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Die Zeugen Jehova blitzen wegen des Blutgebots vor dem Gerichtshof ab

stefan-zeitz.de, 24.03.2017, Berlin, Deutschland, GER, Zeugen Jehovas, Kurfürstendamm

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Zeugen Jehovas am Kurfürstendamm in Berlin.Bild: imago stock&people
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Die Zeugen Jehovas blitzen wegen des Blutgebots vor dem Gerichtshof ab

Nachdem ein Arzt einem Zeugen Jehovas in einem Notfall Fremdblut verabreicht hatte, klagte seine Frau vergeblich beim Europäischen Gerichtshof.
23.11.2024, 08:0023.11.2024, 13:38
Hugo Stamm
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Viele Menschen fühlen sich in den letzten Monaten förmlich erschlagen von der Flut negativer Schlagzeilen. Das Stakkato von bad news aus aller Welt schlägt ihnen aufs Gemüt. Der tägliche Wahnsinn – Krieg in der Ukraine, im Nahen Osten, Wahlkampf in den USA mit dem Sieg des Rambos Donald Trump – schickt sie auf eine emotionale Achterbahn.

Dieser Ausnahmezustand ist an der Sektenfront Normalzustand. Die problematischen Gruppen und Bewegungen generieren fast ausschliesslich unrühmliche Schlagzeilen. Es geht um Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe, mentale Manipulation, Repression, Unterwürfigkeit, Entmenschlichung, gefährliche Rituale usw.

Grosse psychische Belastung

Manche Experten sprechen in diesem Zusammenhang von ekklesiogenen Neurosen. Doch dieser Begriff ist eine Verharmlosung. Bei vielen Sektenopfern sind Begriffe wie Depression, Schizophrenie, multiple Persönlichkeit oder Dissoziation zutreffender.

Doch für einmal gibt es aus dem Reich der Sekten eine gute Nachricht. Sie betrifft erstaunlicherweise die Zeugen Jehovas (ZJ), eine der weltweit grössten christlichen Freikirchen mit deutlich sektenhaften Zügen. Hat sie sich gemässigt? Ihre radikalen christlich-fundamentalistischen Dogmen aufgeweicht? Die sexuellen Übergriffe in ihren Reihen aufgearbeitet und offengelegt? Den Kontaktabbruch mit Abtrünnigen als Irrlehre deklariert?

Leider nein. Die gute Nachricht kommt vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Er hat einen dänischen Arzt freigesprochen, der einem verunfallten Zeugen Jehovas trotz gegenteiliger Patientenverfügung eine Bluttransfusion verabreichte.

Ein Betroffener erklärt, weshalb das Blutgebot aus biblischer Sicht nicht haltbar ist.Video: YouTube/Beröer Studium

Zeugen Jehovas lehnen Bluttransfusionen ab

Dazu muss man wissen, dass die ZJ Bluttransfusionen grundsätzlich ablehnen. So verlangen es die Kirchenfürsten. In ihrem Fanatismus machen sie die unsinnige Blutfrage zu einem existentiellen Dogma, das den Gläubigen eingebläut wird. Die Indoktrination geht so weit, dass sie lieber sterben, als sich Fremdblut geben zu lassen.

Das dänische Gericht entschied, dass ein Patient bei einer Lebensgefahr kurz vor einem Eingriff seinen Willen bestätigen müsse, kein Fremdblut zu akzeptieren. Unabhängig von einer entsprechenden Patientenverfügung.

Muss sich ein Glaubensbruder oder eine -schwester einer Operation unterziehen, tritt ein Krankenhauskomitee der ZJ auf den Plan und überwacht, dass die Ärzte dem Patienten in einem Notfall kein Blut verabreichen.

Die ZJ leiten das Verbot der Bluttransfusion von der Bibel ab. Das Blut ist für sie heilig. Durch die Vermischung werde die Identität tangiert, eben vermischt, glauben sie. Das führe allenfalls dazu, dass Gott die betroffenen Gläubigen am jüngsten Tag nicht mehr richtig zuordnen könne.

Zeugen Jehovas im Letzigrund Stadion
Kongress der Zeugen Jehovas im Letzigrund in Zürich.Bild: watson

Zurück zum verunfallten Zeugen Jehovas. Der 67-jäh­ri­ge Däne fiel vor Jahren vom Dach und er­litt in­ne­re Blu­tun­gen, wie dänische Medien berichteten. Er verfügte über eine zwei Jahre alte Patientenverfügung, die den Ärzten verbot, eine Bluttransfusion vorzunehmen. Der Blutverlust war so gross, dass der Arzt dem Patienten Blutersatz verabreichte, was die ZJ erlauben.

Patient konnte nicht befragt werden

Doch das reichte nicht, der Hämoglobinwert sackte so tief ab, dass akute Lebensgefahr bestand. Da der Patient im Koma lag, konnte ihn der Arzt nicht fragen, ob er immer noch am Blutgebot festhalte und gab ihm Fremdblut.

Aus Sicht der ZJ eine Katastrophe. Die Strafe Gottes folgte aus ihrer Perspektive auf dem Fuss. Der Verunfallte erwachte nicht mehr aus dem Koma und starb einen Monat später. Er läuft nun möglicherweise Gefahr, des Paradieses verwirkt zu haben. Anders ausgedrückt: Gott lässt ihn fallen. Solch fatale Konsequenzen können abstruse Interpretationen der Bibel mit sich bringen.

Doch die Geschichte ist noch nicht fertig. Da die ZJ ihr Blutgebot durch alle Böden verteidigen, führte die Frau des Verstorbenen eine Beschwerde gegen das Spital wegen Missachtung des Patientenwillens. Vergeblich. Nun reichte sie eine Klage gegen die dä­ni­sche Pa­ti­en­ten­si­cher­heits­be­hör­de ein.

Katastrophe für die Zeugen Jehovas

Zum Schluss des juristischen Marathons entschied das oberste dänische Gericht, dass ein Patient bei einer Lebensgefahr kurz vor einem Eingriff seinen Willen bestätigen müsse, kein Fremdblut zu akzeptieren. Unabhängig von einer entsprechenden Patientenverfügung.

Für die Zeugen eine Katastrophe, hatten doch die Gerichte ihr Blutgebot bisher in vielen Fällen geschützt. Also zog die Frau vor den EGMR. Doch auch in Strassburg erlitten sie und die ganze Glaubensgemeinschaft eine Abfuhr. Die Richter stützten die Haltung des Arztes und des Spitals, dass ein Patient seinen Willen kurz vor der Behandlung bestätigen müsse.

Das ist eine schlechte Nachricht für die Bosse der ZJ, aber eine gute für die Gläubigen, auch wenn sie es nicht erkennen können. In Zukunft könnte der Entscheid des EGMR dazu führen, dass das Leben von verunfallten Gläubigen gerettet werden kann.

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Hugo Stamm, Sektenblog
Bild: zvg
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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741 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Campino
23.11.2024 09:07registriert Februar 2015
Ehrlich gesagt mir sind diese ZJ so egal.
Ich arbeite in der Pflege (IPS/Notfall).
Wenn der Arzt sagt: "Wiederbelebung, Bluttransfusion", der Pat. nicht ansprechbar ist ich würde keine Sekunde zögern.
Da bei den meisten Unfällen keine Patientenverfügung auf der Brust klebt.
Oft sind es auch jüngere Menschen die sich den Eltern, dieser Sekte unterwerfen müssen.
In der Pflege gibt es immer solche Diskussionen mit den Religionen!
Da wehre ich mich immer wieder!
Aber das was die ZJ wollen ist in meinen Augen vorsätzlicher Suizid!
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Andi...
23.11.2024 09:39registriert Oktober 2023
"... dass Gott die betroffenen Gläubigen am jüngsten Tag nicht mehr richtig zuordnen könne."

Ohoh! Der sog. Allmächtige kann die toten Menschen nicht mehr den ehemals lebenden Menschen zuordnen? Da gibt es aber einen Designfehler beim Allmächtigen. Die Spezifikation müsste sein: "Egal was mit einem Menschen passiert, der Allmächtige erkennt jeden Menschen zu jeder Zeit."
Wie er das macht wäre dann z.B. über das Auslesen der Seele und nicht dem Degustieren des Blutes. Weil das Blut trinken doch schon die dem Okkultismus fröhnenden "Satanisten".

Religion hat einfach zu viele Bugs! 🤭
1993
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benn
23.11.2024 09:12registriert September 2019
wie kann man aufgeklärt und bei gesundem meschenverstand überhaupt irgend einer religion folgen, ich kann das einfach nicht verstehen, warum tun sich menschen so einen schwachsinn an?
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