Der Glaube ist oft mit der Hoffnung auf Wunder verbunden. Wir tun uns schwer, Endlichkeit, körperliche Grenzen und die Schwerkraft zu akzeptieren. Manche flüchten deshalb zu Gott: Der Schöpfer soll richten, was die Natur verbockt hat. Wahre Künstler in dieser Disziplin sind Fromme aus Freikirchen, die überzeugt sind, Gott begleite sie wie ein allmächtiger Vater schützend durch die Wirren des irdischen Daseins.
Ein schillerndes Beispiel dieser Spezies ist der deutsche Arzt Arne Elsen. Wo er auftritt, flüchten die Krankheiten angeblich panisch aus den Körpern der Gläubigen. Er tingelt durch die Lande und lässt die Heilkräfte Gottes über die Besucher seiner Heilungssessions kommen.
Er heilt aber nicht nur kranke Gläubige, er versucht sich offenbar auch darin, Schwule zu «bekehren». Oder salopp gesagt: sie umzupolen. Also von der «Krankheit» Homosexualität zu befreien. Das streitet er heute zwar ab, doch deutsche Medien haben ihn bei früheren Recherchen überführt.
Doch schön der Reihe nach. Der fromme Arzt trat am vergangenen Wochenende dreimal im Chesselhuus Pfäffikon ZH auf. Eingeladen hatte ihn Patrick Krähenbühl, Pastor der kleinen Freikirche «Freiheit in Jesus», die zur radikalen Bewegung «Wort-des-Glaubens» gehört.
Trotz heftigen Protesten von Einwohnern, den Jungsozialisten und der Schwulenorganisation Pink Cross sahen die Pfäffiker Behörden keinen Anlass, die kuriosen Veranstaltungen in ihrem Saal zu verbieten. Sie verwiesen unter anderem auf die Religionsfreiheit.
Ein Beispiel mehr, das zeigt, dass diese «Freiheit» nicht im eigentlichen Sinn des Gesetzgebers angewendet wird. Dieser wollte eigentlich sicherstellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger ihren Glauben frei wählen können.
Arzt Elsen vertraut weniger den Heilkünsten der Medizin als vielmehr der Kraft des Gebets und der angeblichen Heilkraft Gottes. Dank seiner wundersamen Vermittlerrolle werden die Gläubigen angeblich nicht nur von harmlosen Krankheiten befreit, sondern auch von tödlichen, zum Beispiel dem Krebs. So zumindest behauptet es der Mann Gottes.
Er selbst will Wunderheilungen am eigenen Leib erlebt haben. Ein befreundeter «Gottesheiler» soll ihn innerhalb von drei Tagen von schweren Nebenhöhlenentzündungen, Herpes und einer Überfunktion der Schilddrüse geheilt haben. Krankheiten übrigens, die seine Berufskollegen im Krankenhaus angeblich nicht kurieren konnten.
Bei seinem ersten Auftritt in Pfäffikon hat sich Elsen eine Stunde lang gegen die im Vorfeld erhobenen Vorwürfe gewehrt, Schwule zu «heilen», wie der Zürcher Oberländer schreibt. Er sei kein Schwulenheiler und betrachte Homosexualität nicht als Krankheit, sagte er.
Zweifel an dieser Darstellung sind aber angebracht. Ein Journalist des Norddeutschen Rundfunks (NDR) hat 2014 nämlich den Arzt mit einer versteckten Kamera überführt.
Der Reporter wörtlich: «Was ich bei Dr. Elsen im Sprechzimmer erlebt habe, ist für mich bis heute unglaublich: Er betete während der Sprechstunde für mich und versuchte, mir Dämonen auszutreiben, die der Grund für meine Homosexualität seien. Er glaubte sogar an einen Erfolg seiner Dämonenaustreibung: Er habe eine Wolke gesehen, und mindestens ein Geist habe meinen Körper verlassen, so Dr. Elsen. Davon hatte ich nichts bemerkt.»
Elsen bestreitet diese Darstellung vehement. Die Aussagen des Reporters werden aber von einem schwulen Gläubigen bestätigt, der erklärt, Elsen habe bei ihm ebenfalls Dämonen ausgetrieben.
Hier kommen die Gemeindebehörden von Pfäffikon wieder ins Spiel. Sie sagten, der Pastor von «Freiheit in Jesus» und Elsen hätten darauf hingewiesen, dass der Arzt in Deutschland rechtliche Schritte gegen die Vorwürfe unternommen habe, worauf die Kritiker zurückbuchstabiert hätten.
Auch hier scheint es Elsen mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen. Er wollte den Bericht des NRD mit einer einstweiligen Verfügung verbieten lassen. Doch er zog das Begehren zurück, nachdem ihm die Richter signalisiert hatten, kaum Chancen auf Erfolg zu haben.
Schwulenheilungen haben in Freikirchen eine lange Tradition. Viele Fromme glauben, Homosexualität sei eine Strafe Gottes. Das ist eine Kuriosität.
Zuerst bestraft Gott die Betroffenen für ihre Sünden mit der Homosexualität, damit sie dann erst recht sündig werden? Die einzige Lösung wäre demnach für Homosexuelle, keusch zu leben. Oder so zölibatär wie Geistliche, die ihre homosexuellen Neigungen im Schoss der Kirche ausleben oder sich an Knaben vergangen haben.
Ursprung der Stigmatisierung ist in den Augen vieler Frommen ebenfalls Gott. Für sie ist die Bibel das authentische Wort des Herrn. Dort heisst es unter anderem: «Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben» (3. Mose 20, 13).
Inzwischen haben aber die meisten Freikirchen erkannt, dass sie mit dieser Haltung radikal gegen zivile ethische und moralische Werte verstossen und sich Schwule weder durch «Therapien», Gebete noch Teufelsaustreibungen umpolen lassen. Deshalb sind sie von ihrer rigiden Haltung abgekehrt. Zumindest nach aussen hin.
Diese Einsichten scheinen noch nicht bei Elsen angekommen zu sein, denn er sieht sich eng von Gott geführt. Wörtlich sagte er: «Ich bin gewiss, als Gläubige dürfen wir sagen, dass du oh Herr einen vollkommenen Plan für mich hast, wo ich optimale Frucht für die Ewigkeit bringen darf. Dir zu Ehren, in Deiner Kraft.»