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«Ich weiss nicht, warum. Ich weiss nicht wie», sagt Mohamed Abdeslam. Der junge Mann steht vor der Eingangstür seiner Wohnung im Brüsseler Stadtteil Molenbeek, bedrängt von Kameras und Mikrofonen.
Er ist der Bruder der beiden Attentäter Ibrahim und Salah Abdeslam. Die Ähnlichkeit mit dem Bild seines Bruders Salah auf dem Fahndungsfoto ist frappant.
Sein zweiter Bruder, der 31-jährige Brahim, hat sich am letzten Freitag vor einer Bar am Boulevard Voltaire in Paris in die Luft gesprengt, Salah ist auf der Flucht und gilt momentan als «Frankreichs Staatsfeind Nummer 1».
Und nun steht er da, Mohamed, der dritte der «Gebrüder Abdeslam». Er wurde 36 Stunden lang von der Polizei festgehalten, er wurde befragt und steht jetzt plötzlich im weltweiten Fokus.
«Wie ihr alle wisst, bin ich von der Polizei vernommen worden, wegen der Terroranschläge in Paris. Ich bin tatsächlich der Bruder von einem der (getöteten) Attentäter. Aber ich stehe in keiner Weise mit den Attentaten in Verbindung», beginnt er seine Ausführungen.
Mohamed beantwortet ruhig und überlegt die Fragen der Journalisten: «Haben Sie gar nichts bemerkt von der Radikalisierung ihrer Brüder?» Mohamed sagt, er habe nie etwas von religiösem Fanatismus bemerkt.
«Was meinen Bruder Salah betrifft – er war ein ganz normaler Junge.» Er wisse nicht, ob dieser den Mut habe, sich der Polizei zu stellen. «Aber er ist hier aufgewachsen, er hat hier studiert.»
Die Fragen nach seinem Aufenthalt, nach seinem Alibi vom Freitag Abend, beantwortet Mohamed schon fast mechanisch. Er scheint von seiner Anwältin Anweisungen bekommen zu haben: Er habe für den Zeitpunkt der Attentate ein Alibi. Deshalb sei er auch wieder auf freien Fuss gesetzt worden.
Nathalie Gallant, die Anwältin von Mohamed Abdeslam, gibt in einem Interview mit «Le Point» und BFMTV einen Einblick in das Leben ihres Mandanten:
Dieser habe eine Frau, zwei Kinder und teile überhaupt keine Ansichten des radikalen Islam. «Er will zusammen mit seinem Geschäftspartner eine Lounge-Bar in Liège eröffnen. Ich glaube nicht, dass dies in irgend einer Weise darauf hinweist, dass mein Mandant in die Attentate am Freitag Abend in Paris verwickelt ist.»
Gemäss Gallant beweisen Mohamed Abdeslams Handydaten, dass sich deiser am Freitag Abend tatsächlich in Liège aufgehalten hat.
Trotzdem stellt sich die Frage, wie eng die Bindung zwischen den «Gebrüdern Abdeslam» wirklich war. Wie kann Mohamed nichts bemerkt haben von den Aktivitäten seiner Brüder? Sie lebten alle im gleichen Haus. «Es geht nicht darum, ob sie Kontakt hatten oder nicht, und wie stark dieser Kontakt war, sondern um die Tatsache, dass sie keine gemeinsamen Interessen hatten», sagt Anwältin Gallant dazu.
Mohamed stehe jeden Morgen früh auf, um seine Arbeit in der Verwaltung von Molenbeek aufzunehmen. Am Abend kehre er nach Hause zurück, sei müde. «Seine Brüder stehen erst gegen Abend auf und schlafen tagsüber. Man hat nicht immer die totale Kontrolle über alle Familienmitglieder, auch wenn man im gleichen Haus wohnt», fügt die Anwältin an.
Mohamed Abdeslam lebt seit mehr als 30 Jahren in Molenbeek und arbeitet auf dem Einwohneramt. Zu seinen Tätigkeiten gehören Dinge wie die Registrierung von Neuzuzügern, Adressänderungen, das Ausstellen von Identitätskarten, Arbeitsbewilligungen erteilen – halt alles, was ein Beamter auf dem Einwohnerbüro so macht.
Auch die Gemeindeverwaltung hat ihm nichts vorzuwerfen: Er sei ein angenehmer Mitarbeiter, heisst es. «Am Freitag sei er wie gewohnt auf seiner Arbeit erschienen» bestätigt seine Chefin Ann Gilles-Goris gegenüber dhnet.be.
Anders als seine Brüder führte Mohamed Abdeslam wohl ein sehr gewöhnliches Leben: «Er ist offen und steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Er ist ruhig, aber er feiert auch ab und zu gern», sagt sein Cousin. Seine Partnerin sei «europäisch» und dem «katholischen Glauben» zugewandt. Und Mohamed sei immer gut angezogen.
Mohamed selbst hofft, bald wieder zur Arbeit gehen zu können und ein normales Leben zu führen. Nicht bei der Gemeindeverwaltung von Molenbeek vor verschlossenen Türen zu stehen.
Doch Mohamed, der Bruder von zwei Paris-Attentätern wird immer «der Bruder» bleiben.
(egg)