Herr Giacobbo, vor zwei Jahren haben Sie das SRF verlassen. Viele Leute haben Sie aus den Augen verloren. Was machen Sie seither?
Viktor Giacobbo: Na ja, die Zuschauer von «Giacobbo/Müller in Therapie» haben mich offenbar nicht aus den Augen verloren. Die ausverkauften Vorstellungen spielen wir seit April in der ganzen Schweiz. Zudem halte ich Vorträge, mache Podcasts, ich reise viel. Und dann gibt es noch das Casinotheater Winterthur, ein KMU ohne öffentliche Subventionen ...
... dessen Verwaltungsratspräsident Sie sind. Wie läuft es?
Wir haben uns 2018 wieder aufgefangen, nachdem das Vorjahr schwierig war – nicht wegen des Theaters, sondern wegen der Gastronomie. Wir mussten kämpfen. Aber das hält uns frisch.
Kurt Aeschbacher bekundet Mühe, bald nicht mehr am Bildschirm zu sein. Haben Sie sich daran gewöhnt?
Mich motiviert ein unmittelbares Publikum sehr viel mehr als die Vorstellung, dass zu Hause Hunderttausende von den Bildschirmen sitzen. Mike Müller geht es gleich. Darum war uns wichtig, «Giacobbo/Müller» im Kaufleuten mit echtem Publikum zu machen, das nicht künstlich zu Applaus aufgefordert wird, wie das in TV-Shows weltweit üblich ist.
Ist es die Unmittelbarkeit, die Sie in den Circus Knie treibt?
Genau das. Zirkus ist die ultimative Live-Tournee, ich habe das 2006 erlebt. Zusammen mit Mike wird es doppelt Spass machen, weil wir dort im richtigen Umfeld sind, um die Rampensau rauszulassen. Unsere Zirkusshow wird ein reines Figurenkabinett sein.
Der kiffende Fredi Hinz kehrt zurück in die Manege?
Den muss ich fast spielen. Dazu gemeinsame Figuren wie Boppeler und Stark.
Haben Sie dem Circus Knie auch wegen des 100-Jahr-Jubiläums zugesagt?
Ja. Zudem ist der Knie wie das Casinotheater unabhängig, unsubventioniert (lacht). Und man hat uns zugestanden, nur im Abendprogramm aufzutreten. Am Abend wird es satirischer, am Nachmittag, wo viele Kinder im Zirkus sind, treten stattdessen Clowns auf.
Funktioniert Polit-Satire im Zirkus? Will das Publikum nicht von Politik verschont werden?
Es ist Satire im breitesten Sinn, mit aktuellen Bezügen aus Alltag, Kultur und Politik. Wir werden das Publikum einbeziehen, auch anwesende Politiker.
Welcher Bundesrat liefert am meisten Stoff für Satire?
Da gibt es einige. Parmelin ist sicher ein Kandidat. Der neue Wirtschaftsminister kann ja das Wort Digitalisierung weder in seiner Muttersprache noch auf Englisch aussprechen. Das wird unserer Branche viele Pointen liefern.
Werden Sie im Knie zumindest auf Trump verzichten?
Wahrscheinlich kommen wir nicht ganz um ihn herum. Es bleibt nun mal auch für uns ein grosses Problem, dass ein kindischer Egomane, der nichts liest und keine Empathie besitzt, der mächtigste Mann der Welt ist. Aber wir werden den Fokus im Knie sicher nicht auf die politische Satire legen.
Dafür hat die Schweiz nun Michael Elsener. Er bekommt im Januar Ihren alten Sendeplatz beim Schweizer Fernsehen. Was haben Sie ihm geraten?
Wir sind Freunde und reden natürlich über unsere Arbeit, aber er muss das Publikum selber für sich gewinnen. Das hat mit unserem alten Sendeplatz nicht viel zu tun. Als wir aufhörten, haben wir dem Schweizer Fernsehen Dominic Deville und Michael Elsener empfohlen. Beide sind tolle Teamplayer und haben ihren eigenen Stil. Aber auch sie werden vieles ausprobieren müssen und erst dann sehen, was funktioniert und was nicht.
Umso wichtiger wären Tipps von Ihnen.
Ich bin nicht der Papst der Schweizer Komik. Michael und Dominic werden ihren eigenen Weg gehen und sicher nicht in meine «Fussstapfen treten», wie das immer wieder dröge benannt wird.
Bietet die Schweiz überhaupt genügend Stoff für eine wöchentliche Satireshow?
Ganz sicher – gerade die Innenpolitik ist eine nie versiegende, nachhaltige Materialquelle. Michael hat ein tolles Video über die Selbstbestimmungs-Initiative gedreht. Er macht es in der Tradition der amerikanischen Satiriker. Ähnlich wie John Oliver wird er sich ein Thema rauspicken und vertiefen.
Ist denn Schweizer Humor anders als der deutsche oder der amerikanische?
Teilweise schon, aber wie der sich unterscheidet, ist schwierig zu sagen. Was ich weiss, ist, dass die Grenzen des Humors nicht national, sondern sozial verlaufen. In der Romandie wird über anderes gelacht als in der Deutschschweiz.
Was dürfen wir von Ihnen nach der Knie-Tournee erwarten?
Vor einem Jahr hätte ich gerne einen Film produziert, eine Schweizer Politkomödie, die in Schweden spielt. Es geht um Rüstungslieferungen, Lobbyismus und Regierungsmitglieder im Knatsch mit den Medien. Allerdings hat unser Drehbuch von den Fördergremien eine erste Absage erhalten.
Ist das Projekt gestorben?
Wir könnten das Drehbuch umschreiben und nochmals einer Kommission unterbreiten, aber darauf habe ich keine Lust. Ich arbeite lieber mit einem kreativen Team am Stoff, als die komikfernen Drehbuch-Ratschläge von Gremien zu befolgen.
Werden Sie den Film nun selber finanzieren?
Ich plane lieber ein neues Projekt. Nach der Zirkustournee werde ich eine Mockumentary schreiben, so wie «Der grosse Kanton» eine war. Also einen satirisch-dokumentarischen Kinofilm. Diesen kann ich zusammen mit wenigen Freunden und meiner Filmproduzentin Ruth Waldburger finanzieren und komplett unabhängig produzieren.
Wovon wird er handeln?
Das weiss ich noch nicht. Vielleicht werde ich darin das ewige Menschheitsrätsel lösen, was Satire darf.
(aargauerzeitung.ch)