Die katholische Kirche wird mit unschöner Regelmässigkeit von Skandalen erschüttert. Man fragt sich mittlerweile nicht mehr, ob noch etwas kommt, sondern wann. Und ob es noch schlimmer werden kann.
Es kann. Die jüngsten Skandalgeschichten zeigen es. Und wieder geht es um Kinder. Diesmal wurden sie nicht sexuell geschändet, sondern zu Tode gepeinigt. Man darf vermutlich von mutwilliger Tötung ausgehen, in einzelnen Fällen vielleicht sogar von Mord.
Die Vorfälle ereigneten sich vorwiegend in Klöstern und katholischen Erziehungsheimen in Kanada und den USA. Dort wurden unzählige Gräber mit Kinderleichen entdeckt. Allein in Kanada sind in diesem Jahr mehr als 1000 Gebeine von jungen Indigenen gefunden worden.
In diesen Tagen waren es auf dem Gelände der katholischen Marieval Indian Residental School 750 Kinderleichen. Laut Schätzungen der Historiker überlebten rund 6000 indigene Kinder die barbarischen Umerziehungsmethoden nicht, wie der Tages-Anzeiger berichtete.
Es werden noch viele Kindergräber entdeckt werden, sagte der Schweizer Historiker Manuel Menrath, der seit Jahren Recherchen zu diesem traurigen Kapitel der katholischen Kirche betreibt.
Das Ausmass ist bedrückend. In Kanada wurden rund 150‘000 indigene Kinder umerzogen. Zur Mehrheit von eingewanderten Missionaren aus Europa. Unter ihnen viele Nonnen und Mönche.
Ihr Motto: «Tötet den Indianer, aber rettet den Menschen.» Übersetzt heisst dies: dem Satan Heiden entreissen und ihre Seelen in Gottes Obhut geben.
Diese Missionsmethode wurde auch in den USA angewandt, um die indigene Bevölkerung zu bekehren. Man kann ausserdem davon ausgehen, dass die vielen katholischen Missionsstationen in Zentralafrika bei ihren Umerziehungsmethoden ähnlich vorgegangen sind.
Bedenklich ist auch, dass diese Missionspraktiken in den katholischen Umerziehungsschulen 150 Jahre lang und bis Mitte der 1990er Jahre praktiziert wurden, ohne dass Justiz, Politiker und Erziehungsbehörden eingegriffen hätten. Niemand wollte sich gegen die mächtige katholische Kirche auflehnen. Die Klöster nutzten den Schonraum gnadenlos aus.
Man muss es sich plastisch vorstellen. Da leiden und sterben Tausende von Kindern, doch niemand scheint sich zu fragen, was hinter den Klostermauern passiert. Weder Polizei noch Staatsanwaltschaft interessierten sich für die Todesursachen, die von Amtes wegen hätten untersucht werden müssen.
Doch nicht nur die Kinder, die bei den Missionsbestrebungen den Tod fanden, litten Qualen, sondern auch die Überlebenden. Viele wurden traumatisiert und brachten ihr Leben nicht auf die Reihe. Sie litten unter Depressionen oder rutschten in eine Sucht ab.
Mit von der missionarischen Horrorpartie waren auch zahlreiche Schweizer Ordensleute. An vorderster Front Benediktinermönche der Klöster Einsiedeln und Engelberg, wie Manuel Menrath in seinem Buch «Unter dem Nordlicht» schreibt.
Die Mönche wollten den indigenen Kindern das Fegefeuer nach dem Tod ersparen, schickten sie aber in die Hölle auf Erden. Im Namen Gottes nahmen sie in Kauf, dass viele die Umerziehung nicht überlebten.
Doch nicht nur im fernen Kanada quälten katholische Geistliche Kinder im Namen Gottes, auch in Irland wurden sterbliche Überreste von 800 Kleinkindern bei einem katholischen Erziehungsheim gefunden, das von Nonnen geführt worden war.
Die Ordensleute haben mit ihren Misshandlungen von Kindern die grundlegenden Prinzipien des eigenen Glaubens verraten: Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Sie sahen in den «Heidenkindern» animalische Wesen, die es mit allen Mitteln zu domestizieren und für das Christentum zu retten galt.
Man muss es sich konkret vorstellen: Die Mönche und Nonnen hörten die Schreie der Kinder, sahen das Entsetzen in ihren Gesichtern und Augen, erlebten die Todesangst der unschuldigen kleinen Wesen. Doch sie waren unfähig, Mitleid zu entwickeln und die grundlose Folter zu stoppen.
Der Glaube hat aus gottesfürchtigen Mönchen und Nonnen Unmenschen gemacht. Wir kennen es von Sekten: Wer sein ganzes Leben einer Religion oder einem Gott widmet, läuft Gefahr, sich zu radikalisieren und zu fanatisieren.