LSD-Blotter. Bild: Daniel Allemann/Kantonsapothekeramt Bern
Vor 75 Jahren erlebte der Schweizer Chemiker Albert Hofmann den ersten LSD-Trip der Geschichte. Seither verändert LSD die Sicht auf die Welt.
Hannes Mangold / Schweizerische Nationalbibliothek
Am Nachmittag des 16. April 1943 ist Albert Hofmann auf der Suche nach einem Kreislaufstimulans. Im Labor der Sandoz AG in Basel synthetisiert er Lysergsäurediethylamid – kurz LSD. Irgendwie gerät die Substanz in seinen Organismus. Hofmann spürt eine «merkwürdige Unruhe, verbunden mit einem leichten Schwindelgefühl», bricht seine Arbeit ab und fährt nach Hause. Seinem Vorgesetzten rapportiert er:
Drei Museen – das Landesmuseum Zürich, das Château de Prangins und das
Forum Schweizer Geschichte Schwyz – sowie das Sammlungszentrum in
Affoltern am Albis sind unter dem Dach des Schweizerischen
Nationalmuseums vereint.
Im Blog veröffentlichen Mitarbeiter des
Nationalmuseums und renommierte Gastautoren Beiträge zu aktuellen
Themen. watson übernimmt in loser Folge ausgesuchte Perlen daraus. Der
Beitrag «Auf Trip» erschien am 17. Oktober 2018.
blog.nationalmuseum.ch/2018/10/auf-lsd-trip
Albert Hofmann im Labor. Bild: Novartis Firmenarchiv
Hofmanns Rausch stellt die Chemiker bei der Sandoz AG vor ein Rätsel. Von keiner Substanz ist bekannt, dass sie in so geringen Spuren derart ungeheure Wirkungen entfaltet. Also nimmt Hofmann drei Tage später erneut LSD, diesmal bewusst im Selbstversuch mit der vermuteten Minimaldosis von 250 Mikrogramm.
Aber selbst diese kleine Menge führt zu «Schwindel, Angstgefühl, Sehstörungen, Lähmungen, Lachreiz», wie Hofmann im Laborjournal festhält. Er bricht den Versuch ab und notiert nur noch: «Mit Velo nach Hause.»
Es ist einigermassen verrückt: In Stalingrad marschiert die Rote Armee ein. In den USA beginnt die Anreicherung von Plutonium für die Atombombe. In Basel geht Albert Hofmann auf den ersten LSD-Trip der Geschichte und fährt mit dem Fahrrad nach Hause. Im Gedenken an diesen Trip wird der 19. April jährlich als Bicycle Day gefeiert, mit entsprechenden Darstellungen von Hofmann auf dem Fahrrad.
Löschpapier mit Fahrradmotiv, wie es im illegalen Handel mit LSD gebräuchlich ist. Bild: Daniel Allemann/Kantonsapothekeramt Bern
Hofmanns Erkenntnis geht auf Arthur Stoll zurück. Seit den 1920er-Jahren arbeitet Stoll bei der Sandoz AG mit Mutterkorn – einem als Gift und Heilmittel bekannten Pilz, der vor allem die Roggenähre befällt. Aus Mutterkorn hat Stoll Ergotamin abgeleitet. Dafür lässt die Firma Mutterkorn im grossen Stil anbauen.
Im Emmental und anderswo impfen Bäuerinnen und Taglöhner ihren Roggen mit dem Pilz. Aber schlummern im Mutterkorn noch mehr Medikamente? Das soll Hofmann herausfinden, als er auf die psychedelische Wirkung des LSD stösst.
Mit Mutterkorn befallene Roggenähren aus der Zucht der Sandoz AG. Bild: Institut für Medizingeschichte der Universität Bern, Nachlass Albert Hofmann
Arthur Stolls Sohn Werner arbeitet als Psychiater am Burghölzli in Zürich. Entsprechend kurz ist der Weg vom Labor in die Klinik. Kurz nach Werner Stolls ersten Experimenten in den 1940er Jahren verbreitet sich LSD schnell als Experimentiersubstanz. Nach 1950 vertreibt die Sandoz AG den Stoff für Forschungszwecke weltweit unter dem Markennamen «Delysid».
Pistolenimpfung der Roggenähre mit Mutterkorn, 1943. Bild: Novartis Firmenarchiv
Nach 1950 wird LSD zum Teil eines Hypes: Eine ganze Reihe an neuen Medikamenten lässt darauf hoffen, dass die Psyche mit Chemie reguliert werden kann. So ziehen die Versuche mit LSD immer weitere Kreise. Auch der Psychologe Timothy Leary und der Autor Ken Kesey kommen mit der Substanz in Kontakt.
Für sie ist LSD kein Medikament, sondern ein Heilsbringer. Sie propagieren und praktizieren eine breite Abgabe der Droge und stossen bei der erstarkenden Hippie-Bewegung auf offene Ohren.
Jefferson Airplane, «White Rabbit», 1967. Video: YouTube/youpi444
Um 1960 entsteht eine regelrechte Acid-Subkultur. Künstlerinnen wie Yayoi Kusano, Autoren wie Allen Ginsberg und Musiker wie Jefferson Airplane sehen im LSD-Trip eine Quelle der Inspiration und geistigen Befreiung. Auch in der Schweiz findet die Kunst zu LSD: Der Autor und Psychiater Walter Vogt, die Band Brainticket oder der Künstler Serge Stauffer sind nur drei Beispiele in einer langen Reihe an Kreativen, die Acid-Trips für ihre Arbeit nutzen.
Brainticket, «Cottonwoodhill», 1971. Video: YouTube/MandiKhoras ll
Aber die Party ist bald vorbei: Ausgerechnet im «Hippie-Jahr» 1968 erlässt die Schweiz das erste Teilverbot von LSD. Strengere Auflagen an Medikamente, ein zunehmendes Bewusstsein über die gesundheitlichen Gefahren und fehlende ökonomische Perspektiven lassen LSD in der Illegalität verschwinden.
Das Verbot verhindert den Konsum von LSD zwar nicht, versieht ihn aber mit einem Stigma und macht ihn unsichtbarer. Das ändert sich erst um die Jahrtausendwende. An den Universitäten Zürich und Basel beginnen erste neue wissenschaftliche Versuche mit LSD. In Solothurn erhält der Psychiater Peter Gasser die erste Ausnahmegenehmigung für eine Studie mit Patienten. Nach fast 30 Jahren taucht LSD wieder auf.
Peter Gasser im Gespräch, 2018. Video: YouTube/LandesmuseumZuerich
Heute zeichnet sich ein differenzierter Umgang mit der Substanz ab. LSD ist weder Heilsbringer noch Teufelszeug. Sondern eine Substanz mit gesundheitlichen Gefahren und medizinischem Potential. Und mit reichlich Geschichte.
Schweizerische Nationalbibliothek
07.09.18 – 11.01.19
In der Ausstellung LSD – Ein Sorgenkind wird 75
erzählt die Nationalbibliothek in Bern aus der Geschichte des LSD.
Ausgehend von Albert Hofmanns Buch «LSD, mein Sorgenkind» wird der Weg
der Substanz vom Acker übers Labor und die Klinik bis in die Popkultur
nachgezeichnet. Auch Auszüge aus dem Briefwechsel von Albert Hofmann und
Walter Vogt sowie rund 20 Werke von Serge Stauffer sind zu sehen.
Landesmuseum Zürich
14.09.18 – 20.01.19
Nach den erfolgreichen Ausstellungen
«1900 – 1914. Expedition ins Glück» (2014) und «Dada Universal» (2016)
zeigen Stefan Zweifel und Juri Steiner 2018 ihre Perspektive auf die
68er-Generation. Die Collage der beiden Gastkuratoren aus Objekten,
Filmen, Fotos, Musik und Kunstwerken macht die Atmosphäre von 1968
sinnlich erlebbar. Die Ausstellung
wirft einen umfassenden Blick auf die Kultur dieser Zeit und lässt die
Besucherinnen und Besucher durch Warhols Silver Clouds ins Reich der
damaligen Fantasien schweben.
Video: srf
Wer glaubt, für Fremdenfeindlichkeit brauche es Menschen aus fremden Ländern, irrt. Nach dem verlorenen Krieg drängten sich Millionen Flüchtlinge und Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten in Rest-Deutschland. Heute gilt ihre Aufnahme als vorbildlich – doch in Wahrheit schlugen ihnen damals Hass und Verachtung entgegen und der offen ausgesprochene Gedanke, nicht nach Westdeutschland, sondern nach Auschwitz zu gehören.
Der Volkszorn kocht, und der Redner weiss genau, was die Leute hören wollen: «Die Flüchtlinge müssen hinausgeworfen werden, und die Bauern müssen dabei tatkräftig mithelfen», ruft Josef Fischbacher. Der Kreisdirektor des bayerischen Bauernverbandes giesst kräftig Öl ins Feuer und nimmt sogar das Nazi-Wort «Blutschande» in den Mund.
Was hier nach Sachsen im Jahr 2016 klingt, ist Bayern im Jahr 1947. Und die Flüchtlinge, die Fischbacher hinauswerfen will, kommen nicht aus …