, hiess es jeweils auf Schweizerdeutsch «Schwümmbad», «Schtei» oder Schuelhuusplatz». Doch damit ist jetzt Schluss: Die Durchsagen erfolgen neu auf Hochdeutsch.
Die RVBW folgen mit dieser Änderung einer Verordnung des eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Darin ist festgehalten, dass Durchsagen auch für Hörbehinderte gut verständlich sein müssen. Auf Anfrage präzisiert Gregor Saladin, Mediensprecher des Bundesamts für Verkehr (BAV): «Messungen haben gezeigt, dass hochdeutsche Durchsagen für Hörbehinderte deutlich besser verständlich sind als solche in Mundart.»
Hinzu komme, dass auch Personen aus der Romandie oder dem Tessin sowie Ausländer hochdeutsche Durchsagen besser verstehen würden. Diese Verordnung ist seit Juli 2016 in Kraft. Gemäss BAV waren die RVBW eines der letzten Deutschschweizer öV-Unternehmen, deren Durchsagen im Dialekt erfolgten. Die Durchsagen der Postauto AG Nordschweiz sind seit der Einführung der akustischen Ansagen der nächsten Haltestelle im Jahr 2005 auf Hochdeutsch.
Die Behindertenorganisationen Pro Infirmis und Pro Audito begrüssen die Änderung. Georg Simmen, Präsident Pro Audito, erklärt: «Hörbehinderte Menschen, die erst spät ein Hörimplantat erhalten und deshalb auch spät die Sprache erlernen, sprechen vor allem auf Hochdeutsch.» Deshalb würden sie auch die Durchsagen im Bus auf Hochdeutsch besser verstehen. «Wichtiger für uns sind aber die Qualität der Durchsagen und die Anzeigetafeln», sagt Georg Simmen. Denn würden die Ansagen von starkem Rauschen begleitet oder sei es sehr laut im Bus, brächten auch die hochdeutschen Durchsagen nichts. Deshalb seien hörbehinderte Menschen darauf angewiesen, dass die Haltestellen gut sichtbar auf Displays angezeigt werden. «Je schlechter ein Mensch hört, desto wichtiger werden diese Tafeln», sagt Simmen.
Und was sagen die Fahrgäste der RVBW zu den neuen Ansagen in Hochdeutsch? «Es ist wichtig, das Schweizerdeutsch zu pflegen», sagt eine Wettingerin. «Aber es sollte uns auch bewusst sein, dass nicht nur Ausländer, sondern auch viele Schweizer aus anderen Landesteilen unseren schweizerdeutschen Dialekt nicht verstehen.» RVBW-Marketingleiterin Marija Nikolova ergänzt: «Uns ist klar, dass es sich um ein emotionales Thema handelt.» Bis jetzt seien aber noch keine negativen Rückmeldungen eingegangen; einzig die zu leise Lautstärke sei bemängelt worden.
«Wir mussten ohnehin neue Haltestellen einsprechen lassen und setzten deshalb auch gleichzeitig die Vorgabe des Bundes um.» Die Haltestellen würden nun so ausgesprochen, wie sie auch angeschrieben seien. «Wir sind überzeugt, dass diese Vereinheitlichung der Haltestellendurchsagen die Orientierung noch einfacher macht.»
Dass neben dem Dialekt auch Mani Sokoll aus den Bussen verbannt wurde, hat einen einfachen Grund: Sie wohnt seit 2015 in Nicaragua und die RVBW mussten sich auf die Suche nach einer neuen Stimme machen. Eine Computer-Stimme kam dabei nicht infrage. «Wir wollten unsere Fahrgäste weiterhin mit einer natürlichen Stimme informieren», sagt Nikolova. Zudem sollte die Sprecherin wieder weiblich sein, da das Feedback stets positiv gewesen sei.
«Wir sind stolz, dass wir eine langjährige Mitarbeiterin als neue Sprecherin gewinnen konnten.» Sie verfügt über eine professionelle Gesangsausbildung mit Live-Auftritten, genoss ein professionelles Sprechcoaching und sei somit die perfekte Kandidatin gewesen. «Mit dieser internen Lösung ist die Flexibilität gewährleistet, die wichtig sei, um kurzfristig neue Durchsagen aufnehmen zu können.» (aargauerzeitung.ch)