Fast täglich werden wir Zeuge, wie verhängnisvoll sich ein radikaler Glaube auf das Bewusstsein und die Persönlichkeitsentwicklung von Gläubigen auswirken kann. Aktuelle Ereignisse zeigen uns die zerstörerische Kraft, die von Religionen ausgeht, die ihren Glauben zum Massstab für das Leben schlechthin erheben.
Nur ein Beispiel: Die pakistanische Christin Asia Bibi erlebte am eigenen Leib, was religiöser Fanatismus anrichten kann. Sie wurde im Jahr 2010 nach einer harmlosen Auseinandersetzung mit muslimischen Frauen am Arbeitsplatz wegen angeblicher Gotteslästerung in die Todeszelle gesteckt. Ihre vermeintlich blasphemischen Äusserungen wurden offensichtlich konstruiert, es gab jedenfalls keine Beweise dafür.
In Pakistan steht auf Gotteslästerung die Todesstrafe. Bibi wurde von Islamisten unter Todesdrohungen ein Geständnis erpresst. Vor ein paar Tagen entschieden aber drei Bundesrichter, Bibi dürfe nicht hingerichtet werden, weil die Beweislage nicht ausreiche. Nach fast acht Jahren Haft!
Eigentlich hätte die Christin nun freigelassen werden sollen, doch der islamistische Mob machte Terror, und die Regierung knickte ein. Die Islamisten organisierten Demonstrationen, blockierten Autobahnen und riefen zur Rebellion auf.
Die Demonstranten verlangten nicht nur den Tod von Bibi, sondern wollten auch die drei Richter gehängt sehen. Aus Sicherheitsgründen konnte Bibi das Gefängnis vorerst nicht verlassen.
Mitte dieser Woche wurde sie auf internationalen Druck hin freigelassen. Wo sie sich momentan befindet, ist nicht bekannt.
Einmal mehr zeigt sich, dass ein radikaler Glaube zu Fanatismus führt und die eigenen religiösen und moralischen Werte pervertiert. Statt die Gläubigen zu Toleranz und Nächstenliebe anzuleiten, werden sie von den Geistlichen aufgehetzt.
Man vergisst gern, dass Religionen und Heilslehren einen absoluten und radikalen Kern enthalten. Es geht um die totale Hingabe, die Verkündigung der angeblich letzten und unumstösslichen religiösen Wahrheit und die Verinnerlichung der Dogmen, die kaum einen Interpretationsspielraum offenlassen.
Solche Dogmen und viele Gebote überfordern uns Menschen oft. Dabei spielt es keine Rolle, um welche Glaubensgemeinschaft oder Heilslehre es sich handelt. Bei allen geht es um das Letzte und Höchste. Und um Erlösung und das ewige Leben.
Richtschnur sind göttliche Werte, die für uns unerreichbar bleiben. Deshalb scheitern wir laufend an den Ansprüchen, die uns die Religionen auferlegen. Und deshalb spielen Sünde und Sühne eine zentrale Rolle. Denn: Trotz Sühne ist die nächste Sünde so sicher wie das Amen in der Kirche.
Das ist aus psychologischer Sicht verhängnisvoll, kann zu einer geistigen Abhängigkeit führen und ein gesundes Selbstwertgefühl untergraben. Statt die Gläubigen von Ängsten und Zwängen zu befreien, verstärken radikale Glaubensgemeinschaften mit ihren strengen Dogmen die Nöte.
Um das Elend auf der Welt lindern zu können, brauchen wir geistig autonome und mündige Menschen. Gegen eine solche Emanzipation wehren sich radikale Glaubensgemeinschaften und Sekten durch Indoktrination der Gläubigen. Abhängige und unmündige Menschen lassen sich leichter manipulieren. Wohin dies führen kann, zeigt uns die Geschichte eindrücklich.