Eine Petition fordert wegen «Transen-Witzen» eine öffentliche Entschuldigung von «Giacobbo/Müller»: Urs Sager, Pressesprecher des Transgender Networks Switzerland, erklärt, warum sich die Betroffenen so echauffieren.
watson: Herr Sager, was kommt bei Ihnen an, wenn der Begriff «Transe» fällt?
Urs Sager: Der Begriff «Transe» wird von Transmenschen als Verunglimpfung empfunden. Er ist im deutschen Sprachgebrauch wahrscheinlich noch relativ gängig, wird aber häufig abwertend in Bezug auf Transvestiten benutzt. Man setzt ihn oft in einen sexuellen Zusammenhang – vor allem, wenn damit Transmenschen gemeint sind, die sich prostituieren müssen. Der Begriff ist diskriminierend und macht die Leute lächerlich.
Auf den ersten unbedarften Blick mag das Wort «Transe» nicht besonders schlimm klingen. Hätten «Giacobbo/Müller» aber über «SP-Homos» gewitzelt, wäre der Aufschrei gross gewesen: Fehlt es an einer Sensibilisierung für dieses Unwort?
Genau, das ist ein grosses Problem. Wenn man den Beitrag genau anschaut, sieht man, dass Mike Müller am Anfang das Wort «Transmenschen» benutzt, was eigentlich korrekt ist. Und dann wird es relativ abwertend, das Wort «Transe» fällt mehrmals bis zu dem Satz, ob ein muslimischer Bub einer «Transe» die Hand geben darf, wenn er ertrinkt: Das ist einfach blöd, das ist keine Satire mehr und es richtet sich deutlich gegen Transmenschen. Die Problematik ist, dass sie ja die SP-Frauen satirisch angehen wollten, aber das Ganze auf dem Rücken einer Minderheit austragen, die seit Langem um Anerkennung in der Gesellschaft kämpft und kämpfen muss.
In welcher Lage befinden sich die Transmenschen?
Wir haben in unserem Brief die Situation deutlich beschrieben: Transmenschen werden diskriminiert. Auch in der Schweiz. Es gibt hierzulande noch Gerichte, die sogar eine Sterilisation verlangen, damit Transmenschen ihre offiziellen Papiere ändern können. Wir haben keine Selbstbestimmung in der Schweiz. Das geht nicht. Wir liegen hinter anderen Ländern in Europa zurück, und das hilft uns einfach nicht bei der Anerkennung dieser Menschen.
Sie stecken in einem Dilemma: Schafft Ihre Petition nicht mehr Aufmerksamkeit für die diskriminierenden Aussagen, als dass sie Ihnen nützt?
Ich muss berichtigen: Die Petition hat nicht das Transgender Network Switzerland eingereicht. Die ist von Frauen von der Gruppe Aktivistin.ch in Gang gebracht worden. Wir wurden neben weiteren Organisationen angefragt, ob wir das unterstützen – und das tun wir natürlich.
Sie hätten von sich aus also gar nicht protestiert?
Wir selbst haben nach der Sendung direkt interveniert und einen Brief an die SRF-Leitung geschrieben – also an SRF-Direktor Ruedi Matter, an SRG-Generaldirektor Roger de Weck und die Ombudsstelle. Wir haben auch eine Antwort bekommen: Dass die Ombudsstelle das entgegengenommen und an die entsprechenden Personen weitergeleitet hat. Wir werden sehen, ob eine Reaktion kommt, oder nicht. Es hat ja einen Grund, dass wir so scharf reagieren.
Der da wäre?
Es ist nicht das erste Mal, dass sich das SRF in Bezug auf Transmenschen massiv in der Wortwahl vergreift. Es gab auch schon Sendungen von «10vor10» oder «glanz & gloria», in denen die Wortwahl auch völlig daneben war. Da haben wir auch reagiert und sogar mit dem SRF ein Gespräch gehabt, in dem wir auch auf unseren Medienguide hingewiesen haben. Dort kann man lesen, welche Ausdrücke man benutzen kann. Das SRF hat das zur Kenntnis genommen – passiert ist trotzdem nichts.
Wie viele Beschwerden gab es denn schon?
Eine genaue Zahl kann ich jetzt nicht nennen, aber seit ich Medienverantwortlicher bin, also seit März 2015, war es jetzt sicher die vierte Beschwerde.
Zum Abschluss die Frage: Was wünschen Sie sich?
Ich wünsche mir einfach mehr Sorgfalt bei der journalistischen Berichterstattung. Es ist für uns wie ein Kampf gegen Windmühlen. Wir haben ein gewisses Verständnis, dass man nicht immer hundertprozentig die Korrekte Wortwahl braucht. Aber es muss insgesamt mehr Sensibilität an den Tag gelegt werden.