Blogs
Per Autostopp um die Welt

Kanada absurd: Ureinwohner müssen sich Zuwanderern anpassen

1 / 13
Per Autostopp um die Welt – Woche 70: Von Dawson Creek (Kanada) nach Lake Louise (Kanada)
Von Dawson Creek nach Grande Prairie: Meine Autostopp-Woche beginnt mit Charles. Die Gespräche mit dem Aboriginal bewegen mich zu einer Kolumne über das Thema.
quelle: thomas schlittler / thomas schlittler
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Per Autostopp um die Welt

Kanada absurd: Warum muss sich Charles als Ureinwohner den weissen Zuwanderern anpassen?

01.10.2016, 16:5401.10.2016, 17:02
Thomas Schlittler
Thomas Schlittler

Das Symbol Kanadas kennt jedes Kind: Ein rotes Ahornblatt auf weissem Grund. Eigentlich müsste es umgekehrt sein. Es waren schliesslich die (weissen) Europäer, die sich auf dem Boden der (roten) Ureinwohner ihr Kanada eingerichtet haben.

Die kanadische Flagge: Eigentlich sind die Farben genau falsch herum.
Die kanadische Flagge: Eigentlich sind die Farben genau falsch herum.bild: pngall

Noch passender wäre es gar, wenn die beiden Farben durch einen dicken schwarzen Strich voneinander getrennt wären. Denn es gibt nach wie vor einen grossen Graben zwischen den weissen Kanadiern und den 1,4 Millionen Aboriginals im Land.

Selbst für mich als Reisenden sind die Probleme unübersehbar:

  • Es sind zu drei Vierteln Aboriginals, die in Prince Rupert am helllichten Tag im Casino sitzen.
  • Es sind vergewaltigte oder gar ermordete Aboriginal-Frauen, durch die der «Highway of Tears» («Highway der Tränen») seinen traurigen Namen erhalten hat.
  • Es sind immer Aboriginals, die mich in Whitehorse fragen, ob sie eine Zigarette haben können oder ich ihnen ein Bier ausgebe.
  • Und es ist ein Aboriginal, der auf dem Weg Richtung Edmonton fast auf die Autobahn fällt, weil er sturzbetrunken ist.

Ureinwohner haben Privilegien

Wenn ich weisse Kanadier auf die Probleme mit den Ureinwohnern anspreche, versuchen diese oft zu relativieren: In Yukon sagen mir viele, dass das Zusammenleben hier im Norden besser funktioniere als im Süden des Landes.

Gerne wird auf die Privilegien hingewiesen, welche die Aboriginals geniessen, dass sie sich zum Beispiel nicht an die Jagdvorschriften halten müssen und von den Steuern befreit sind, wenn sie im Reservat leben.

Auch die Entschädigungs- und Unterstützungszahlungen, welche die kanadische Regierung den Aboriginals Jahr für Jahr zukommen lässt, bleiben nicht unerwähnt. Der Tenor ist klar: «Was sollen wir denn sonst noch tun?!»

Die gleichen Aussagen wie in der Schweiz

Ist vielleicht Rassismus die Ursache dafür, dass überproportional viele Ureinwohner arbeitslos, alkohol- und drogenabhängig sind? Meine weissen Fahrer verneinen. Und ich glaube ihnen, wenn sie sagen: «Ich habe kein Problem mit Aboriginals – wenn sie arbeiten und ein anständiges Leben führen.»

Es ist praktisch die gleiche Aussage, die in der Schweiz gerne in Bezug auf Zuwanderer gemacht wird: «Ich habe kein Problem mit Ausländern – wenn sie sich integrieren!» Gegen dieses Credo ist nichts einzuwenden.

Kanada hat auch sonst Ähnlichkeiten mit der Schweiz: Guck! Unten geht's weiter ...

Kanada schafft's auf Platz 6: Das sind die lebenswertesten Länder der Welt

1 / 12
Die lebenswertesten Länder der Welt
Die Finnen haben's in die Top Ten geschafft. Das skandinavische Land besticht vor allem durch gute Bildung – ein Kriterium, das gemäss OECD als prioritär bewertet wird.
quelle: ap/lehtikuva / martti kainulainen
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Das Problem ist nur, dass unter Integration jeder etwas anderes versteht: Einigen genügt es, wenn die Zugewanderten arbeiten und sich ans Gesetz halten. Andere erwarten, dass sie sich gleich kleiden wie die Einheimischen, immer und überall die Landessprache sprechen sowie keinen BMW fahren.

Und dann gibt es jene, die Ausländer höchstens dann akzeptieren, wenn sie ihre bisherige Kultur komplett aufgeben und in den örtlichen Jodlerverein oder Schwingerclub eintreten.

Ureinwohner müssen sich anpassen

Anpassung und Integration ist also immer ein schwieriges Thema.

Wenn es um Aboriginals geht, wird es aber besonders kompliziert. Denn seit wann müssen sich jene, die zuerst an einem Ort waren, der Lebensweise der Neuankömmlinge anpassen?

Die Ureinwohner Kanadas können nicht mehr als Nomaden durchs Land ziehen und sich selbst versorgen. Sie gehen zwar nach wie vor auf die Jagd, allerdings nicht mehr auf Pferden mit Pfeil und Bogen, sondern in Jeeps und mit Präzisionsgewehren.

Damit sie sich diese Dinge leisten können, müssen sie logischerweise einen Überschuss erwirtschaften beziehungsweise Geld verdienen. Es stellt sich deshalb die Frage: Wie integriert man sich als Aboriginal ins weisse, industrialisierte Kanada – ohne seine Wurzeln zu verlieren?

Per Autostopp um die Welt – Woche 70: Von Dawson Creek (Kanada) nach Lake Louise (Kanada)
Das ist Charles. Er ist voll integriert in die (weisse) kanadische Gesellschaft.Bild: Thomas Schlittler
«Einige Leute von meinem Stamm bezeichnen mich als Apfel – aussen rot, innen weiss.»
Charles, Aboriginal aus Dawson Creek

Charles hat sich angepasst

Diese Frage beschäftigt Charles bis heute. Er ist geschätzte 40 Jahre alt und fährt mich von Dawson Creek ins 130 Kilometer entfernte Grande Prairie, um seine Tochter von der Schule abzuholen. Charles ist Aboriginal, arbeitet als Mechaniker und bezeichnet sich als voll integriert in die (weisse) kanadische Gesellschaft.

Das gefällt nicht allen: «Einige Leute von meinem Stamm bezeichnen mich als Apfel – aussen rot, innen weiss.»

Hast du mal eine Etappe von Thomas Schlittlers Blog verpasst? Hier findest du sie alle:

Charles kann mit solchen Anfeindungen leben. Er ist stolz darauf, dass er selbst für sich sorgen kann und nicht wie andere seines Stammes von den Almosen des Staates abhängig ist: «Für mich zählt nur, dass ich meiner Tochter ein guter Vater bin und dass ich ihr ein sorgenfreies Leben ermöglichen kann.»

Trotzdem bleibt seine Herkunft ein Thema für ihn: «Ich will nicht, dass die Kultur meines Stammes in Vergessenheit gerät.»

Den Balanceakt zu verstehen versuchen

Es gibt kein einfaches Rezept, um den Graben zwischen dem weissen und dem roten Kanada zuzuschütten. Vielleicht würde es den Aboriginals aber helfen, wenn mehr weisse Kanadier versuchen würden zu verstehen, mit welchen Schwierigkeiten es verbunden ist, den Balanceakt zu schaffen zwischen der Bewahrung der eigenen Kultur und einem Leben in der Moderne.

Reisen
Bock auf Sonne? Diese 7 Orte in Europa sind auch im Herbst der Hammer
30
Bock auf Sonne? Diese 7 Orte in Europa sind auch im Herbst der Hammer
von Jara Helmi
Hai beisst britischem Schnorchler vor Australien Fuss ab
5
Hai beisst britischem Schnorchler vor Australien Fuss ab
12 Schweizer Aktivitäten, die du unbedingt mal erlebt haben musst
11
12 Schweizer Aktivitäten, die du unbedingt mal erlebt haben musst
von Reto Fehr
Lonely Planet setzt dieses Land auf Platz 1 – doch das ist kaum auf den Hype vorbereitet
44
Lonely Planet setzt dieses Land auf Platz 1 – doch das ist kaum auf den Hype vorbereitet
von Adrian Müller
Workplace environment? Heute lernen wir, wie der Sazerac-Cocktail geht
6
Workplace environment? Heute lernen wir, wie der Sazerac-Cocktail geht
von Oliver Baroni
Mein Veloherz strahlte, nachdem ich diese Schatzinsel entdeckt hatte
5
Mein Veloherz strahlte, nachdem ich diese Schatzinsel entdeckt hatte
von Ralf Meile
«Thomas Cook»-Pleite: So verteidigt sich der Schweizer Ex-Konzernchef
3
«Thomas Cook»-Pleite: So verteidigt sich der Schweizer Ex-Konzernchef
Wie baue ich mir meinen eigenen Camper? Eine Anleitung in 17 Punkten
56
Wie baue ich mir meinen eigenen Camper? Eine Anleitung in 17 Punkten
von Reto Fehr
Mit diesen 9 Life-Hacks wird jeder Hotelaufenthalt zum Erfolg
53
Mit diesen 9 Life-Hacks wird jeder Hotelaufenthalt zum Erfolg
Strecke Bern-Olten schon wieder unterbrochen – diesmal wegen eines Gleisschadens
7
Strecke Bern-Olten schon wieder unterbrochen – diesmal wegen eines Gleisschadens
Du willst klimaneutrale Ferien? Diese 10 Punkte solltest du beachten
40
Du willst klimaneutrale Ferien? Diese 10 Punkte solltest du beachten
Ferien in einer anderen Liga: 10 einzigartige Airbnbs, die auch du mieten kannst
5
Ferien in einer anderen Liga: 10 einzigartige Airbnbs, die auch du mieten kannst
von Jodok Meier
Wie gut kennst du dich in der Schweiz aus? Diese 11 Rätsel zeigen es dir
20
Wie gut kennst du dich in der Schweiz aus? Diese 11 Rätsel zeigen es dir
von Reto Fehr
Zugverkehr auf Bahn-2000-Strecke zwischen Bern und Olten wieder aufgenommen
1
Zugverkehr auf Bahn-2000-Strecke zwischen Bern und Olten wieder aufgenommen
Hotels befürchten nach Cook-Pleite Hunderte Millionen Euro Verlust
1
Hotels befürchten nach Cook-Pleite Hunderte Millionen Euro Verlust
Baumaschine verliert Öl: Alle Züge zwischen Bern und Olten bis Samstagabend umgeleitet
7
Baumaschine verliert Öl: Alle Züge zwischen Bern und Olten bis Samstagabend umgeleitet
430 Euro für zwei Teller Spaghetti – 5 Mal, als Touristen schamlos abgezockt wurden
75
430 Euro für zwei Teller Spaghetti – 5 Mal, als Touristen schamlos abgezockt wurden
Sagt mal, bin ich hier der Einzige, der Oktoberfest doof findet?
180
Sagt mal, bin ich hier der Einzige, der Oktoberfest doof findet?
von Oliver Baroni
Diese Schweizer radelten von Thun nach Kirgistan – ihre Reise in 30 faszinierenden Bildern
17
Diese Schweizer radelten von Thun nach Kirgistan – ihre Reise in 30 faszinierenden Bildern
von Reto Fehr
Nach Thomas-Cook-Pleite: Zurich-Versicherung will Hotels anzahlen
1
Nach Thomas-Cook-Pleite: Zurich-Versicherung will Hotels anzahlen
Thomas Cook – warum der zweitgrösste Reisekonzern der Welt konkurs ging
15
Thomas Cook – warum der zweitgrösste Reisekonzern der Welt konkurs ging
von Leo Eiholzer
Airbnb zeigt die 10 beliebtesten Häuser 2018 auf Instagram
2
Airbnb zeigt die 10 beliebtesten Häuser 2018 auf Instagram
Dieser Ort mit den drei Wasserfällen ist etwas vom Spektakulärsten, das ich in der Schweiz gesehen habe
18
Dieser Ort mit den drei Wasserfällen ist etwas vom Spektakulärsten, das ich in der Schweiz gesehen habe
von Reto Fehr
86 Kilometer lang, 3275 Meter hoch: Der brutale Aufstieg mit dem Velo auf den Wuling-Pass in Taiwan
5
86 Kilometer lang, 3275 Meter hoch: Der brutale Aufstieg mit dem Velo auf den Wuling-Pass in Taiwan
von Corsin Manser
Ascension Island: Eine Reportage vom Ende der Welt, dem letzten kleinen Rest von Atlantis
15
Ascension Island: Eine Reportage vom Ende der Welt, dem letzten kleinen Rest von Atlantis
von Klaus Zaugg

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
26 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Karl Müller
01.10.2016 18:20registriert März 2015
Wer die Lebensweise, Mythen und Kultur von nomadischen Jägern und Sammlern beibehalten will, kann nicht gleichzeitig vollwertig an der modernen Konsumgesellschaft teilhaben. Das führt zwangsläufig zu Elend.

Auch die Weissen haben diese Wurzeln irgendwann verloren, bzw. sie leben höchstens als bedeutungslose Folklore weiter.

Finde es in diesem Zusammenhang interessant, dass der Verlust der Jagd zu Pferde als Ureinwohner-Tradition angesprochen wird. Denn auch das Pferd kam erst mit den Europäern nach Amerika.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Alnothur
02.10.2016 14:48registriert April 2014
"Denn seit wann müssen sich jene, die zuerst an einem Ort waren, der Lebensweise der Neuankömmlinge anpassen?"

Komisch, hierzulande hat mit dieser Forderung scheinbar kein Linker ein Problem...
00
Melden
Zum Kommentar
26
Lasst uns über Animal Play reden!
Es gibt Leute, die verkleiden sich als Tiere, wenn sie Sex haben wollen. Das hat nichts mit dem zu tun, was ich erlebt habe, aber ich will gerne davon ablenken.
Kürzlich habe ich von einem Freund erfahren, dass entfernte Bekannte von uns sogenannte Furrys sind. Habe ich natürlich recherchieren müssen. Vor allem für euch, Leute. Ich will euch hier ja etwas bieten. Wir sind ja nicht zum Gspass hier, nein, wir wollen auch etwas lernen. Furrys sind also Menschen, die verkleiden sich gerne als Tier. Das Tier muss nicht, wie von mir ursprünglich angenommen, ein Fell haben, Furry, Fell, you know, man könnte auch ein Fisch sein, wenn man gerne ein Fisch sein will, aber ich gehe jetzt mal davon aus, dass der Fisch eine weniger beliebte, Achtung, Fursona ist.
Zur Story