Leben
Kommentar

Früher kleidete man sich besser – dann hat Sport alles zunichtegemacht

Oliver Baroni Nicoletta Baroni fotoalbum
Aus dem Familienalbum von Nicoletta Baroni, Mutter des Autors. bild: obi
Kommentar

Alltagsmode war mal stylish. Und dann nicht mehr. Ich weiss glaub, weshalb

Teils Fotoretrospektive, teils Grumpy-Old-Man-Rant – hier die Feststellung unseres Autors, dass der Kleiderstil einst cooler war und der Breitensport alles kaputt macht.
05.04.2025, 16:3106.04.2025, 12:31

Schaut mal in den Fotoalben eurer Grosseltern nach. Ihr werdet zweifelsohne feststellen: Wow, damals kleidete man sich anders.

My American grandmother visiting Athens in the 1960s.


https://www.reddit.com/r/TheWayWeWere/comments/8jp7gs/my_american_grandmother_visiting_athens_in_the/
«Meine amerikanische Grossmutter beim Familienbesuch in Athen in den Sechzigerjahren»
Alle Fotos: Reddit Old School Cool.
Bild: reddit

Bravo, Captain Obvious! Ja, Mode und Kleidernormen ändern sich seit je her. Miss-Sixty-Hosen in den Nullerjahren. Schulterpolster in den Achtzigern. Plateauschuhe in den Siebzigerjahren.

Doch in der Alltagsmode ist ein markanter Bruch Anfang Siebzigerjahre feststellbar. Vorher: nett und adrett …

Unsere Grosis. (Schwarzweiss, nachträglich koloriert.)
«Noch ein Foto von meiner Grossmutter Anfang Sechzigerjahre.»
(Foto nachträglich koloriert)
Bild: reddit

Nachher: ziemlich grauenhaft.

Some of my faily in the late 70s. 

https://www.reddit.com/r/OldSchoolCool/comments/18lern8/some_of_my_family_photos_from_the_late_1970s/
«Einige Mitglieder meiner Familie in den späten Siebzigerjahren.»Bild: reddit

Nochmals: Nehmt die Fotos eurer Grosseltern zur Hand! Unabhängig von der sozialen Schicht – ob Büezer, Bürolist, Akademiker oder Künstler: Bis Ende der Sechzigerjahre hatte der Kleiderstil etwas Schlichtes, Schickes. Ein Herrenanzug war Alltagsbekleidung. Frauen trugen Deux-Pièces auch an einem freien Tag. Und weit und breit keine Sportschuhe in Sicht.

"My grandpa in the ‘60s looking like he walked out of a Ray-Ban ad"

https://www.reddit.com/r/OldSchoolCool/comments/9of638/my_grandpa_in_the_60s_looking_like_he_walked_out/
«Mein Opa in den Sechzigerjahren, der aussieht, als würde er einer Ray-Ban-Werbung entsteigen.»Bild: reddit

Und dann blätterst du ein wenig weiter im Fotoalbum – wir befinden uns nun in den Siebzigerjahren – und, … wow. Synthetische Trainingsanzüge in Orange und Braun. Schlecht sitzende Jeans. Beliebige T-Shirts mit hässlichen Logos einer Lokalbank oder einer Touristenattraktion.

Was war passiert?

"mom & pops back in the 60s"
https://www.reddit.com/r/OldSchoolCool/comments/kg0o88/mom_pops_back_in_the_60s/
«Wie unendlich cool waren eigentlich meine Mami und Papi in den Sechzigern?»Bild: reddit
My parents on honeymoon mid 60s. Still together and best people I know

https://www.reddit.com/r/TheWayWeWere/comments/d7zy3q/my_parents_on_honeymoon_mid_60s_still_together/
«Meine Eltern in den Flitterwochen Mitte Sixties. Sie sind immer noch zusammen und die allerbesten Menschen der Welt.»Bild: reddit

Gewiss trugen diverse ökonomische und technische Faktoren zum Wechsel bei. Etwa der bereits zwei Jahrzehnte zuvor begonnene und nun vollzogene Wechsel weg von der Schneiderei und hin zu billigeren, massenproduzierten Kleidungsstücken, die nun in Kaufhäusern gekauft wurden. Und damit auch die Akzeptanz des Konzepts, dass Kleidung eher zum Wegwerfartikel wird als etwas, das bei Abnutzung geflickt werden kann.

Auch hatten Einflüsse mitunter exzentrischer Kleidungsstile diverser Jugendsubkulturen ihren Weg in die Mainstream-Mode gefunden. Natürlich waren diese Anklänge stark verwässert und meist unbeholfen interpretiert – aber Bell-Bottom-Jeans, wie sie ursprünglich von ein paar wenigen Hippies getragen wurden, waren ab Mitte der Siebziger Standard.

Aber ich vermute, dass vor allem eines dazu betrug, dass Alltagsbekleidung auf ein Schlag hässlich wurde: Sport.

"My grandma in the 60s looking like a model"

https://www.reddit.com/r/OldSchoolCool/comments/9ieglc/my_grandma_in_the_60s_looking_like_a_model/
«Meine Oma in den Sechzigern sieht aus wie ein Model.»Bild: reddit
"My grandmother in the 1960s"

https://www.reddit.com/r/OldSchoolCool/comments/189ymhs/my_grandmother_in_the_1960s/
«Grosi in den Sixties. Sie war so stylish!»Bild: reddit

Damals, in den Siebzigerjahren, nämlich, hielt Sportbekleidung Einzug in die Alltagsmode. Was bis anhin eine technische Bekleidung für spezifische sportliche Aktivitäten gewesen war, wurde zur akzeptierten Alltagskleidung. Joggingschuhe. Traineranzüge. Skijacken. Mannschaftstrikots.

Und dann gab es Mitte der Siebziger noch einen weltweiten Jogging-Boom – und schon waren Jogging-Shorts und Trägerleibchen akzeptiert. Später kam der Aerobic-Trend der Achtzigerjahre und … hallo, Stulpen!

Auf ein Schlag galt es als «gschtopft», einen Anzug zu tragen – als gäbe es keinen Unterschied zwischen formeller Abendgarderobe und den schlichten, aber dennoch stylishen Anzügen, die wir in den Ferienfotos der Sechzigerjahre sehen. Nö, jeder mit Kravatte war auf einmal ein stierer Siech. Eine Frau in gut sitzenden Kleidern galt fortan als «unnatürlich». Aufgedonnert. Verklemmt (jap, hier kam noch eine hübsche Portion Misogynie dazu).

"My 28 year old grandpa in 1963, Bucharest Romania"

https://www.reddit.com/r/OldSchoolCool/comments/1cqgmdv/my_28_year_old_grandpa_in_1963_bucharest_romania/
«Mein 28-jähriger Grossvater 1963 in Bukarest, Rumänien.»Bild: reddit
"My grandparents in 1960, on a date. My favorite picture."

https://www.reddit.com/media?url=https%3A%2F%2Fi.redd.it%2F9y6eolcc6yry.jpg
«Meine Grosseltern im Jahr 1960 auf einem Date. Mein Lieblingsbild.»Bild: reddit

Hey, es ist ja mitnichten so, dass vor 1974 jeder Mann ausschliesslich Anzug und Krawatte trug und jede Frau stets Kleid und Stöckelschuhe. Freizeitmode existierte schon immer.

Ebenfalls verlangten die Anforderungen bestimmter handwerklicher Berufe nach spezifischer, geeigneter Kleidung, weshalb seit je her T-Shirts und Jeans getragen wurden. Und Sportbekleidung gab es auch ... für sportliche Betätigungen. Sweatshirts, Hoodies, Trainerhosen wurden beim Aufwärmen auf dem Sportplatz getragen. Tennisschuhe auf dem Tennisplatz. Trägerleibchen beim Rudern. Und Skijacken beim Skifahren. Verdammt.

Heute trägt bei niedrigen Temperaturen jeder und jede eine Skijacke (oder zumindest eine Abwandlung davon). Auch in der Stadt, wo es weit und breit keine Skipiste gibt. Ein Mantel hat Seltenheitswert. Dies nahm seinen Anfang in den Siebzigerjahren – und hält bis heute an.

"My Grandpa taking a selfie in the 1960s"
https://www.reddit.com/r/OldSchoolCool/comments/yfqbze/my_grandpa_taking_a_selfie_in_the_1960s/
«Nonno machte Selfies schon in den Sixties.»Bild: reddit
my grandma and grandpa at a cocktail party in the early 60's

https://www.reddit.com/r/OldSchoolCool/comments/98l0c9/my_grandma_and_grandpa_at_a_cocktail_party_in_the/
«Meine Oma und mein Opa bei einer Cocktailparty in den frühen Sechzigerjahren.»Bild: reddit

Und nun der obligate Disclaimer, denn, nein, ich bin kein Ewiggestriger. Hey, moderne Textilien sind leichter, atmungsaktiver und allgemein ... angenehmer. Und die soziale Akzeptanz, dass jeder und jede sich verdammt nochmal so kleiden darf, wie er oder sie es auch immer will, ist nicht nur begrüssenswert, sondern eine Selbstverständlichkeit. It's a free country.

Geht es aber rein um die Ästhetik, kommt man aber nicht herum festzustellen, dass unsere Grosseltern stilvoller unterwegs waren. Geht es um Style, dann gilt offenbar: Sport ist Mord.



P.S. – Ähnlich verhält es sich mit Autos: Moderne Wagen sind besser und sicherer ... und hässlicher.

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124 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Phrosch
05.04.2025 17:21registriert Dezember 2015
Von meinen Eltern weiss ich: Wenn man sich fotografieren liess, zog man sich bett an. Im Alltag wurde man nicht fotografiert. Meine Mutter zig sich um, wenn wir in den 60ern in die (unbedeutende Klein-) Stadt gingen. Zuhause trug sie eine bequeme Kittelschürze oder Jupe und Pulli. Was man zum ausgehen trug, war nicht bequem, besonders nicht die Frauenkleider.
Meine Rhese: Frauen entschieden sich irgendwann dazu, sich bequemer zu kleiden. Wer nicht als Hausfrau zuhause ist, kann sich nicht tagsüber umziehen.
1204
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Thom Mulder
05.04.2025 17:02registriert November 2014
Als Designer und Fotograf muss ich dazu bemerken, dass eben auch das Fotografieren anders war. Nur wenige Leute schleppten eine Kamera mit im Alltag, und die lebten auch sonst eher anders als die Meisten. Es ist also nicht so dass die Alltagsmode generell besser war, das Durchschnittliche findet sich halt weniger auf den Bildern. Und Farbkombinationen sieht man nicht, denn alles war Schwarz-Weiss. Der "Schnitt" den Du wahrnimmst ist nicht die Mode sondern der Umgang mit der Kamera. Gut sowie schlecht gekleidete Menschen gab und gib es immer und überall. Keines davon ist generell so.
1249
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Cmdr_Zod
05.04.2025 16:56registriert Januar 2021
Am Schlimmsten finde ich persönlich die Banker-Combo Anzug + weisse Turnschuhe. Irgendwie der gescheiterte Versuch, gleichzeitig seriös und sportlich zu sein.
8730
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124
Wenn Flugzeug-Tarnung so richtig, richtig gut funktioniert
17 Bilder, welche die Flugzeugerkennung schwierig machen. Extrem schwierig sogar.
Du denkst nun, mit Radarortung und dergleichen ist die visuelle Erkennung und Identifizierung eines Fluggerätes gar nicht so wichtig, oder? Think again: Wenn du mitten im Stress einer Abfangaktion bist und innerhalb eines Sekundenbruchteils erkennen musst, ob das Ding dort unten soeben ein feindliches Flugzeug war oder nicht ... na, viel Glück dabei. Vor allem, wenn sich die Situation wie eine der folgenden präsentiert:
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