Unter all den hirnverbrannten Nestern, in denen im Internet ein paar irre Gestalten ihren Blödsinn ausbrüten, ist der Blog WikiMANNia eines der grusligsten. Die deutsche Ausgabe schreibt «Welcome, Mr. Trump» und «Make Russia, Make Germany Great Again».
In den Einträgen zu prominenten Frauen heisst es bei Angela Merkel «führende Obama-Versteherin». Bei Literaturnobelpreis-Trägerin Elfriede Jelinek steht: «Dieser Artikel behandelt ekelerregende Themen.» Bei Margarete Stokowski: «Versucht feministische Phamplete als Journalismus zu tarnen.» Ja, sie schreiben da «Phamplete».
Nun hat Margarete Stokowski noch nie versucht, etwas als irgendwas anderes zu tarnen. Erst recht nicht ihren Feminismus. Und schon gar nicht als Journalismus. Sie schreibt nämlich Kolumnen für «Spiegel Online», und Kolumnen sind per se persönlich, anwaltschaftlich und gelegentlich sehr emotional. Kolumnen sind der brennende Shot Whisky nach dem ausgewogenen Mahl der Zeitungslektüre.
Margarete Stokowski ist in ihren Kolumnen auf elitäre Art salopp, geisteswissenschaftliche Fächer an der Uni nennt sie «Laberfächer» (stimmt ja auch), um dann wieder mit einem Hölderlin-Zitat gegen Trump zu ziehen und die rosa «Muschimützen» zu analysieren. Und sie ist ein Lichtblick: Sie ist die deutschsprachige Laurie Penny.
Okay, fast. Die Britin Laurie Penny, 30, ist die schärfste, intelligenteste und radikalste junge Frau, die auf der Oberfläche unseres Planeten schreibt. Für den «Guardian», die «Times», den «Independent». Und: Laurie Penny hat Zugang zu den Weltzentren der Macht, es gibt für sie keine Grenzen. Da ist also noch ein kleiner Unterschied zwischen den beiden Autorinnen. Eigentlich ist das unfair. Denn Margarete Stokowski ist auf dem deutschsprachigen Markt zweifellos eine der ganz Grossen. Nicht nur unter dem Nachwuchs.
Jetzt hat sie ein Buch geschrieben. Es heisst «Untenrum frei» und ist ihr feministisches Manifest. Es ist – wie ihre Kolumnen – enorm lustig. «In der Vorschule bin ich beim ‹Vater-Mutter-Kind›-Spielen ziemlich oft der Hund», schreibt sie. Oder dass das Wort «Vulva» für sie «irgendwo zwischen Volvo und Pulpo» liege. Ihr Buch ist total persönlich. Ganz nach der klassischen Frauenbewegungs-Maxime, dass das Private politisch sei.
Ihr Buch erzählt ihr Leben. Gut, das Leben ist noch nicht besonders lang, gerade mal 30 Jahre, aber bietet schon genug Erinnerungsgewebe, um die ganze verdammte Geschlechterproblematik unserer Tage durchzudeklinieren. Genau in der Mitte des Buches ist sie 16, magersüchtig und wird von Schachlehrer Rüdiger vergewaltigt.
Vorher ist sie in einem naiven rosa Nebel aus «Bravo»-Kolumnen und mangelnder Sexualerziehung gefangen. Danach beginnt, was Beyoncé «Formation» nennt. Danach studiert sie Philosophie und Sozialwissenschaften, frisst sich voll mit Wissen, Fakten, Zahlen, Argumenten, liest jedes Buch seit Simone de Beauvoirs «Das andere Geschlecht», macht ihr Wort zur Waffe: «Denn Radikalität ist keine Keule, sondern eine Frage der Präzision.»
Margarete Stokowski glaubt mit aller Kraft an den Wandel zum Guten. Durch die Gemeinschaft Gleichgesinnter. Natürlich liest sich das auch pathetisch, aber sie hat ja Recht. Denn ohne das Pathos der Überhöhung und Übertreibung, der Idealisierung und Idolisierung würden so schöne Dinge wie die Popmusik oder die Liebe schliesslich niemals zustande kommen. Und erst recht keine Revolution.
Margarete Stokowski tritt am Dienstag, 7. Februar, um 19.30 Uhr im Literaturhaus Zürich auf.
Ihre britische Kollegin Laurie Penny ist am Mittwoch, 8. März, im Zürcher Kaufleuten Club zu Gast.