Digital
Schweiz

Swisscom-TV-Abo: So drängt Swisscom Kunden zum Wechsel

Verdutzte Swisscom-Kunden sehen plötzlich diese Warnung auf ihrem Fernseher.
Verdutzte Swisscom-Kunden sehen plötzlich diese Warnung auf ihrem Fernseher.bild: pctipp

«Ihr TV-Abo ist veraltet und muss ersetzt werden» – so drängt Swisscom Kunden zum Wechsel

Beim Technologiewechsel von analogen Anschlüssen zur IP-Technologie fühlen sich viele Kunden vom Vorgehen der Swisscom überfahren.
29.06.2017, 10:0630.06.2017, 06:49
Thomas Müller / Nordwestschweiz
Mehr «Digital»

Eigentlich war der Science-Fiction «Independence Day» angesagt. Statt Ausserirdischen flimmerte beim Leser der «Nordwestschweiz» in Baden eine Warnung aus Bern über den TV-Bildschirm: «Ihr Swisscom-Abo ist nicht mehr auf dem neusten Stand der Technik und muss ersetzt werden.» Was den 46-Jährigen beunruhigte, war der Zusatz: «Verfällt am 31. Juli 2017». Wird der Anschluss dann gekappt?

Eine Woche zuvor hatte er Swisscom per Einschreibebrief mitgeteilt, dass er mit der Umstellung seines Anschlusses mit dem offenbar veralteten Paket «Vivo Casa» auf die neue IP-Technologie zuwarten wolle. Er wünsche keine Veränderung bis Ende 2017, also so lange, wie Swisscom laut Grundversorgungsauftrag noch analoge Anschlüsse anbieten muss. Der 46-Jährige ist verärgert über den Druck, den Swisscom aufsetzt. Seinen Anschluss habe man «ohne Ihren Gegenbericht» innert gut zwei Wochen umstellen wollen – zu einem künftig höheren Preis. Umgekehrt müsse er selbst zwei Monate Kündigungsfrist einhalten. Swisscom informiere verwirrlich, auch über ISDN, das bei ihm im Geschäft läuft. Letztes Jahr habe es geheissen, ISDN-Geräte müssten ersetzt werden, diesen April sei nun alles anders gewesen und ein spezieller Router für den Weiterbetrieb ab 2018 in Aussicht gestellt worden.

Jetzt auf
«Viele Leute fühlen sich genötigt und erpresst.»
Sara Stalder, Stiftung für Konsumentenschutz 

Der Ton von Swisscom sei «sehr aggressiv», sagt Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS): «Rückmeldungen bei uns zeigen, dass sich viele Leute genötigt und erpresst fühlen». Stalder findet, der Umgang mit den Kunden gehe Richtung Unlauterkeit. Die Umstellung sei derzeit freiwillig, betont sie, erst Ende 2017/Anfang 2018 werde sie zwingend. Ein SKS-Merkblatt auf konsumentenschutz.ch hält Tipps und detaillierte Infos bereit.

Telekomexperte Ralf Beyeler vom Vergleichsdienst Verivox findet es «absolut unverständlich, wie Swisscom mit den Kunden umspringt». Vor allem ältere Kunden bräuchten flexiblere Termine, etwa, weil ein Verwandter helfe, «stattdessen bestimmt das Unternehmen in militärischem Befehlston, wann der Anschluss umgestellt wird.» In der Kommunikation mit der Kundschaft laufe so ziemlich alles falsch, was man falsch machen könne: «Wenn das Unternehmen nicht aufpasst, erleidet es einen Reputationsschaden.»

Swisscom-Sprecher Armin Schädeli entgegnet: «Wir können das nicht nachvollziehen.» Seit 2014 informiere man laufend auf sehr vielen Kanälen über die Umstellung auf die IP-Technologie – auch weil mehr als zwei Millionen Kunden davon betroffen seien und man demzufolge sukzessive vorgehen müsse. Ziel sei es, jeden Kunden bei der Umstellung zu begleiten, was im Normalfall gut funktioniere. «Wenn in Einzelfällen Kunden mit der Beratung nicht zufrieden sind, so tut uns das leid», sagt Schädeli. Befragungen zeigten, dass die Kunden nach der Umstellung auf die IP-Technologie gleich zufrieden oder zufriedener seien als zuvor.

Swisscom verliert Festnetz-Kunden

Tatsache ist: Swisscom hat in anderthalb Jahren 13 Prozent oder 332'000 ihrer Festnetzanschlüsse verloren. Der zuletzt gemeldete Stand liegt bei knapp 2,3 Millionen Anschlüssen. Das hat damit zu tun, dass manche Kunden ganz aufs Handy setzen und das Festnetz aufgeben. Doch es wechseln offenbar auch viele zur Konkurrenz. Sunrise hat die Zahl der Anschlüsse im Festnetzbereich im selben Zeitraum um 13 Prozent auf 984'800 gesteigert – ein Plus von 115'000 Kunden. Manche von ihnen kamen nur mit dem Telefon zu Sunrise, viele beziehen auch Internet und TV.

Die Nummer drei im Festnetz, Cablecom, verzeichnet eine leichte Zunahme. Green und iWay, die zwei laut einem Preisvergleich der Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» günstigsten Festnetzanbieter, berichten von starken Zunahmen. Diese kleineren Unternehmen bieten in Kombination mit ihrem Internetzugang ebenfalls Telefondienste an, bei Green gibt's auch TV. Der Telefonie-Umsatz habe sich innert Jahresfrist verdoppelt, sagt Susanne Felice von Green. Und iWay hat laut Jérôme Strijbis in den letzten Monaten viel in die Automatisierung des Bestellprozesses investiert, um den Ansturm gut zu bewältigen.

Sunrise: Weiterhin auch analog

Was auffällt: Es profitieren jene, die nicht nur Pauschalpakete anbieten, von denen man vieles nicht braucht, sondern die Bedürfnisse der Kunden gezielter abdecken. So bot iWay schon früh einen Router an, mit dem ISDN-Geräte weiterbetrieben werden können. Und bei Sunrise sind für 25 Franken pro Monat nach wie vor analoge Anschlüsse erhältlich. Das Telefon funktioniert dann an der bisherigen Wandsteckdose – also ohne Router und auch bei Stromausfall. Das Produkt heisst Call+ und ist dort verfügbar, wo Sunrise durch die Entbündelung der letzten Meile eigene Installationen in den Swisscom-Zentralen hat. Abgedeckt sind etwa 70 Prozent der Haushalte. Sunrise sagt, man werde Call+ bis mindestens 2021 betreiben. Das verschafft all jenen Luft, die noch Zeit für eine gute Lösung brauchen, etwa bei Liftnotrufanschlüssen. Swisscom hält am Fahrplan fest. Derzeit sind rund 1,7 Millionen oder gut drei Viertel der Festnetzanschlüsse umgestellt, gegen 600'000 fehlen noch. Ab 2018 erfolgt in den grösseren Regionen der Schweiz der Rückbau der alten Infrastruktur. Die Warnmeldung bei Swisscom-TV-Kunden gehört zur «Kundenbegleitung» bei der Umstellung.

Verliert der Leser aus Baden am 31. Juli tatsächlich seinen Anschluss? Swisscom-Sprecher Schädeli verneint: «Es wird keinem Kunden der Anschluss abgeschaltet.» Das genannte Datum sei nicht ein Abschaltdatum, sondern ein «Verfallsdatum der Bildschirmmeldung». Die unklare Formulierung wolle man verbessern. (aargauerzeitung.ch)

Und nun: Dinge, die man nur in der Familie tut

Video: watson

Die beliebtesten Listicles auf watson

Alle Storys anzeigen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
23 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Amboss
29.06.2017 11:01registriert April 2014
Wow, beeindruckend, dass die Sunrise fast eine Million Festnetzanschlüsse hat, gegenüber 2.3 Mio der Swisscom.
Hätte ich nicht gedacht.

Aus meiner Sicht aber verständlich. Sunrise bietet sehr gute Leistungen zu einem guten Preis.
Swisscom hingegen fällt in letzter Zeit nur negativ auf, von den hohen Preisen ganz zu schweigen.
4412
Melden
Zum Kommentar
avatar
lost in space
29.06.2017 12:00registriert Februar 2015
Ich verstehe das neue Produktangebot der Swisscom sowieso nicht, wir wurden dazu gedrängt, von Vivo Casa zu dem inOne zu wechseln.
Für den ganz genau gleichen Nutzen (TV, Internet und Mobile, ohne Festnetz) bezahlen wir jetzt pro Monat Fr. 10.- mehr.
4215
Melden
Zum Kommentar
avatar
BaDWolF
29.06.2017 12:39registriert September 2015
Einer älteren Bekannten wurden direkt die neuen Boxen zum austauschen geschickt. Im Begleitbrief stand:Sie haben Zeit zum Umstecken bis Ende Juli. Aber von einem Tag auf den anderen lief nix mehr, kein Telefon, kein Tv. Will Swisscom so ihre teuren Techniker verkaufen? Wieviele Leute trauen sich nicht die Boxen selbst umzustecken.... Mal wieder wirklich schlecht gemacht SC!
3614
Melden
Zum Kommentar
23
Darum will Instagram Nacktbilder in Direktnachrichten verstecken
Der Jugendschutz auf Social-Media-Plattformen wie Instagram steht schon lange in der Kritik. Mark Zuckerbergs US-Konzern Meta plant nun verbesserte Sicherheitsmassnahmen – ausgerechnet mit KI.

Der US-Konzern Meta hat einen besseren Schutz von minderjährigen Nutzerinnen und Nutzern vor sexueller Erpressung angekündigt. Meta teilte am Donnerstag mit, es werde erprobt, eine von künstlicher Intelligenz (KI) unterstützte Software einzusetzen.

Zur Story