Wirtschaft
Kommentar

Kobra-Effekt und Uberisierung des Geldes setzen Banken zu

Kobra-Effekt und Uberisierung: Warum die Banken nicht mehr rentieren

Vor der Finanzkrise haben die Grossbanken mit Eigenkapitalrenditen von bis zu 30 Prozent geglänzt. Davon können sie heute nur noch träumen.
12.11.2015, 16:5513.11.2015, 12:47

Kaum ein Tag, an dem in der Finanzpresse nicht ein Schwanengesang auf die Grossbanken angestimmt wird. Die «Masters of the Universe», wie die Banker von der Wall Street vor der Krise auch genannt wurden, müssen bös unten durch.

Fuhren beispielsweise die Musterschüler von Goldman Sachs einst Eigenkapitalrenditen von bis zu 40 Prozent ein, so müssen sie sich heute mit 7 Prozent begnügen. Der neue Klassenprimus, JP Morgan, kommt gerade mal auf 12 Prozent. UBS und CS schaffen es ebenfalls nicht mehr in den zweistelligen Bereich.

Weshalb?

Eine mögliche Erklärung ist der «Kobra-Effekt». Darunter versteht man Folgendes: Die britischen Kolonialherren in Indien waren keine Freunde der Giftschlange. Sie setzten deshalb eine Prämie für jedes getötete Tier aus. Das ungewollte Resultat bestand darin, dass Inder begannen, Kobras zu züchten. Als die Briten diesen Trick durchschauten, stellten sie die Kopfprämien wieder ein. Die frustrierten Züchter liessen daraufhin ihre Tiere frei – und es gab mehr gefährliche Giftschlagen als je zuvor.  

Mit viel IT-Power ins Verderben

Im Finanzbereich spielt der Kobra-Effekt wie folgt: Mit komplexen Anlagestrategien und viel IT-Power versuchen die Geldmanager ihr Risiko zu minimieren. Das Problem dabei: Weil alle ähnliche Strategien und Algorithmen verwenden, wird das System als ganzes nicht stabiler, sondern volatiler. Beim Versuch, das Risiko zu vermindern, wird es also erhöht.  

«Wir haben Kobras gezüchtet und lassen sie jetzt laufen. Wir sollten uns Sorgen machen. Es ist nicht mehr länger ein Kleingewerbe.»
Andrew Lo, Finanzprofessor am MIT

Zuerst waren es nur spezialisierte Hedge Funds, die mit diesen Techniken gearbeitet haben. Doch der Kobra-Effekt breitet sich allmählich aus.

Klage-Arien der Banker

Nebst dem Kobra-Effekt macht den Banken die verschärfte Regulierung nach der Finanzkrise zu schaffen. Höhere Eigenkapitalquoten und verstärkter Schutz der Bankkunden drücken auf die Gewinnmargen. Sergio Ermotti kann ganze Klage-Arien darüber singen.

Schimpft gegen Überregulierung: UBS-Chef Sergio Ermotti.
Schimpft gegen Überregulierung: UBS-Chef Sergio Ermotti.
Bild: EPA/KEYSTONE

Gleichzeitig macht der UBS-Chef geltend, dass die Banken zu einem gesunden Normalzustand zurückkehren würden. «Wir haben in den 90er-Jahren viele Me-too-Strategien bei den Banken erlebt. Alle wollten alles machen, auch wenn es nicht in ihrer DNA lag und sie es nicht wirklich beherrscht haben», erklärt Ermotti.

Die Uberisierung des Geldes

Ob die Banken tatsächlich zu einem Normalzustand zurückkehren, ist jedoch umstritten. Am meisten macht ihnen nämlich die Digitalisierung zu schaffen. Fintech heisst das neue Zauberwort.

Darunter versteht man Dinge wie Peer-to-Peer-Lending, Plattformen im Internet, auf denen Menschen zusammengeführt werden, die entweder Geld ausleihen oder borgen wollen. Der Zahlungsverkehr – einst eine sichere Einnahmequelle für die Banken – wandert ab zu neuen Playern wie PayPal oder ApplePay.

Kleine und zunehmend auch grössere Anleger lassen ihr Geld nicht mehr von Privatbankern, sondern von sogenannten Roboadvisern verwalten. Das «Wall Street Journal» spricht bereits von einer «Uberisierung des Geldes». Darunter versteht man die Aushebelung der Intermediäre im Finanzbereich. «Die Finanzwelt ist eine der Industrien auf diesem Planeten, die am meisten Mittelmänner hat», stellt die Wirtschaftszeitung fest. «Und genau das ist im Begriff, sich zu ändern.»

Die Roboadviser übernehmen

Die Uberisierung der Finanzbranche nimmt Fahrt auf. Im Peer-to-Peer-Lending wurden 2014 noch sieben Milliarden Dollar umgesetzt. Eine Studie von PricewagerhouseCoopers schätzt, dass diese Summe bis zum Jahr 2025 auf 150 Milliarden Dollar ansteigen wird.

Die Roboadvisers sind inzwischen über das Stadium von Spielzeugen hinausgewachsen. Für einen Bruchteil der Kosten bieten sie dem Kleinanleger den gleichen Service wie Banken und Fonds.

Oliver Herren von TrueWealth.
Oliver Herren von TrueWealth.
Bild: TrueWealth

Auch in der Schweiz sind sie auf dem Vormarsch, teilweise an Orten, an denen man es nicht vermuten würde. So ist etwa die Glarner Kantonalbank ein führender Player auf diesem Gebiet. Und mit TrueWealth versucht Oliver Herren seinen Erfolg bei Digitech im Finanzgeschäft zu wiederholen.

Demokratisierung des Kapitals schreitet voran

Die Uberisierung der Finanzwelt ist kein vorübergehender Hype. «Selbstverständlich werden viele Startups implodieren, wie es die meisten tun», schreibt das «Wall Street Journal». «Trotzdem sind die Demokratisierung des Kapitals – und die Verbreitung von Analysen und Daten – ein unwiderstehlicher Trend geworden.»

Politik Wirtschaft Sharing Economy
Du hast gedacht, die Bitcoins waren bloss ein vorübergehender Hype? Dann denk nochmal nach!
9
Du hast gedacht, die Bitcoins waren bloss ein vorübergehender Hype? Dann denk nochmal nach!
von Philipp Löpfe
3,7 Milliarden Dollar Verlust: Kann Uber je rentieren?
29
3,7 Milliarden Dollar Verlust: Kann Uber je rentieren?
von Philipp Löpfe
Das Problem mit Uber und Co. und warum es der Bundesrat nicht sieht
92
Das Problem mit Uber und Co. und warum es der Bundesrat nicht sieht
von werner vontobel
«Das Auto der Zukunft wird eine Mischung aus Büro und Wohnzimmer sein»
6
«Das Auto der Zukunft wird eine Mischung aus Büro und Wohnzimmer sein»
von Philipp Löpfe
Die selbstgefällige Klasse – oder wie wir uns selbst ins Elend matchen
53
Die selbstgefällige Klasse – oder wie wir uns selbst ins Elend matchen
von Philipp Löpfe
Die Waschmaschine hat uns das Leben erleichtert – die Digitalisierung wird es revolutionieren
33
Die Waschmaschine hat uns das Leben erleichtert – die Digitalisierung wird es revolutionieren
von Philipp Löpfe
Stehen wir an der Pforte zum Himmel oder zur Hölle? Zwei grundverschiedene Zukunftsszenarien
53
Stehen wir an der Pforte zum Himmel oder zur Hölle? Zwei grundverschiedene Zukunftsszenarien
von Philipp Löpfe
«Eine Maschine wird niemals ein Bewusstsein haben»
15
«Eine Maschine wird niemals ein Bewusstsein haben»
von Philipp Löpfe
Der neue Wohlstands-Faschismus ist da – und auch die alte Unfähigkeit, dagegen anzukämpfen
247
Der neue Wohlstands-Faschismus ist da – und auch die alte Unfähigkeit, dagegen anzukämpfen
von Philipp Löpfe
Wenn wir Glück haben, behalten uns die Roboter als Haustiere
34
Wenn wir Glück haben, behalten uns die Roboter als Haustiere
von Philipp Löpfe
Die Stadt der Zukunft? «Wohnen 500 Hipster nebeneinander, bringen sich 300 gegenseitig um»
55
Die Stadt der Zukunft? «Wohnen 500 Hipster nebeneinander, bringen sich 300 gegenseitig um»
von Philipp Löpfe
Das bedingungslose Grundeinkommen hat nichts mit Sozialismus und Schlendrian zu tun – es würde uns von staatlicher Hilfe emanzipieren
153
Das bedingungslose Grundeinkommen hat nichts mit Sozialismus und Schlendrian zu tun – es würde uns von staatlicher Hilfe emanzipieren
von Philipp Löpfe
Einer der mächtigsten Notenbanker warnt vor der
Klimaerwärmung
4
Einer der mächtigsten Notenbanker warnt vor der Klimaerwärmung
von Philipp Löpfe
Eine wahrhaft liberale Marktwirtschaft: «Wenn Kooperation, Respekt und Grosszügigkeit belohnt werden, ist eine ethische Wirtschaftsordnung möglich»
19
Eine wahrhaft liberale Marktwirtschaft: «Wenn Kooperation, Respekt und Grosszügigkeit belohnt werden, ist eine ethische Wirtschaftsordnung möglich»
von Philipp Löpfe
Die Schweden sagen: Sechs Stunden Arbeit sind genug – das freut Arbeitnehmer wie Firmen
50
Die Schweden sagen: Sechs Stunden Arbeit sind genug – das freut Arbeitnehmer wie Firmen
von Philipp Löpfe

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
7 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
C0BR4.cH
12.11.2015 17:12registriert März 2015
Habe ich Kobra gelsen?! Ich hab damit nichts zu tun! Ich schwör!
00
Melden
Zum Kommentar
7
Porsche ist schuld: VW rutscht in die roten Zahlen
Der VW-Konzern ist im dritten Quartal wegen der Probleme bei Porsche tief in die roten Zahlen gerutscht. Unterm Strich lief in den Monaten Juli bis September ein Verlust von 1,072 Milliarden Euro auf, wie der Wolfsburger Autobauer mitteilte. Vor einem Jahr waren es noch 1,56 Milliarden Euro Überschuss gewesen.
Zur Story