Wäre die katholische Kirche ein Staat in einer westlichen Demokratie, würden die Wählerinnen und Wähler sie an der Urne abstrafen und im Parlament auf die Oppositionsbänke verbannen.
Wäre der Papst ein CEO in einem börsenkotierten Unternehmen, hätten ihn der Verwaltungsrat oder die Aktionäre mit einem goldenen Fallschirm über der Wüste aus dem Flugzeug gestossen.
Da die katholische Kirche hierarchisch strukturiert ist und von einem allmächtigen, in Lehrfragen unfehlbaren Führer gelenkt wird, sind die Gläubigen die Arbeitsbienen, die fleissig Honig sammeln müssen, in wichtigen Fragen aber kein Stimmrecht haben.
Deshalb stellt sich die Frage: Was ist die katholische Kirche im Kern? Eine patriarchale Autokratie? Eine freundliche, aber frauenfeindliche Diktatur?
Viele Katholiken werden aufbegehren und sagen: Franziskus ist doch ein so warmherziger, bescheidener und nahbarer Papst, der sich für die Armen und Geknechteten einsetzt! Er setzt sich für die Frauen ein und hat ein Herz für Kinder. Doch er stösst halt oft auf den Widerstand der Kardinäle im Vatikan.
Doch ist er tatsächlich so tolerant und reformfreudig, wie er sich selbst darstellt oder sieht?
Das Pontifikat von Papst Franziskus neigt sich dem Ende zu. Seine Altersschwäche ist offensichtlich. Seit elf Jahren führt er die katholische Kirche. Es ist also an der Zeit, Bilanz zu ziehen.
Hinterfragt man seine hehren Worte und vollmundigen Ankündigungen, kommt ein beinharter Kirchenpolitiker zum Vorschein, der den Gläubigen während seiner ganzen Amtszeit Sand in die Augen gestreut hat.
Konnte man zu Beginn noch annehmen, Franziskus habe Mühe, sich im Vatikan durchzusetzen, zeigte sich immer mehr: Der Papst war nicht gewillt, die Kirche zu reformieren und die antiquierten Dogmen anzupassen.
Drei Ereignisse aus jüngster Zeit dokumentieren seine konservative Haltung.
Der Papst hat beim Angelus-Gebet vom 6. Oktober angekündigt, dass er am 8. Dezember 21. neue Kardinäle inthronisieren wird. Das überrascht in zweierlei Hinsicht. Einerseits steigt damit die Zahl der Wahlberechtigten Herren in Purpur auf 140 an. (Es dürfen nur die Kardinäle abstimmen, die weniger als 80 Jahre alt sind.) Laut Kirchenrecht ist die Zahl aber auf 120 beschränkt.
Weshalb also das Ränkespiel? Schaut man die Länder an, aus denen die neuen Kardinäle stammen, werden die Absichten des Papstes offensichtlich: Die Neuen sollen sicherstellen, dass nach seinem Tod oder seiner Demission wieder ein konservativer Kardinal Papst wird, der die reine katholische Lehre festigt. Frei nach dem Motto: an der Männerwelt soll nicht gerüttelt werden, Frauen bleiben in der dienenden Rolle. Basta.
Konkret: Keiner der Neuen stammt aus Europa. Die meisten kommen aus Südamerika, wie Franziskus: Aus Argentinien, Brasilien, Chile, Ecuador und Peru. Weitere kommen aus Indonesien, Japan, Iran und Algerien. Aus Ländern also, in denen die katholische Kirche auch heute noch sehr konservativ unterwegs ist.
Die Wahl der neuen Kardinäle entpuppt sich als Vermächtnis von Papst Franziskus. Er will sicherstellen, dass seine Politik ihn überlebt.
Franziskus hat vor einiger Zeit die Weltsynode einberufen, um die Bedürfnisse der Gläubigen auszuloten und allenfalls ihre Anregungen umzusetzen. Dabei wurde die Mitbestimmung grossgeschrieben, denn erstmals durften auch Frauen daran teilnehmen.
Sie hofften, die Stellung der Frau in der Kirche verbessern zu können. Doch nun zeigt sich, dass die Synode weitgehend eine Alibiübung ist. Noch mehr: In wichtigen Fragen trat Papst Franziskus im Stil eines Alleinherrschers auf, der mit eiserner Hand regiert.
Als er realisierte, dass da eine Reformlawine auf ihn zurollte, liess er kurzerhand die wichtigsten Reformpunkte auslagern, die nun in zehn internen Arbeitsgruppen diskutiert werden und der Synodalversammlung entzogen wurden.
Ein Beispiel: Die Rolle der Frau in der Kirche wird nun von einer Arbeitsgruppe behandelt. Es geht dabei auch um die Frage, ob Frauen offiziell für den Diakonatsdienst zugelassen werden.
Nun wurde den Synodalen vorzeitig verkündet, dass die Frauenanliegen bereits abgelehnt worden seien. Natürlich mit dem Segen des Papstes. Man wäre nicht überrascht, wenn er den Auftrag dazu gegeben hätte.
Gegen die drei hohen Schweizer Würdenträger Bischof Charles Morerod, Bischof Jean-Marie Lovey und Abt Jean Scarcella laufen Untersuchungen bezüglich mutmasslicher sexueller Übergriffe. In diesen Tagen teilten die zuständigen Ämter im Vatikan der Schweizer Bischofskonferenz mit, es gebe kein Fehlverhalten der drei Würdenträger, die die Eröffnung eines Strafverfahrens erfordern würden.
Die Schweizer Bischofskonferenz hält den Entscheid unter Verschluss. Sie liess lediglich verlauten, es seien Fehler, Versäumnisse und Unterlassungen festgestellt worden.
Diese Botschaft aus dem Vatikan ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Wie in einer Bananenrepublik bestimmt die Regierung, was juristisch richtig und falsch ist. Hätten der Papst und sein Stab mehr Demut und Gerechtigkeitssinn, liessen sie weltliche Gerichte die Vergehen untersuchen und die Entscheide zu fällen.
Im letzten Kapitel seiner Amtszeit lässt Papst Franziskus seine Maske fallen. Zum Vorschein kommt das Gesicht eines Hardliners und Fundis, der die „reine Lehre“ und die autoritäre Männerwelt für die nächsten Generationen zementieren will.