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Weshalb viele Religionen die Sexualität verteufeln

Statue der Jungfrau Maria
In vielen Männerklöstern wird Maria abgöttisch verehrt.Bild: Shutterstock
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Weshalb viele Religionen die Sexualität verteufeln

Etliche Glaubensgemeinschaften behandeln auch heute noch die Frauen als Gläubige zweiter Klasse.
21.01.2023, 07:4322.01.2023, 14:51
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Die meisten Religionen und Glaubensgemeinschaften tun sich schwer mit dem Thema Sexualität. Der vielleicht wichtigste Akt im Leben von uns Menschen wird von vielen verteufelt. Als sei der Geschlechtsverkehr etwas Schmuddeliges, Unappetitliches. Dabei vergessen die religiösen Fundis, dass sie ihre Existenz dem Zeugungsritual verdanken. Und: Ihr Gott hat die Sexualität gestiftet, um Überleben und Arterhaltung zu sichern.

Einer der Hauptgründe für die Verteufelung: Sexuelle Leidenschaft ist der Hauptfeind der dogmatischen oder fundamentalistischen Gemeinschaften. Sie versuchen, die Libido ihrer Anhänger durch Indoktrination zu unterdrücken.

Gegen die Macht der Lust verblasst der Glaube

Dies gelingt bei fast allen menschlichen Bedürfnissen, ausser der Sexualität. Gegen die Macht der Lust verblasst der Glaube. Es ist denn auch kein Zufall, dass der Spruch «Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach» in einem religiösen Kontext entstanden ist.

Ein weiterer Grund für die Verteufelung ist das Machogehabe radikaler Religionsführer. Sie stellen die Frauen als Luder dar, die gezielt Männer verführen wollen. Und um sie abzuwerten, wird ihre «Unreinheit» angeprangert und die Menstruation im abwertenden Sinn interpretiert.

Auch im Islam und im Judentum ist das Menstruationsblut etwas «Unheiliges». Es symbolisiert die Unfruchtbarkeit und hält den Mann davon ab, seine «ehelichten Pflichten» erfüllen zu können.

Ein Pfarrer spricht Klartext zum Thema Sexualität im Christentum:

Es trifft auch viele hinduistische Frauen, die während ihrer Tage den Tempel nicht besuchen dürfen. Und in islamistischen Kreisen werden Frauen in jeder erdenklichen Form unterdrückt. Fundis aller Art behandeln also Frauen gern als Menschen und Gläubige zweiter Klasse.

Kommt hinzu, dass in manchen Glaubensgemeinschaften die Frauen noch immer von den wichtigen Ämtern ferngehalten werden. Gerade von der wohl grössten Organisation weltweit, der katholischen Kirche. Und in vielen Freikirchen. Auch die orthodoxen Juden fallen nicht dadurch auf, dass sie die Frauen gleichberechtigt behandeln. Die Mormonen schon gar nicht.

«Seit vielen Jahrhunderten gehören in Einsiedeln die Marienverehrung und die ‹Schwarze Madonna› zusammen.»
Zitat aus der Homepage des Klosters Einsiedeln

Die Unterdrückung und Stigmatisierung hat eine lange Geschichte. Wir finden sie auch in der christlichen Genesis. Gott hat Eva laut Bibel aus einer Rippe von Adam «modelliert», und die angeblich raffinierte und hinterhältige Eva soll Adam zur Sünde verleitet haben, was schliesslich zur Verbannung aus dem Paradies führte.

Kritisch hinterfragen muss man auch die Jungfrauengeburt, die schon in der Antike gepredigt worden war. Mythen und Legenden erzählen, dass hochrangige Gläubige und Adlige von Göttern auf geistige Weise gezeugt worden waren. Zum Beispiel die Pharaonen. Es durfte nicht sein, dass die «Heiligen» bei einem «schmutzigen Geschlechtsakt» geschaffen wurden.

Die Jungfrauengeburt spielt auch bei der christlichen Lehre eine Rolle. Im Glaubensbekenntnis der katholischen Kirche heisst es: «Jesus Christus wurde empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria.»

Wie ging die Zeugung von Jesus vor sich?

«In Einsiedeln wird die Jungfrau und Gottesmutter Maria unter dem Titel ‹Unsere Liebe Frau von Einsiedeln› besonders verehrt», heisst es auf der Homepage des Klosters. «Seit vielen Jahrhunderten gehören in Einsiedeln die Marienverehrung und die ‹Schwarze Madonna› zusammen.» Auch im Matthäus- und im Lukas-Evangelium steht, dass eine Jungfrau ein Kind empfangen und gebären werde (Mt 1,18-25; Lk 1,26-38).

Es wird auch insinuiert, dass Joseph als Verlobter keinen Geschlechtsverkehr mit Maria gehabt habe. Heute interpretieren gemässigte Theologen den Begriff Jungfrau als junge Frauen. Wie auch immer: Die Diskussionen zeigen, dass Strenggläubige die Zeugung des Sohnes Gottes verklären möchten.

Zur Sexualfeindlichkeit gehört auch der Zölibat in der katholischen Kirche. Das «Fleisch» muss abgetötet oder zumindest gezähmt werden. Dass dies ein frommer Wunsch oder ein hoffnungsloses Unterfangen ist, zeigen die vielen Übergriffe und Missbräuche der Geistlichen.

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Auch Geistliche erliegen der Kraft der Sexualität

Sie brechen bei Übergriffen auf Kindern nicht nur den Zölibat, sondern begehen ihrer Lust Willen ein schweres Verbrechen im strafrechtlichen Sinn. Eine «Todsünde», die die Kirchenfürsten jahrhundertelang gebilligt und vertuscht haben.

Die biblische Aufforderung «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» (Mk 12:31) betrifft die Frauen in der religiösen Männerwelt offensichtlich nicht. Denn da sind die Männer gleicher als die Frauen.

Es gibt eine Ausnahme, die die Regel bestätigt: In vielen Männerklöstern wird Maria abgöttisch verehrt.

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Hugo Stamm, Sektenblog
Bild: zvg
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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434 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Thomas Melone
21.01.2023 08:39registriert Mai 2014
Lange Haare werden auch als Teil der sexuellen Verführung angesehen. Daher müssen Frauen ihre Haare unter einem Kopftuch tragen, welches früher auch in der christilichen Kultur gang und gäbe war. Orthodoxe jüdischen Frauen müssen sich ihr Haar abschneiden und eine Perücke tragen. Das Prinzip ist aber wohl in allen Religionen dasselbe: Männer haben sich nicht im Griff, Frauen müssen dadurch in Leben lang leiden. Man stelle sich mal vor, wenn es umgekehrt wäre.
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Rikki-Tiki-Tavi
21.01.2023 08:45registriert April 2020
Tja… wie sagte es Lemmy (R.I.P.) so schön: „Immaculate conception? Come on…“.
Und den Rest erledigt dann ein Weltbild, das Frauen als minderwertig sieht.
Danke für den Artikel, Herr Stamm.
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Nixnutz
21.01.2023 11:22registriert Mai 2017
Diese Frauenfeindlichkei ist allen monotheistischen Religionen inne und wie ich heute gelernt habe auch dem Hinduismus. Die Mens könnte man in einem biologischen Sinn durchaus als Reinigung bezeichnen, was es dann schwer machen würde, diese schlecht zu reden. Aber eben, die Frauen hatten in den entsprechenden Religionen halt nie die Deutungshoheit, sondern immer nur verknorzte Männer und die Nomenklatura der entsprechenden Religion.
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    Soll ich ihr antworten oder nicht?
    Ich dachte, Abstand zu Lara bringt Ruhe und Klarheit, aber das Gegenteil ist passiert.

    Wie ihr wohl schon lange wisst, bin ich kein Experte in Sachen Trennungen. Deshalb bin ich auch nicht hundertprozentig sicher, dass ich getrennt bin. Vielleicht sind wir auch nur in einer Pause. Wir hätten auch gar kein Ross-Rachel-Problem ... Ich habe viele Schwestern, ergo habe ich viel Friends schauen müssen. Was ich sagen will, für alle Friends-Hasser: Ich habe die ungeklärte Situation bisher nicht ausgenutzt. Ich schaue Frauen schon fast gar nicht an und glaubt mir, Leute, das heisst etwas. Aber ich bin gerade immun gegen Frauen.

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