Die katholische Kirche durcherlebt schwere Zeiten - zumindest in der westlichen Welt. Die vielen Skandale und der Mitgliederschwund setzen ihr zu und nagen am Image. Der Tod von Papst Franziskus gewährt der Kirche eine Schnaufpause.
Die weltweite Resonanz ist beste PR für die bei uns gebeutelte Institution. In den Berichten werden vor allem die positiven Aspekte des verstorbenen Papsts hervorgehoben.
Ein ehemaliger Erzbischof und Nuntius (Botschafter) in den USA mag aber nicht in Chor der geistlichen Lobredner einstimmen. Der Italiener Carlo Maria Viganò hatte wenig übrig für Franziskus. Er griff ihn regelmässig verbal an und kritisierte seine angebliche liberale Haltung.
Viganò liess es sich nicht nehmen, auch posthum eine Breitseite gegen Franziskus abzufeuern. Der italienische Geistliche veröffentlichte am 27. April auf dem vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Portal compact-online.de einen Artikel, der es in sich hat.
Nach der Lektüre fragt man sich, ob er von allen guten Geistern im Himmel verlassen worden ist. Viganò prangert darin die neue Weltordnung an, die ihn an die Liturgiereform während des Zweiten Vatikanischen Konzils in den 1960er Jahren erinnere.
Die neue Ordnung stürze «den göttlichen Kosmos, um ein infernalisches Chaos zu verbreiten, in dem alles, was die Zivilisation im Laufe der Jahrtausende unter der Inspiration der Gnade mühsam aufgebaut hat, pervertiert, korrumpiert und annulliert» habe, erklärt Viganò.
Die Entwicklung entspreche einem teuflischen Plan, hinter dem das Böse stecke und nur ein Ziel verfolge: «Das Werk der Schöpfung zu zerstören, die Erlösung aufzuheben, alle Spuren des Guten auf der Erde zu vernichten.»
Schliesslich greift der «gute Hirte» tief in die Kiste der Verschwörungsmythen: «Die Mitglieder dieser verfluchten Sekte sind nicht nur Bill Gates, George Soros oder Klaus Schwab, sondern auch diejenigen, die seit Jahrhunderten im Verborgenen Ränke schmieden, um das Reich Christi zu stürzen: die Rothschilds, die Rockefellers, die Warburgs und diejenigen, die sich heute auf höchster Ebene der Kirche verbündet haben und die moralische Autorität des Papstes und der Bischöfe nutzen, um die Gläubigen zum Impfen zu bewegen.»
Zu dieser Sekte zählt Viganò auch Greta Thunberg, die er als apokalyptische Predigerin des Klimawandels und der globalen Erwärmung bezeichnet. Weiter wettert er gegen die Massnahmen während der COVID-Pandemie, die Kriminalisierung der Impfgegner und die psychiatrische Behandlung von «Leugnern» oder «Verschwörungstheoretikern», die zum Aufbau von Internierungslagern geführt hätten.
Schliesslich beschwört Viganò die Gefahren der 5G-Technologie herauf. Mit Hilfe von Apps und subkutanen Chips könne nun die Bevölkerung verfolgt werden, behauptet der Würdenträger.
Das Pamphlet liest sich wie eine Rache an der Elite, zu der Viganò auch die Geistlichen zählt, die eine Liberalisierung in der katholischen Kirche anstreben. In seinen Augen gehört auch der verstorbene Papst dazu, den er seit 2018 immer wieder scharf kritisierte.
Der Erzbischof prangerte ihn wiederholt wegen seines Vorgehens gegen die Verfechter der lateinischen alten Messe und der Öffnung der Kirche gegenüber homosexuellen Paaren an.
Die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils bezeichnet er als Krebsgeschwür, das die gesamte katholische Kirche befallen habe. Als sich Viganò zur Behauptung verstieg, Franziskus sei nicht der rechtmässige Papst, hatte er den Bogen überspannt.
Der Vatikan leitete ein kirchenrechtliches Verfahren ein und verkündete am 5. Juli 2024 die Exkommunikation von Viganò, also den Ausschluss aus der Kirche. Im Entscheid wurde Viganò eine Kirchenspaltung vorgeworfen.
Der ehemalige Erzbischof dürfte Franziskus nach seinem Tod keine Träne nachgeweint haben. Vielmehr wird er den Ausschluss als Bestätigung für seine Verschwörungstheorie interpretieren. Ein klassisches Beispiel dafür, dass vor allem rechtsradiale Zeitgenossen dazu neigen, Verschwörungstheorien zu entwickeln und auf missionarische Weise zu verbreiten.