Die Worte des ehemaligen Bundesrichters Niklaus Oberholzer lesen sich wie ein Skript in einem Horrorfilm. Doch sie stammen aus seinem Untersuchungsbericht über das freikirchliche Missionswerk Kwasizabantu (KSB) in Kaltbrunn SG, das sich heute Evangelische Gemeinschaft Hof Oberkirch nennt:
Ich habe schon Anfang der 2000er-Jahre über das unmenschliche Regime in der fundamentalistischen Missionsgemeinschaft und ihrer Schule im abgelegenen Weiler Hof Oberkirch geschrieben. Doch die Leiter des Missionswerkes stritten die Vorwürfe rundweg ab.
Das St.Galler Bildungsdepartement leitete zwar eine Überprüfung ein, konnte aber keine Missstände in der Schule feststellen. Beim Schulbesuch ihrer Mitarbeiter lief der Unterricht gesittet ab. Wen wundert's. Und ja: Alle Vorwürfe meiner Informanten seien haltlos, erklärten die Führungsgremien.
Brisant: Die prägende Figur in den Gremien war der Patron und «Schoggikönig» Jürg Läderach. Er war bis Ende 2021 VR-Präsident der gleichnamigen Schokoladenfirma aus dem Glarnerland.
Läderach trat nicht nur als Aushängeschild und grosszügiger Mäzen auf, sondern sass auch im Vorstand des Vereins KSB, war Mitglied des Schulrates der Privatschule Domino Servite und Präsident von «Christen für die Wahrheit», einer Nebenorganisation von KSB.
Gleichzeitig amtierte er als Prediger. Ausserdem arbeitete seine Frau als Lehrerin, ihre sechs Kinder besuchten die Schule des Missionszentrums.
Und nun, rund 20 Jahre später, bricht die Eiterbeule endlich auf. Was jetzt ans Tageslicht kommt, übertrifft meine schlimmsten Befürchtungen. Damals sagte mir die ehemalige Leiterin des Knabeninternats, KSB sei eine gefährliche Sekte. Sie hatte jahrelang für Gotteslohn im Missionszentrum gearbeitet.
«Ich verstehe heute nicht mehr, wie ich das ausgehalten habe», erzählte sie mir nach ihrem Ausstieg. «Die moralische Keule, der Glaubensdruck und die Unterdrückung haben mich gebrochen. Das ging so weit, dass ich meine Kinder auf Anweisung der Seelsorger schon im Alter von einem Jahr geschlagen habe, um sie zu züchtigen. Und zwar so lang, bis sie keinen Ton mehr von sich gaben. Dabei liebte ich sie doch.»
Die aktuelle Leitung des Missionswerks gab die Untersuchung, die der ehemalige Bundesrichter leitete, in Auftrag. Sie sah sich 2019 dazu genötigt, weil Skandale der KSB-Mutterorganisation in Südafrika das Missionswerk erschütterten. Der Mitgründer Erlo Stegen hatte unter anderem Geld im Wert von rund acht Millionen Franken veruntreut, um sein Luxusleben zu finanzieren.
Seither nennt sich das Missionswerk Evangelische Gemeinschaft Hof Oberkirch (EGHO). Das Internat wurde in Christliche Schule Linth (CSL) umbenannt.
Oberholzer, der heute in einer Anwaltskanzlei arbeitet, befragte zusammen mit einem Mitarbeiter rund 500 ehemalige Schüler. Wörtlich heisst es im Bericht:
Diese Aussage erstaunt. Als ob der Präsident der einzige Täter gewesen sei. Als ob sonst niemand etwas von der Prügelstrafe und den sexuellen Übergriffen bemerkt hätte.
Dass dies nicht stimmt, dokumentiert mein Artikel, in dem ich die Erfahrungen mehrerer Aussteiger zusammengefasst hatte. Diese hatten sich bei den Führungskräften des Missionswerkes beschwert und ihre Vorwürfe vergeblich vorgetragen. Zu diesen Führungsfiguren gehörte auch Jürg Läderach. Doch dieser will nichts von den Übergriffen und Missbräuchen gewusst oder mitbekommen haben.
Oberholzer entlastet indirekt auch den «Schoggikönig», indem er den früheren Vereinspräsidenten als Alleinschuldigen ausgemacht hat. Das überrascht, denn Oberholzer hat nicht explizit Recherchen zum Verhalten und den Verantwortlichkeiten der Führungskräfte angestellt. Die Rolle von Jürg Läderach und seiner Familie bleibt also im Dunkeln.
Deshalb drängt sich die Frage auf, wie er und vor allem sein Sohn Johannes es heute mit dem Missionszentrum halten. Auf die Frage, ob Jürg und Johannes Läderach oder andere Familienmitglieder noch in der Evangelischen Gemeinde Hof Oberkirch aktiv seien, antwortete der Sprecher der Familie:
Er bestätigt aber, dass einzelne Familienmitglieder weiterhin Anlässe der EGHO besuchen. Dann die überraschende Antwort: Auf Wunsch der neuen Leitung halte Jürg Läderach weiterhin «vereinzelt» Predigten.
Jürg Läderach und die anderen Prediger haben früher den Gläubigen sicher Dutzende, wenn nicht Hunderte Mal verkündet, dass Gott die Pastoren nach christlichen Werten sorgsam führt. Und dass er die rechtgläubigen Schäfchen beschützt. Angesichts der Ereignisse muss man vermuten, dass im Hof Oberkirch früher eher der Satan das Zepter führte.
Es ist deshalb schwer nachvollziehbar, dass Jürg Läderach nun weiterhin an diesem Ort des Schreckens Predigten hält.
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