Seit der Entdeckung des Grabs von Tutanchamun im ägyptischen Tal der Könige fasziniert die goldene Totenmaske des früh verstorbenen Herrschers die Menschen. Und auch sonst gab es viel Gold in dem vor fast 100 Jahren geöffneten Grab. Weniger Beachtung fanden bisher die 19 Funde aus Eisen, die von deutschen Forschern zum ersten Mal umfassend untersucht wurden.
Einen reich bebilderten Forschungsbericht hat nun das Mainzer Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) vorgelegt. «Diese gesamte Gruppe der Eisenobjekte ist nie wissenschaftlich untersucht worden», sagt der Restaurator Christian Eckmann als einer von fünf Autoren des Berichts im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. «Dabei stellen sich damit im historischen Kontext ganz wichtige Fragen.»
Denn Eisen war für die Menschen vor 3300 Jahren weit seltener als Gold und Edelsteine. Die Verhüttung von Eisen kann in Ägypten erst ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen werden. So gab es in der Zeit von Tutanchamun, im 14. Jahrhundert v. Chr., nur Meteoriteisen, «Eisen des Himmels», wie es die Ägypter nannten. Darauf bezieht sich denn auch der Titel des RGZM-Bands: «Himmlisch! Die Eisenobjekte aus dem Grab des Tutanchamun.»
Eckmann untersuchte mit dem Forscherteam unter anderem die chemische Zusammensetzung der Eisenobjekte. Per Röntgenfluoreszenzanalyse lässt sich analysieren, welche Elemente in Metallen enthalten sind. Die spannende Frage bei der Untersuchung: «Ist da Nickel drin?» Dieses Schwermetall ist ein wichtiger Nachweis für Meteoreisen. «Alles, was aus dieser Zeit über fünf Prozent Nickel hat, kann nicht terrestrischen Ursprungs sein», erklärt Eckmann.
Bei 16 kleinen Meisselwerkzeugen ermittelte er einen Nickelgehalt zwischen 6 und 13 Prozent. Ein kleines Amulett in Form eines Auges hat einen Nickelanteil von 8 und eine unter dem Nacken der Mumie platzierte Kopfstütze von 8.8 Prozent. Das Prunkstück der Eisenobjekte, die Klinge eines Dolchs mit einem reich verzierten Goldgriff und einem Knauf aus Bergkristall, hat sogar einen Nickelgehalt von 12.8 Prozent.
«Es wäre eine Sensation gewesen, wenn die Analyse verhüttetes Eisen nachgewiesen hätte», sagt Eckmann. «Dann hätte man die Archäologie neu schreiben müssen.» Aber auch der Befund Meteoreisen sei keineswegs enttäuschend. Das Forscherteam konnte mit hoher Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass der kunstvoll bearbeitete Griff ursprünglich eine andere Klinge fasste, vermutlich aus Gold oder Bronze.
«Der Abschluss des Griffs zur Klinge wirkt etwas ungelenk, was ein eindeutiges Indiz ist, dass die Klinge ursprünglich nicht zu dem Dolch gehörte», erklärt Eckmann. Mit der Eisenklinge himmlischen Ursprungs erhielt der Dolch dann eine ganz besondere Bedeutung.
Nicht restlos klären konnte die Untersuchung, warum dem König die Meissel auf die Reise ins Jenseits mitgegeben wurden. «Weil sie so klein und unauffällig sind, haben diese 16 Eisenspitzen mit ihren wie neu wirkenden Holzgriffen bislang wenig Aufmerksamkeit erfahren», sagt Eckmann.
«Sie liegen gut in der Hand, sie wirken wie funktionierende Werkzeuge zum Ziselieren, zum Bearbeiten von Werkstoffen.» Der Entdecker des Grabs stufte sie als Modellwerkzeuge ein. Eine andere Vermutung ist, dass sie für das esoterische Ritual der Mundöffnung bei Verstorbenen gedient haben könnten. «Wir können diese Frage noch nicht abschliessend beantworten», sagt Eckmann.
Die Untersuchung der Eisenobjekte ergab sich als Teil des grösseren Projekts zur umfassenden Erforschung und Rekonstruktion der Goldbleche aus dem Grab von Tutanchamun, die in Verbindung zur Streitwagen- und Waffenausstattung des Königs stehen. «Daher war es naheliegend, neben anderen Waffen auch den Dolch mit der Eisenklinge zu untersuchen», berichtet Eckmann.
Zudem beschäftigten sich die Mainzer bei der Restaurierung der Totenmaske im Jahr 2015 auch mit der Kopfstütze aus Eisen, die dem Verstorbenen in den Nacken gelegt worden war. «So entstand die Idee, zusammen mit den ägyptischen Kollegen auch die weiteren Eisenobjekte aus dem Grab zu untersuchen.»
Seit den ersten Projekten in den 1990er Jahren habe sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Ägyptischen Museum in Kairo entwickelt. Das Projekt zu den Goldblechen soll 2019 abgeschlossen werden.
(sda/dpa)