Schweiz
International

Menstruation Italien Schweiz

bauchschmerzen
Unterleibsschmerzen, Rückenbeschwerden oder Kreislaufprobleme: Viele Frauen müssen während ihrer Periode leiden. Bild: shutterstock

Freiheit oder Diskriminierung – brauchen Schweizer Frauen Mens-Ferien? 

In Italien sollen Frauen während ihrer Menstruation ganz offiziell zu Hause bleiben dürfen. Dies verlangt ein Gesetzesentwurf. In der Schweiz hält sich die Begeisterung für eine solche Bestimmung in Grenzen.
05.04.2017, 12:3506.04.2017, 13:10
Mehr «Schweiz»

Sie ist unangenehm und für viele Frauen auch schmerzhaft – die Periode. Um ihre Qualen zu lindern und den Alltag samt Job trotzdem zu meistern, nehmen Betroffene während ihrer Tage teils schmerzlindernde Medikamente ein und quälen sich zur Arbeit. Denn sich beim Chef wegen der Mens krankzumelden, ist oft tabu und somit für die wenigsten eine Option.

Dass Frauen, die an starken Unterleibsschmerzen leiden, im Büro antraben müssen, wollen vier italienische Politikerinnen der Demokratischen Partei (PD) nicht länger dulden. Sie haben einen Gesetzesentwurf erarbeitet, der Unternehmen zu drei Tagen Mens-Ferien pro Monat verpflichten würde – ohne Gehaltskürzungen. Der vorgelegte Entwurf, über den derzeit im italienischen Unterhaus diskutiert wird, könnte in den kommenden Monaten verabschiedet werden.

Wer Toni den Tampon nicht kennt, hat sein Leben verpennt

1 / 34
Wer Toni den Tampon nicht kennt, hat sein Leben verpennt
Natürlich ist dieser Titel Quatsch. Aber süss ist er schon, der kleine Instagram-Star mit den Wackelaugen und dem Schnürchen.
quelle: @tonithetampon
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Das erste Gesetz dieser Art in Europa

Um den Gang zum Arzt würden die Betroffenen aber auch mit diesem Gesetz nicht kommen. Denn: Um die zusätzlichen Ferientage zu erhalten, müssten die Frauen ein ärztliches Attest vorlegen, das die schmerzhafte Menstruation bestätigt, schreibt die italienische Zeitung «Il Messaggero».

Das Gesetz – es wäre das erste dieser Art in Europa – scheint wohlwollend. Doch das Konzept ist kontrovers und nicht alle sind von der Idee begeistert. So sagte die italienische Ökonomin Daniela Piazzalunga kürzlich gegenüber dem britischen «Independent», dass Frauen damit weiter abgestraft werden könnten, wenn es um den Lohn oder um Karrierechancen geht. Sie befürchtet ausserdem, dass sich durch das Gesetz die Nachfrage der Unternehmen nach weiblichen Mitarbeitern verringern könnte.

In Asien gibt es bereits seit langem ähnliche Gesetze
Die Idee, die bei uns wohl als utopisch gilt, ist in mehreren asiatischen Ländern schon länger umgesetzt. In Japan haben weibliche Angestellte bereits seit 1947 Anspruch auf arbeitsfreie Tage, wenn sie an Menstruationsbeschwerden leiden. 

Mens-Ferien vs. Gleichberechtigung

In der Schweiz hält man den Gesetzentwurf für problematisch. Die Geschäftsführerin der Frauenzentrale St.Gallen, Jacqueline Schneider, sagt auf Anfrage: «Das wirft uns Frauen wieder einmal in die Opferrolle, dabei wollen wir doch kein Mitleid für unser Frau-Sein.» Ginge es nach ihr, ist ein ähnliches Gesetz für Schweizerinnen deshalb «unerwünscht».

Habe eine Frau Mensbeschwerden, sollte sie sowieso zu Hause bleiben dürfen, sagt Schneider. «Dazu braucht es kein Gesetz und unter drei Tagen Abwesenheit meist auch kein Arztzeugnis.» Vielmehr plädiert die Frauenbeauftragte für mehr Akzeptanz und Verständnis in diesem Bereich: «Hat ein Mann Kopfschmerzen und fehlt deshalb im Büro, braucht es auch keine Erklärung. Warum sollte es da bei Frauen und Periodenbeschwerden anders sein?»

«Muss man dem Arbeitgeber dann den Zykluskalender vorlegen?»

Schneider hält auch die Umsetzung des Gesetzes für heikel: «Wie will man das denn kontrollieren? Muss man dem Arbeitgeber bei einem Vorstellungsgespräch neben den Lohnvorstellungen auch den persönlichen Zykluskalender vorlegen?»

Und auch sie denkt, dass ein solches Gesetz – entgegen der Absichten der Verfasserinnen – den Rechten der Frauen eher schaden als dienen könnte. Schneider: «Eine solche Regelung könnte auch Lohndiskriminierungen zur Folge haben.»

«Aufklärungsarbeit im Arbeitsumfeld ist zu begrüssen»

Jeweils ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis einzufordern, wenn man an starken Mens-Schmerzen leidet und nicht lediglich ein einmaliges Attest vorlegen zu müssen, das hat gemäss Gynäkologin Cornelia Betschart des Universitätsspitals Zürich Vorteile: «Damit werden die Patientinnen von ärztlicher Seite begleitet und es besteht eine grössere Chance, Ursachen gezielt anzugehen.» Auch könnten sich die Beschwerden dank der regelmässigen Arztbesuche nicht chronifizieren oder schwerwiegende Ursachen verpasst werden, so die Ärztin.

Betschart kritisiert aber, dass die Menstruation und damit verbundene Beschwerden im Arbeitsumfeld nach wie vor tabuisiert werden. «In diesem Bereich ist Aufklärungsarbeit deshalb zu begrüssen, damit die Sensibilität gegenüber Betroffenen steigt und diese es auch wagen, über ihre Beschwerden zu sprechen.»

Bei den SP-Frauen war eine Forderung bezüglich der gesetzlich verankerten Freitage bei Regelschmerzen bisher kein Thema. Co-Präsidentin Natascha Wey sagt: «Wir treten ein für einen guten Arbeitnehmerinnenschutz, wer krank ist, soll zu Hause bleiben können.» Bezüglich Menstruation gebe es ihrerseits folgende Forderungen: «Die Mehrwertsteuer auf Hygieneprodukten zu senken und die Forschung und Aufklärung von Endometriose voranzutreiben.»

Was hältst du von den Mens-Ferien?
An dieser Umfrage haben insgesamt 1792 Personen teilgenommen
Frauen-Themen, Feminismus, Sexismus, Gesellschaft
Showbusiness heisst nicht Sexgewerbe! Der Sturz des Fotografen Terry Richardson 
32
Showbusiness heisst nicht Sexgewerbe! Der Sturz des Fotografen Terry Richardson 
von Simone Meier
Im Fall Weinstein gibt's vor allem eins zu sagen: «Fuck you!» – an mehrere Adressen
86
Im Fall Weinstein gibt's vor allem eins zu sagen: «Fuck you!» – an mehrere Adressen
von Simone Meier
FOMO, Squish & Vanilla: Das grosse Sex- und Gefühls-ABC der Generation Z
33
FOMO, Squish & Vanilla: Das grosse Sex- und Gefühls-ABC der Generation Z
von Jovin Barrer
«Es gibt kein Geschlecht. Es gibt keine Regeln. Es gibt nur mich.»
29
«Es gibt kein Geschlecht. Es gibt keine Regeln. Es gibt nur mich.»
von Richard Oppermann
WTF? 23 vergenderte Produkte, die keiner braucht 
104
WTF? 23 vergenderte Produkte, die keiner braucht 
«American Apparel»-Gründer so: «Mit Mitarbeiterinnen zu schlafen, ist unvermeidlich»
37
«American Apparel»-Gründer so: «Mit Mitarbeiterinnen zu schlafen, ist unvermeidlich»
von Jovin Barrer
Wütende Österreicher fordern Tod und Zwangssterilisation für die «Katzentreterin»
105
Wütende Österreicher fordern Tod und Zwangssterilisation für die «Katzentreterin»
von Simone Meier
Fast alle ungenügend, aber auf gutem Weg: Disney-Prinzessinnen im Gender-Check
43
Fast alle ungenügend, aber auf gutem Weg: Disney-Prinzessinnen im Gender-Check
von Can Kgil
Hinter dem Film übers Schweizer Frauenstimmrecht steckt ein Skandal-Baby
16
Hinter dem Film übers Schweizer Frauenstimmrecht steckt ein Skandal-Baby
von Simone Meier
12 sexistische «Perlen» aus dem SRF-Archiv – muss man sehen, um es zu glauben
36
12 sexistische «Perlen» aus dem SRF-Archiv – muss man sehen, um es zu glauben
von Kian Ramezani
Lügen-Quellen! Frauen erobern ihren wahren Platz in der Weltgeschichte zurück
28
Lügen-Quellen! Frauen erobern ihren wahren Platz in der Weltgeschichte zurück
von Anna Rothenfluh
Die keltische Kriegerkönigin Boudica, die tausende Römer niedermetzelte
90
Die keltische Kriegerkönigin Boudica, die tausende Römer niedermetzelte
von Anna Rothenfluh
Absätze, Lippenstift und neutrale Unterwäsche – darf man Frauen das vorschreiben?
122
Absätze, Lippenstift und neutrale Unterwäsche – darf man Frauen das vorschreiben?
von Nadja Brenneisen
Frauen, die Geschichte schrieben, Teil I: Die ägyptische Traumfrau Kleopatra
44
Frauen, die Geschichte schrieben, Teil I: Die ägyptische Traumfrau Kleopatra
von Anna Rothenfluh
«Fleisch» – Lehrer mit teigigen Figuren und Kopflesben sollten dieses Buch nicht lesen
7
«Fleisch» – Lehrer mit teigigen Figuren und Kopflesben sollten dieses Buch nicht lesen
von Anna Rothenfluh
Kaiserin Agrippina: Das herrschsüchtige Teufelsweib, das ganz Rom verführte und die Männer zu Sklaven machte
28
Kaiserin Agrippina: Das herrschsüchtige Teufelsweib, das ganz Rom verführte und die Männer zu Sklaven machte
von Anna Rothenfluh
#SchweizerAufschrei: 21 Tipps gegen den ganz alltäglichen Sexismus
176
#SchweizerAufschrei: 21 Tipps gegen den ganz alltäglichen Sexismus
von Simone Meier
Sie haben genug: 22 Schweizerinnen erzählen, wie sie sexuelle Gewalt im Alltag erlebten
117
Sie haben genug: 22 Schweizerinnen erzählen, wie sie sexuelle Gewalt im Alltag erlebten
von Anne-Sophie Keller (text) und Sophie Stieger (bilder)
Diese Frau steckt hinter der Aktion #SchweizerAufschrei
38
Diese Frau steckt hinter der Aktion #SchweizerAufschrei
Du bist jung, weiblich und in deine beste Freundin verliebt? Dies erwartet dich <3
33
Du bist jung, weiblich und in deine beste Freundin verliebt? Dies erwartet dich <3
von Simone Meier
Diese 15 genialen Bilder beschreiben perfekt, wie es ist, die Mens zu haben
14
Diese 15 genialen Bilder beschreiben perfekt, wie es ist, die Mens zu haben
von Madeleine Sigrist
In 6 Schritten zum Stalker: Der Aktionsplan für die Frauen-mit-Kopfhörer-Anmache
20
In 6 Schritten zum Stalker: Der Aktionsplan für die Frauen-mit-Kopfhörer-Anmache
von Anna Rothenfluh
Du wirst bald 30? Freu dich, jetzt wird dein Leben echt fantastisch!
43
Du wirst bald 30? Freu dich, jetzt wird dein Leben echt fantastisch!
von Simone Meier
Der BH als Spiegel unserer Gesellschaft: Ist es wieder mal Zeit für eine Befreiung der Brüste?
43
Der BH als Spiegel unserer Gesellschaft: Ist es wieder mal Zeit für eine Befreiung der Brüste?
von Anna Rothenfluh
«So nicht, liebe Männer!» Tinder-Knigge zweier watson-Userinnen macht aus Eseln Hengste
«So nicht, liebe Männer!» Tinder-Knigge zweier watson-Userinnen macht aus Eseln Hengste
von Anna & jasmine
Stefanie gegen die rechte Welt: Was der Spruch «Feministinnen sind hässlich» wirklich bedeutet 
66
Stefanie gegen die rechte Welt: Was der Spruch «Feministinnen sind hässlich» wirklich bedeutet 
von Simone Meier
Auf der Tür zur Hölle der Frau stehen 3 Buchstaben: PMS. Prämenstrueller Supergau
29
Auf der Tür zur Hölle der Frau stehen 3 Buchstaben: PMS. Prämenstrueller Supergau
von Simone Meier
«Voll zwischen die Beine» – «Habe ich schon x-mal erlebt» – «Man hat sich daran gewöhnt»: Wie Frauen im Ausgang sexuell belästigt werden
167
«Voll zwischen die Beine» – «Habe ich schon x-mal erlebt» – «Man hat sich daran gewöhnt»: Wie Frauen im Ausgang sexuell belästigt werden
von Sabina Sturzenegger
«Und was ist mit den Männern?!» Das Schreckgespenst Feminismus geht wieder um 
179
«Und was ist mit den Männern?!» Das Schreckgespenst Feminismus geht wieder um 
von Anna Rothenfluh
Das Fazit von Köln: Frauen müssen lernen, nicht vergewaltigt zu werden
127
Das Fazit von Köln: Frauen müssen lernen, nicht vergewaltigt zu werden
von Simone Meier
Es ist ganz einfach: Feminismus ist das neue Cool
13
Es ist ganz einfach: Feminismus ist das neue Cool
von Simone Meier

Zwei Teenagerinnen kämpfen mit dem Spiel «Tampon Run» gegen ein gesellschaftliches Taboo

1 / 9
Zwei Teenagerinnen kämpfen mit dem Spiel «Tampon Run» gegen ein gesellschaftliches Tabu
«Tampon Run» will eine Message vermitteln: «Menstruation ist völlig normal.»
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
81 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
JaneSodaBorderless
05.04.2017 14:12registriert Februar 2016
Ich blieb in jungen Jahren immer am 1.Tag der Mens zuhause. Ich hatte starke Krämpfe, konnte nicht aufrecht stehen, erbrach Schmerzmedikamente. Ich war schlicht arbeitsunfähig.
Ich würde die ganze Sache nicht von der Tatsache der Mens abhängig machen, sondern von den Auswirkungen/Schmerzen, die eine Frau dadurch hat. Das ist eine individuelle und keine kollektive Angelegenheit, die auch ein Arbeitgeber zu akzeptieren hat/hätte. Dazu braucht es kein neues Gesetz. Eher Aufklärung und Akzeptanz ;-)
10
Melden
Zum Kommentar
avatar
Ylene
05.04.2017 13:08registriert Januar 2016
Nein, brauchen wir Frauen echt nicht. Menstruation und auch Schwangerschaft sind doch keine Krankheiten (Endometriose natürlich schon, ist aber zum Glück ja nicht der Normalfall). Wenn jemand aus irgendwelchem Grund nicht arbeiten kann, dann soll er sich ganz regulär krank melden, egal ob der Grund jetzt Grippe, Velounfall oder eben Endometriose ist. Migräne- oder Heuschnupfen-Ferien gibt's ja auch nicht.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Dominik47
05.04.2017 14:14registriert April 2017
Damit weren Frauen automatisch auf das Abstellgleis geschoben. Kein Arbeitgeber will jemanden der die halbe Zeit nicht da ist, aber dennoch den gleichen Lohn verlangt. Das geht nicht auf.
10
Melden
Zum Kommentar
81
Polizei beendet versuchte Besetzung des Zürcher Platzspitz – 233 Personen kontrolliert
Ein grösseres Polizeiaufgebot hat am Freitagnachmittag in Zürich eine versuchte Besetzung des Platzspitz-Areals hinter dem Landesmuseum verhindert. Sie kontrollierte über 200 Personen und wies sie weg.
Zur Story