Die Böhmermann-Affäre hat die Gastronomie erreicht. In Köln erfindet ein Laden den «Erdogan-Burger» – und macht danach zeitweise dicht. Zu heftig seien die Anfeindungen gewesen. Jetzt ist der Polit-Burger zurück. Er erzählt auch etwas über die Blüten der Böhmermann-Debatte.
Saftig ist der «Erdogan», er schmeckt nach Rucola und nach Ziegenkäse. Jörg Tiemann greift ihn sich, ein wenig Sosse tröpfelt auf den Pappteller. Noch lieber wäre ihm gewesen, wenn auch noch die Version ohne Rindfleisch auf dem Teller wäre – Tiemann ist Vegetarier, was man kurios finden kann, denn er betreibt einen Burger-Laden in Köln. Aber hier geht es um mehr als ein belegtes Brötchen. Es geht um Politik.
Tiemann hat in seinem Laden einen «Erdogan-Burger» kreiert. Das hat ihm ziemlich viel Aufmerksamkeit eingebracht. Die sogenannte Böhmermann-Affäre war zuletzt Thema bis hoch ins Kanzleramt. Das vom deutschen Satiriker Jan Böhmermann Ende März mit derben Formulierungen vorgetragene Gedicht auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan machte die Runde.
In dieser Gemengelage schob Tiemann den Burger auf den Tisch – mit Ziegenkäse als Anspielung. In dem Gedicht kommt der Begriff «Ziegenficker» vor. Richtig turbulent wurde es aber erst Ende vergangener Woche. Da machte Tiemann den Laden nämlich dicht, weil er sich von Erdogan-Anhängern bedroht fühlte.
«Es waren mehr als 1000 Kommentare mit Tausenden Antworten auf Kommentare», berichtet er. Es sei mit einem «Besuch» gedroht worden. Und es seien «vier Herren» aufgetaucht, die sich stumm und breitbeinig vor dem Laden aufgebaut hätten. Mittlerweile ist der Staatsschutz eingeschaltet.
Seit Mittwoch hat er nun wieder geöffnet und in Sicherheitstechnik investiert. Hochauflösende Videokameras sind montiert. Zudem musste beim Personal getauscht werden – drei türkischstämmige Mitarbeiter hätten aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr weitermachen wollen, unter anderem wegen der Anfeindungen.
Dass das alles irgendwie auch eine geschickte Werbestrategie sein könnte, steht natürlich im Raum. «Was die genaue Motivation war, muss natürlich der Inhaber erklären. Dass ihm bewusst war, dass er damit grosse Bekanntheit erzielen wird, das glaube ich schon», sagt etwa der Marketing-Professor Marc Fischer von der Uni Köln.
An Tiemann prallt derlei weitestgehend ab. Das Motto der noch recht jungen Bude sei schliesslich von Anfang an «politisch essen» gewesen. Ursprünglich vor allem mit Blick auf Massentierhaltung. Viel Vegetarisches steht auf der Karte, auf dem Tisch wird «Veggie Currywurst» empfohlen.
Für Tiemann hat das Klopsebraten höhere Bedeutung. Endlich werde über Erdogans Politik diskutiert. «Im Grunde genommen sind wir nichts anderes als Presse, Film und Fernsehen auch. Wir sind ein Transmissionsriemen, um das Thema auch mal irgendwie in die Diskussion zu bringen.»
Der «Erdogan-Burger» sei Kritik an der Politik des türkischen Präsidenten und gleichzeitig ein Bekenntnis zur Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland. «In Form eines Burgers.»
(sda/dpa)