Papst Franziskus gilt als bescheidener Ponitfex, der das Bad in der Menge liebt und auf seinen vielen Reisen gern Messen vor einer grossen Kulisse zelebriert. Obwohl er mit seinen 88 Jahren der zweitälteste Papst ist und seine Lebensenergie sichtlich flackert, klammert er sich an seinem Amt fest.
Er glaubt, dass er angesichts der vielen Skandale der katholischen Kirche sein Werk noch nicht vollendet hat. Dabei entpuppt er sich als gewiefter PR-Stratege, der mit schlagzeilenträchtigen Aktionen die Risse im Fundament der Kirche kitten will.
An Heiligabend landete er mit perfektem Timing einen symbolträchtigen Coup. Er liess sich im Rollstuhl zur Heiligen Pforte im Petersdom fahren und klopfte mehrmals an die schwere Broncetor, die sonst immer verschlossen ist. Und siehe da, die Pforte öffnete sich. Helfer hatten sie von innen geöffnet.
Mit diesem Akt eröffnete der Papst das Heilige Jahr der katholischen Kirche. Normalerweise geschieht dies nur alle 25 Jahre, doch Franziskus hat es eilig, denn das letzte Mal beging die Kirche das Jubeljahr 2016. Das war schon zu früh, doch nun senkt er angesichts seines Alters den Rhythmus noch weiter.
Er will, dass die Katholiken noch einmal zu seinen Lebzeiten zusammenrücken und zum Vatikan pilgern. Ganz nach dem Motto: Wir erleben zwar schwere Zeiten und göttliche Prüfungen, doch wir markieren Präsenz und glauben an die Zukunft unserer Kirche.
Um die Pilger im nächsten Jahr nach Rom zu locken, muss die Kirche natürlich Anreize schaffen. Ähnlich wie bei der Pilgerfahrt der Muslime nach Mekka: Wer sich das Leben über den Tod hinaus sichern will, sollte einmal in seinem Leben den Hadsch feiern.
Einen ähnlichen Lockvogel hat auch der Papst. Wer während des Jubeljahres durch die Heilige Pforte schreitet, dem werden die Sünden erlassen. Das ist indirekt ebenfalls das Ticket für den Himmel am Jüngsten Tag.
Das Ritual ist die sanfte Art des früheren Ablasshandels, mit dem die Reichen das Himmelreich erkaufen konnten. Mit diesem Taschenspielertrick kam die Kirche zu Grundbesitz und Reichtum. Damit baute sie in früheren Epochen ihre Macht auf, die nun zu bröckeln beginnt.
Geblieben ist aber die Anmassung: Gottes Bodenpersonal kann bestimmen, ob jemand dereinst mit Vitamin B an die Himmelspforte klopfen kann. Gravierender ist jedoch der ethische Aspekt. Ich kann betrügen, rauben oder gar ein Gewaltdelikt verüben, und die katholischen Geistlichen waschen mich im religiösen Sinn wieder rein.
Das dürfte vor allem auch die vielen katholischen Geistlichen freuen, die ihre Schäfchen sexuell missbraucht haben. Ein Gang durch die Pforte und gut ist. Dass Gott den Ablass bei den Pilgern persönlich veranlasst, scheint eher unwahrscheinlich.
Der Vatikan erwartet im Heiligen Jahr 30 Millionen Besucherinnen und Besucher. Die Römerinnen und Römer, die auch in gewöhnlichen Jahren von Touristenströmen überschwemmt werden, müssen mit chaotischen Monaten rechnen.
Auf den geistig und körperlich geschwächten Papst wartet eine Mammutaufgabe. Er hätte die verbliebene Energie besser benutzt, um die vielen Missbrauchsfälle aufarbeiten zu lassen. Das wäre mit weniger Glanz und Pomp verbunden gewesen, aber glaubwürdiger.