Habt ihr euch auch schon gedacht: Wo zum Teufel krieg ich bloss Adeles ultraretro Teekessel her? Oder: Pharells Hut tut mir sicher gut! Dann könnt ihr jetzt auf Blingby (wie «Buy den Bling!») «Hello» oder «Happy» laufen lassen, und parallel dazu wird alles Wichtige gezeigt, was im Video so vorkommt: Mode, Schmuck, Telefoniebedarf, ein bisschen Einrichtungskram. Noch während des Zuschauens könnt ihr bestellen.
Im Fall von Adeles «Hello» ist das eine übersichtliche Anzahl von Dingen. Schliesslich geht es neben Sonnenbrille, Mantel, Telefonkabine, alten Telefonen und Teekessel vorwiegend um einen Wald, und einen Wald zu kaufen, dürfte doch etwas schwierig sein. Aber in Pharells «Happy» werden innerhalb von vier Minuten 69 Produkte beworben. Das dürfte, an konventionellen Werbeclips gemessen, ein noch nie erreichter Rekord sein. Und beim letzten Bond-Trailer wird es – ebenso wie bei Rihannas «Diamonds» – exklusiv und hochpreisig.
Es gehe nicht ums Shoppen, sondern um die «Experience», sagt Blingby-Gründerin Marcia Favale, eine ehemalige Investment-Bankerin. Heute handelt sie nicht mit abstraktem Geld, sondern mit dem Verlangen nach einer identifikatorischen Erfahrung. Die nicht nur im reinen Erwerb von Gadgets bestehen soll, sondern eben auch im prozesshaften Erfahren der Welten, die man da gesehen hat.
Denn Blingby sagt auch gleich, wo die Videos und wenigen Filmtrailer gedreht wurden, verlinkt zu Ferienangeboten, zur Buchung von Flügen, Hotels, Spass mit Pferden oder Surfbrettern. Und – interessiert das die Generation iPhone wirklich? – immer auch noch irgendwie in Richtung Stripclubs und Escort Services. Okay, wer das Bond-Gefühl erleben will, braucht sowas sicher.
Das wirklich Gute an Blingby ist, dass die präsentierten Videos nicht von Blingby, sondern von dessen Usern vorgeschlagen wurden. Dass diese sich also nicht nach den grossen Charts richten müssen, sondern ab und an mit einem gemeinsamen Entscheidungs-Effort auch unbekannte Bands mit aussergewöhnlichen Videos auf Blingby hieven können. Blingby muss sich dann um das Vertaggen der Produkte kümmern. In den meisten Fällen ist dies allerdings kein Problem, jeder Stylist und Video-Regisseur hat seinen Instagram-Account, auf dem sich genug kommerzielle Hinweise finden.
Und was bringt das Ganze nun? Favale sieht Blingby als philantropisches Unternehmen: Sie will das «aufdringliche» Product-Placement in Videos, Filmen und längerfristig sogar in Serien reduzieren. Das undelikate «in your face» von Marken wie Cola, Heineken, Nestlé, Auto- und Uhrenmarken. Denn was über Blingby ganz direkt an die interessierten Kunden gelangen könne, brauche nicht mehr die grosse Masse zu belästigen. Favale spricht von einer Style-Demokratie und einer Shopping-Revolution.
Das ist schön gesagt. Und natürlich gelogen. Blingby geht es um das schnelle Geld durch Impulssteuerung. Um die Gleichzeitigkeit von Sehen, Begehren, Erwerben. Erfahrung hingegen hat mit Zeit zu tun, Style auch. Denn Style muss sich entwickeln, muss individuell justiert werden, auf der Strasse, in den Clubs, in den Communities.
Aber vielleicht ist auch dies ein alter Gedanke. Wahrscheinlich richten sich Modetrends heute nicht mehr nach dem Halbjahreszyklus von Paris, Mailand und New York. Wahrscheinlich entstehen sie heute innerhalb von Stunden mit der Geschwindigkeit von Twitter-Trends.
Dann ist Blingby, das im Sommer 2015 in Amerika startete und seit Mitte Januar 2016 in 135 Ländern als Webseite und App präsent ist, exakt das, was wir brauchen. Denn Blingby will das neue YouTube werden. Das all unsere Sehnsüchte gleichzeitig befriedigt.