Der Siegeszug von Meditation und Yoga durch die westliche Welt ist einzigartig. Die beiden fernöstlichen Disziplinen elektrisieren bei uns ein breites Publikum, vor allem spirituelle Sucher.
Es sind denn auch primär Gurus und spirituelle Meister aus dem asiatischen Raum, die den Lifestyle-Trend zu uns brachten. Wer beim Smalltalk an einer urbanen Party verrät, dass er noch nie im Lotussitz vor einer Buddha-Statue meditierte oder Yoga-Übungen praktizierte, wird als Exot betrachtet oder mitleidig belächelt.
Meditationsschulen nutzen gern den vielbeschworenen Stress, um für ihre Kurse zu werben. Mit Erfolg. Yoga und Meditation gelten inzwischen als äusserst effiziente und sanfte «Therapien», um die innere Ruhe zu finden und zu sich selbst zu kommen, was immer das bedeuten mag.
So sitzen heute Zehntausende Meditierende – grossmehrheitlich Frauen – in der Schweiz auf ihren Yogamatten oder Meditationskissen und horchen bis in die hintersten Ecken ihres Körpers und Geistes und hoffen, die grosse Glückseligkeit oder die Erleuchtung zu finden.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Yoga und Meditation sind durchaus nützliche Disziplinen für Körper und Geist. Doch das ganze spirituelle und übersinnliche Drumherum lässt sie nur allzu oft zum pseudoreligiösen Lifestyle verkommen. Und tötet exakt jene Achtsamkeit ab, die sie anstreben.
Kommt hinzu, dass bei den Kursen oft esoterische Ideen transportiert werden, die manche Teilnehmerinnen in eine rosarote Parallelwelt abdriften lässt, in der Feen und Kobolde zum Inventar gehören.
Wenn sich Erwachsene der Meditation oder dem Yoga verschreiben, ist das ihre Entscheidung. Vertrauen sie sich einer Lehrerin an, die sich nicht in den spirituellen Sphären verrannt hat, kann das durchaus sinnvoll sein. Doch solche Anbieterinnen gehören zu einer Minderheit.
Fragwürdig wird es aber definitiv, wenn schon Kinder im Lotussitz die angeblichen übersinnlichen Energien mit ihren Händen auffangen sollen. Der Trend dazu ist jedenfalls beträchtlich.
Tatsächlich empfehlen immer mehr Ärzte, Kinderpsychologen und Pädagogen, gestresste Kinder meditieren zu lassen – auch in der Schule. Und Meditationszentren bieten schon seit geraumer Zeit Kurse für Kinder an.
Die verschiedenen Kadampa-Meditationszentren haben zum Beispiel schon mehrere hundert Kinder in die Meditationstechnik eingeführt, wie die «Sonntagszeitung» kürzlich schrieb. In ihren Meditationsräumen thronen über ein Dutzend goldene Buddha-Figuren.
Die Kinder haben die reich geschmückten Statuen beim Meditieren stets im Blickfeld. Das dokumentiert schon mal den spirituellen Hintergrund der Zentren.
Auf der Homepage der Kadampa-Zentren heisst es, wir hätten zwar grosse technische Fortschritte erreicht, doch es habe «keine entsprechende Zunahme an menschlichem Glück» gegeben. Deshalb empfehlen die Meditationslehrer:
Über die Meditationslehrerin für Kinder im Zürcher Zentrum heisst es: «Mit ihrer herzlichen und gemütvollen Ausstrahlung ist sie ein lebendiges Beispiel dafür, wie wir Buddhismus im täglichen Leben umsetzen können.» Es geht also nicht nur um Meditation, sondern auch um eine spirituelle Lehre.
Die Meditation ist auch in pädagogischen Kreisen hoch im Kurs. Die Pädagogische Hochschule Luzern bietet für Lehrerinnen und Lehrer eine Weiterbildung für achtsames Unterrichten an. Dabei geht es um bewusste Wahrnehmung des Atems, der Körperempfindungen und Emotionen.
Das Schlüsselwort ist Achtsamkeit. Ein Begriff, der inflationär durch unsere Alltagssprache geistert und von Meditationsanbietern eingesetzt wird, um Klientinnen anwerben. Der Lifestyle-Trend zeigt, dass wir längst in die Esoterikfalle getappt sind.
Bereits 400 Lehrerinnen und Lehrer absolvierten diesen Achtsamkeitskurs. Und tragen ihre Erkenntnisse wohl bei ihren Meditationsübungen eins zu eins in ihre Schulen. Im Kanton Zürich gibt es sogar Schulgemeinden, die Yoga-Weiterbildung für Lehrpersonen in den Schulen durchführen, wie die «Sonntagszeitung» schrieb.
An Argumenten zur Implementierung solcher Kurse in den Schulen fehlt es ihnen nicht, denn es ist offensichtlich, dass Reizüberflutung und Leistungsdruck Kinder stresst.
Doch sind Meditation und Yoga für Kinder sinnvoll? Zweifel sind angebracht. Ist es kindgerecht, wenn schon kleine Mädchen und Knaben über längere Zeit ruhig sitzen und sich auf den Atem konzentrieren müssen? Wäre es nicht besser, sie in die Natur zu schicken, damit sie sich austoben können?
Das würde wohl mehr Stress abbauen und wäre für Körper und Geist wichtiger. Und wer sie zur Ruhe kommen lassen will, soll ihnen Farbstifte in die Hände drücken, sie vor ein Puzzle setzen oder ihnen Legoklötze geben.
Eltern und Lehrer sollten sich fragen, weshalb ihre Kinder gestresst sind. Neben der Schule und den Hausaufgaben fahren die Eltern ihre Kinder zum Schwimmunterricht, in die Gitarrenstunde, ins Fussballtraining usw. Da wäre eine gemütliche Stunde zu Hause die bessere «Meditation» als ein Kurs im Stillsitzen.
Bei der Diskussion um den Sinn von Kinderyoga geht aber der wichtigste Aspekt vergessen. Kinder kommen durch Meditationslehrer oft schon in jungen Jahren mit einer problematischen spirituellen und esoterischen Welt in Berührung. Sie werden zwangsläufig mit übersinnlichen Ideen gefüttert, die tiefe Spuren hinterlassen können.
Im Meditationsunterricht werden sie in einen geistigen und pseudoreligiösen Raum geführt, der zur Entfremdung von einem aufgeklärten Weltverständnis beitragen kann. Es besteht die Gefahr, dass sie mit dem esoterischen Virus infiziert werden und in eine geistige Parallelwelt abdriften, die zur pseudoreligiösen Falle werden kann.