Heiler glauben, wer heilt, hat recht – doch können sie wirklich heilen?
Die Schweiz hat eine rekordverdächtige Dichte an Heilerinnen und Heilern. Tausende sind registriert, insgesamt dürften über 10'000 Geistheiler, Reiki-Meister, Handaufleger, Hellseher, Aura-Heiler usw. ihren Klienten heilende Hilfe bei allen Beschwerden und Krankheiten versprechen. In der Schweiz tummeln sich mehr Heiler als Pfarrer.
Ihr Trumpf oder Wettbewerbsvorteil gegenüber der Schulmedizin liegt in den Behandlungsmethoden. Statt Skalpell, Spritzen und Pharmaprodukte («Achtung, Nebenwirkungen») bloss sanfte Hände, positive Gedanken für die Fernheilung und heilende Energien.
Nur: Hilft das auch? Hunderttausende Schweizerinnen und Schweizer sind davon überzeugt. Sonst würden die Heiler ja verhungern. Auch hier ein Wettbewerbsvorteil gegenüber der Schulmedizin: Eine Ausbildung ist nicht zwingend erforderlich, viele Heiler sind Autodidakten oder haben bestenfalls eine teure Schnellbleiche hinter sich. Und sie müssen sich nicht darum bemühen, die Wirkung ihrer Heilmethoden wissenschaftlich oder empirisch nachzuweisen. Ihre Devise lautet: Wer heilt, hat recht. Doch heilen Heiler wirklich?
Dilemma der Heiler
Hier offenbart sich das Dilemma, denn Heiler können keine objektivierbaren Erfolge ihrer Behandlungen nachweisen. Schliesslich heilt der Körper die allermeisten Krankheiten ohne äussere Einflüsse, also völlig autonom. Das hat mit dem Immunsystem und den Selbstheilungskräften zu tun. Unser Körper ist ein Wunderwerk, der ein riesiges Arsenal zur Verfügung hat, Krankheiten abzuwehren und den Körper notfalls zu heilen.
Nehmen wir ein Beispiel mit folgenden Annahmen: Ein kleines Mädchen hat schmerzhafte Hautausschläge an beiden Armen. Der Arzt verschreibt ihr eine Kortisonsalbe. Die esoterisch angehauchte Mutter weigert sich aber, dieses «Pharmagift» ihrem Kind einzureiben. Also sucht sie einen Heiler auf.
Dieser legt die Hand auf und gibt dem Mädchen eine Salbe, die aus Heilkräutern hergestellt wurde. Die Hautausschläge verheilen aber nicht. Also wechselt die Mutter den Heiler, der mit seinem angeblichen Röntgenblick die Ursache ergründen will. Denn er ist wie viele Heiler und Esoteriker überzeugt, dass der Hautausschlag lediglich ein Hinweis auf eine spirituelle oder psychosomatische Belastung ist.
Schliesslich diagnostiziert er den Krankheitsherd in der Leber, die übersäuert sei. Nun leitet er der vermeintlich überlasteten Leber mit seinen Händen Heilenergien zu, empfiehlt eine Ernährungsumstellung und gibt dem Mädchen eine basische Tinktur mit. Auch diese Behandlung bringt nicht den erwünschten Erfolg, weshalb die Mutter das Glück bei einer Heilerin versucht, die ihr ihre Freundin empfohlen hat.
Die Odyssee geht über mehrere Stationen, der Hautausschlag des Mädchens scheint die Heilungsversuche aber nicht zu beeindrucken. Die besorgte Mutter sitzt auf mehreren Rechnungen und muss die Übung aus finanziellen Gründen abbrechen.
Nach drei Wochen stellt die Mutter fest, dass ihre Tochter beim Frühstück nicht mehr an den Armen kratzt. Überrascht konstatiert sie, dass die roten Flecken deutlich kleiner geworden sind. Nach ein paar Tagen hat sich die Haut der Tochter weitgehend erholt.
Sie ist nun überzeugt, dass die Methode des letzten Heilers das Wunder bewirkt hat. Dass in Wahrheit höchstwahrscheinlich der Körper des Mädchens der «Heiler» war, kommt ihr nicht in den Sinn. Diese Variante würde ihre esoterische Überzeugung ins Wanken bringen.
Selbsteinschätzung der Heiler
Wie sich Heiler selbst einschätzen und der Öffentlichkeit präsentieren, zeigen drei Beispiele.
Der Heiler und Hellseher Sananda, mit bürgerlichem Namen Oliver Michael Brecht, beschreibt sich so:
Wobei ich mich nun nicht als klassisches Medium sehen würde, da ich nicht ‹übernommen› werden kann, ich bekomme ‹Inputs› und ‹Visionen›, und habe einen direkten Zugang zur Akasha, zu allem Wissen! Die meisten nennen mich einen Heiler, einen Geistheiler, andere einen modernen Exorzisten, einen Hellseher, manche einen Seelenflüsterer.»
Japanische Heilmethode
Die CosmoAcademy – Schule für ganzheitliches Heilen der Japanerin Mamiko Taguchi in der Gemeinde Dorf im Kanton Zürich, beschreibt ihre Heilmethode so:
Der Kurs C2 widmet sich dem Thema der unsichtbaren Welt. Im Wesentlichen werden hier Ihre medialen Fähigkeiten durch verschiedene Übungen wie Aktivierung des dritten Auges und der Kundalini-Kraft, die am unteren Ende der Wirbelsäule wohnt und durch bestimmte Übung aktiviert wird und sich durch eine transformierte Form mit den kosmischen und spirituellen Kräfte zu verbinden kann.»
Das Medium Sahra alias Bernadette Niederberger stellt ihre Heilkräfte so dar:
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.
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