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Was den Papst und den Churer Bischof Bonnemain verbindet

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Im Gleichschritt zurück in die Vergangenheit: Was den Papst und den Bischof verbindet

Papst Franziskus und der Churer Bischof Joseph Bonnemain sind Brüder im Geiste. Sie geben sich fortschrittlich, sind aber erzkonservativ.
15.04.2023, 07:5417.04.2023, 05:43
Hugo Stamm
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Vergleicht man das Wirken von Papst Franziskus mit demjenigen des Schweizer Bischofs Joseph Bonnemain, entdeckt man erstaunliche Parallelen. Beiden ist das Wohl der Gläubigen wichtig, und sie erwecken den Anschein, fortschrittliche Theologen zu sein.

Bischof Bonnemain und Papst Franziskus
Brüder im Geiste: der Churer Bischof Joseph Bonnemain und Papst Franziskus. Bild: keystone/shutterstock/watson

Misst man sie aber an ihren Entscheiden und Taten, entpuppen sie sich oft als Zauderer. Also Brüder im Geiste und geschickte Bewahrer der reinen katholischen Lehre, die oft Reformen ankündigen, um sich schliesslich im Reduit zu verstecken.

Bescheiden, nahbar, solidarisch

Die beiden Würdenträger zeigen uns gern ihre menschliche Seite. Auch darin sind sie Meister. Auf dem öffentlichen Parkett wirken sie durchaus sympathisch. Als bescheidene Würdenträger, die den Pomp ablehnen und das Herz auf dem rechten Fleck haben, wie der Volksmund sagt. Sie gelten als nahbar, einfühlsam und solidarisieren sich gern mit den Armen und Geknechteten. Man darf ihnen ihre soziale Gesinnung zugutehalten.

Mit Verlaub, Herr Bonnemain: Wie nahm sich Gott den ukrainischen Kleinkindern an, die im Spital von einer russischen Bombe tödlich getroffen wurden?

Doch mit einem Bekenntnis zur Nächstenliebe und Barmherzigkeit lässt sich die Welt nicht verändern. Die verkrustete katholische Kirche erst recht nicht. Da bräuchte es den kompromisslosen und mutigen Einsatz ihrer religiösen Macht. Zieht man aber Bilanz ihres Wirkens, sieht es düster aus.

Oft angekündigte Reformen an der christlichen Lehre schrumpfen rasch zu Reförmchen. Franziskus und Bonnemain verstehen es aber gut, ihr Zögern und Zaudern wortreich schönzureden.

Predigt zum Amtsantritt von Bischof Joseph Maria Bonnemain in Chur.Video: YouTube/Katholisches Medienzentrum

Die Kunst des Abwiegelns demonstrierte der Churer Bischof am vergangenen Samstag in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger». Auf den Ukrainekrieg angesprochen, sagt Bonnemain, gerade in schwierigen Zeiten sei die Osterbotschaft aktueller denn je.

Wörtlich: «Die einzige Lösung für alle schrecklichen Situationen ist die Liebe Gottes. Dass Gott uns annimmt, unterstützt, begleitet. Bei allem Schrecklichen, das passiert auf der Welt, wird sich die Liebe durchsetzen.»

Mit Verlaub, Herr Bonnemain: Wie nahm sich Gott den ukrainischen Kleinkindern an, die im Spital von einer russischen Bombe tödlich getroffen wurden? Wie hilft er Frauen mit ihren kleinen Kindern, wenn ihr Vater im Gefecht gefallen ist? Wie steht er Frauen im Iran bei, die hingerichtet werden, weil sie kein Kopftuch tragen?

Da, wo Gott wirklich gebraucht würde, glänzt er durch Abwesenheit. Deshalb sind salbungsvolle Sätze von der Liebe Gottes reine Worthülsen, die bei Gläubigen bestenfalls einen Placeboeffekt bewirken.

Auch bei der Frage des Zölibats wirken Bischof Bonnemain und Papst Franziskus wie Brüder im Geiste. Sie geben sich reformfreudig, doch wenn es konkret wird, wiegeln sie mit ähnlichen Argumenten ab.

«Es braucht nicht unbedingt das Zölibat»

Dazu Bonnemain: «Es braucht nicht unbedingt das Zölibat. Es ist kein Dogma in der katholischen Kirche. Vor drei Wochen hat der Papst gesagt, er könne sich vorstellen, dass es auch verheiratete Priester in der Kirche gebe. Wie zum Beispiel in der Ostkirche.»

Doch wenn sie diese Vorstellung umsetzen oder das Zölibat auch nur ein wenig aufzuweichen sollten, gehen die beiden Herren in Deckung. Sie fürchten den Shitstorm der Fundis, die die Kurie fest in der Hand haben.

Bonnemain geriete zusätzlich ins Kreuzfeuer seiner Mitbrüder des Ordens Opus Dei, der mit den Selbstkasteiungen und der Geheimhaltung sektenhafte Züge trägt.

Auf den Einwand der Interviewer, er habe sich doch immer gegen die Aufweichung des Zölibats gestellt, antwortet der Bischof: «Ich wehre mich dagegen, dass man das Zölibat infrage stellt, weil man es als Unterdrückung der Sexualität sieht.»

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«Wer Priester werden will, muss bereit sein, zölibatär und keusch zu leben.»

Und zur Frage, wie man die Sexualität im Zölibat verwirkliche, erklärt Bonnemain kryptisch: «Indem man noch offener für viele Menschen da ist.» Als Beispiel führt er Mutter Teresa an, die ihre Sexualität durchaus verwirklicht habe. Zwar nicht im Geschlechtsverkehr, aber in der Bereitschaft, den Armen Wärme und Zärtlichkeit zu schenken.

«Ist Sexualität nur Geschlechtsverkehr?“, fragt Bonnemain schliesslich. Das Geheimnis der Sexualität bestehe in der Intimität zwischen zwei Personen, die zuerst für das Wohl des anderen Sorge trage. „Das ist die reife Sexualität im Menschen – nicht das Losgehen der eigenen Triebe.»

Schliesslich lässt Bonnemain die Katze aus dem Sack: „Wer Priester werden will, muss bereit sein, zölibatär und keusch zu leben.“ Punkt! Diese glasklare Aussage zeigt: Aufweichung des Zölibats? Ohne mich.

Bonnemain versucht, die Sexualität als spirituelle Energie zu interpretieren und die zwanghafte Unterdrückung der Libido zu verbrämen. Eine ähnliche Haltung nimmt auch Papst Franziskus ein.

Was ist mit den sexuellen Übergriffen von Priestern?

Im Umkehrschluss heisst das: Wie armselig sind doch Menschen, für die Sexualität die Befriedigung niedriger Bedürfnisse und Triebe ist. Nur: Was ist mit all den sexuellen Übergriffen von Priestern? Was ist mit den vielen homosexuellen Pfarrern, die den Beruf des Geistlichen gewählt haben, um sich in der klerikalen Männerwelt bewegen zu können?

Fazit: Wo Kirche draufsteht, steckt nicht selten die salbungsvolle Sonntagspredigt und die Doppelmoral drin.

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Bild: zvg
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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600 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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SKYEyes
15.04.2023 09:13registriert November 2022
"Als Beispiel führt er Mutter Teresa an, die ihre Sexualität durchaus verwirklicht habe. Zwar nicht im Geschlechtsverkehr, aber in der Bereitschaft, den Armen Wärme und Zärtlichkeit zu schenken."

Wärme und Zärtlichkeit schenke ich auch meinen Kindern und empfinde dabei null sexuelle Energie. Komplett unangebracht und realitätsfremd, wie Bonnemain Mutter Teresas Engagement mit Sexualität in Verbindung bringt.
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Janster
15.04.2023 08:43registriert März 2021
Es gibt Gründe warum ich vor vielen Jahren aus diesem Verein ausgetreten bin. Ein paar davon sind im Artikel enthalten. Der bringt es auf den Punkt. Reformen und katholische Kirche - das passt nicht zusammen.
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Michael Bamberger
15.04.2023 09:14registriert Februar 2016
Beide im Artikel beschriebenen Figuren bewegen sich in ähnlicher Weise scheinheilig auf den Teppichetagen einer weltweiten, feudalen Verbrecherorganisation. Die sukzessive - nur durch äusseren Druck zustande gekommene - Aufdeckung des weltweiten klerikalen Kindsmissbrauchs und dessen Ausmass, hat die perfiden systemischen Verbrechen, Lügen, Vertuschungen, Aktenvernichtungen, u.s.w., quer durch die Hierarchien, schonungslos offengelegt. Was da in Zukunft noch alles zu Tage kommen wird, kann man sich, anhand der bisher bekannten Fakten, leibhaft vorstellen.
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Hört bitte auf, so leichtfertig von «Depressionen» zu sprechen!
Hurra, hurra, der November ist da! Die Zeit, in der Depressionen Hochkonjunktur haben. Das schreibe ich extra so flapsig. Denn die locker-flockige Verwendung des Begriffs zeigt, dass unsere Gesellschaft die Depression noch immer nicht als «echte» Krankheit wahrnimmt.

Eins vorweg: Laut Expertinnen gibt es sie tatsächlich, die Winterdepression. Offiziell heisst sie «saisonal bedingte Depression» und tritt wiederholt zum immer gleichen Zeitpunkt auf. Allerdings ist sie erstens eher selten und zweitens meist in einem geringen Schweregrad.

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