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Was ist, wenn der Glaube an ein Leben nach dem Tod ein Wunderglaube ist?

19. Juli 2020: Dresden Sachsen, Literatur: Ein Maedchen liest das Buch Harry Potter und der Orden des Phoenix von Joanne K. Rowling. *** 19 July 2020 Dresden Saxony , Literature A girl reads the book  ...
Fantasy-Phänomene wie Harry Potter kultivieren den Glauben an Wunder.Bild: www.imago-images.de
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Der wundersame Glaube an ein Leben nach dem Tod – und was Harry Potter damit zu tun hat

Wir Menschen neigen zu einer Flucht in eine virtuelle Welt, um schwere Schicksalsschläge besser verkraften zu können.
20.02.2021, 07:2120.02.2021, 07:21

Die Angst vor Unfällen, Schicksalsschlägen und schweren Krankheiten begleitet uns ein Leben lang. Wie ein lästiger Schatten, der sich nicht abschütteln lässt. Zu oft haben wir erlebt, dass wir zerbrechlich sind und rasch aus der Bahn geworfen werden können. Denn wir wissen: Von einem Moment auf den anderen kann das Leben dramatisch auf den Kopf gestellt werden.

Nach solch einschneidenden Erlebnissen sehnen wir uns reflexartig nach einem Zauberstab oder einem Wunder. Wir möchten die Zeit zurückdrehen und das traumatische Ereignis ungeschehen machen. Das passiert auch nüchternen Charakteren, die eigentlich wissen, dass wir die Zeit nicht anhalten und die Schwerkraft nicht aushebeln können.

Der Glaube an Wunder sitzt tief in uns und ist vermutlich genetisch verankert. Unsere Urahnen, die weder medizinische noch technische Hilfsmittel hatten, um gewisse Schicksalsschläge abzufedern, kultivierten schon vor Jahrhunderten die Hoffnung auf Erlösung.

Der Wunderglaube von gläubigen Menschen:

Der Wunderglaube von gläubigen Menschen.Video: YouTube/Torsten Lachnitt

Und unsere Kinder werden mit Märchen gefüttert, in denen sich Wunder im Minutentakt ereignen. Die fantastischen Geschichten sollen helfen, den Kindern, die der Welt der Erwachsenen ausgeliefert sind, Mut und Hoffnung zu machen.

Harry Potter und die Sehnsucht nach einer Welt ohne Grenzen

Dieses Phänomen zieht sich heute bis ins Erwachsenenalter. Wir werden überschwemmt mit Fantasyfilmen und -büchern. Die Flucht in virtuelle Welten, in denen Wunder die Hauptmotive sind, ist für viele eine Lieblingsbeschäftigung. Nicht umsonst gehört Harry Potter zu den beliebtesten Popkultur-Phänomenen. Die Sehnsucht nach einer Welt, in der es keine Grenzen gibt, hört mit dem Ende der Kindheit nicht auf.

Auch der religiöse Glaube nährt diese Sehnsucht. In der Esoterik wird die Erleuchtung angestrebt, die zerbrechliche Menschen zu gottähnlichen Wesen machen soll. Geistheiler sind überzeugt, mit ihren Händen Krebstumore zum Schmelzen zu bringen. Patienten sind begreiflicherweise gern bereit, an die Wunderkräfte der modernen Medizinmänner und -frauen zu glauben.

Wie Menschen mit dem Tod umgehen:

Ausserdem schicken viele Zeitgenossen – auch solche, die nicht besonders esoterisch unterwegs sind – täglich Wünsche ans Universum und erhoffen sich von dem Ritual Wunder.

Der Glaube an Wunder wird schnell zum Aberglauben.

Auch bei den Weltreligionen begegnen wir permanent solchen Wundern. Gläubige sind überzeugt, dass die Hunderten von Göttern Wunderkräfte besitzen und diese zum Wohl der Menschen einsetzen. Bei schweren Krankheiten oder Kinderlosigkeit pilgern sie täglich in den Tempel und bringen Opfer dar, um ihren Lieblingsgott gewogen zu stimmen. Auf dass dieser eine Wunderheilung bewirke.

Die Enttäuschung frisst die Freude auf und zerstört viel Hoffnung und Lebensenergie.

Auch die Buchreligionen halten sich in Sachen Wunder nicht zurück. Propheten werden mehrere hundert Jahre alt, Jesus ging über das Wasser, vermehrte Fische, erweckte Tote zum Leben, flog in den Himmel usw. Auch Marias Himmelfahrt wird von den Katholiken jährlich gefeiert.

Hotspots für Wunder sind auch die vielen Wahlfahrtsorte. Unheilbar Kranke pilgern zu Hunderttausenden an die heiligen Orte und erhoffen sich eine wundersame Heilung. Doch es bleibt, abgesehen von Spontanheilungen im Promillebereich, immer bei der Hoffnung.

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Kultivierung des Wunderglaubens ist ein Missbrauch

Die Kultivierung des Wunderglaubens ist ein geistiger und geistlicher Missbrauch. Das Züchten von falschen Hoffnungen ist psychologisch problematisch. Das zeigt sich am Beispiel von angeblichen Wunderheilungen exemplarisch.

Konkret: Ein Krebspatient, der sich einem Wunderheiler anvertraut oder nach Lourdes pilgert, erlebt durch die grosse Hoffnung eine Ausschüttung von Adrenalin und Endorphin. Verbunden mit dem Ritual kann es zu euphorischen Zuständen führen.

Diese Energie und die Glücksmomente, werden als Beginn des Heilungsprozesses interpretiert. Die riesige Enttäuschung folgt später so sicher wie das Amen in der Kirche. Diese Enttäuschung frisst die Freude auf und zerstört viel Hoffnung und Lebensenergie. Die Patienten sind am Boden zerstört. Vor allem, wenn sie glauben, von Gott nun definitiv fallengelassen worden zu sein.

Damit kommen wir zur Gretchenfrage: Ist vielleicht der Glaube an eine Erlösung nach dem Tod oder an eine Wiedergeburt auch ein Wunderglaube?

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535 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Flunkie
20.02.2021 07:59registriert Juni 2019
Ich bin ganz froh, dass ich meinen Glauben an Wunder, Magie, Drachen und Monster unter dem Bett in mein erwachsenes Dasein retten konnte. Hat mir unter anderem wunderbar (heh) dabei geholfen, mich jeglichen Weltreligionen, Sekten und anderen Schlangenfängern zu widersetzen. Und mein Leben ist dadurch ziemlich bunt und zufrieden geblieben, sogar während Corona.

Aber ja, vielleicht wären wir als Gesellschaft weiter, wenn Eltern ihren Kindern vor dem Zubettgehen „Angewandte Algebra“ vorlesen würden.
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Garp
20.02.2021 08:45registriert August 2018
Was für ein undurchdachtes Kuddelmuddel, Hugo. Mit Fantasy kennst Du Dich wohl auch nicht aus. Da wird oft ständig gestorben ohne Wiederkehr und ohne Erlösung.
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bbelser
20.02.2021 09:16registriert Oktober 2014
"Nach solch einschneidenden Erlebnissen sehnen wir uns reflexartig nach einem Zauberstab oder einem Wunder."

Dem kann ich aus meiner Erfahrung in dieser pauschalisierten Form nicht zustimmen.

Die Menschen, denen ich in schweren Krisen begegnet bin, sehnten sich nach Orientierung, Halt, Zuspruch und einem Sinn, der sie in ihrer Zerbrechlichkeit trägt.
Und der ihre Angehörigen nicht verzweifeln lässt in Leid und Trauer.
Und was sie besonders schätzten: Menschen, die vorbehaltlos zuhören können und ohne schwatzhafte Besserwisserei einfach da sind.

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