Die Vorfreude ist gross. Am 27. Mai startet die vierte Staffel «Stranger Things» (zumindest die erste Handvoll Folgen der Staffel. Die zweite Schwette folgt dann am 1. Juli). Fast alle unserer Lieblings-Castmembers sind weiterhin dabei – jaaa, auch Hopper, obwohl zunächst unerwartet.
it’s a full ST4 extravaganza, hot off the griddle. pic.twitter.com/5SuC8S9HR1
— Stranger Things (@Stranger_Things) March 23, 2022
Nun, das Werweissen, was abgehen wird (irgendwas ist da mit einem russischen Gulag), erledigen wir an anderer Stelle. Hier geht es darum, sich kulturell und vibe-mässig in die kommende Staffel einzugrooven. Konkret: 70er-80er-Movies gucken, Leute!
Ich habe eine 13-jährige Tochter, die ein grosser «Stranger Things»-Fan ist. Sie, wie viele ihrer Altersgruppe bis und mit Generation Y, lieben die Serie, weil ... sie nun mal verdammt gut ist. Alte Säcke wie ich aber haben den zusätzlichen Bonus eines heimeligen Wiedererkennungseffekts. Denn das Werk der Duffer Brothers ist nichts weniger als eine einzige grosse Liebeserklärung an ikonische Filmhits der Achtzigerjahre.
Das Drehbuch- und Regie-Duo Matt und Ross Duffer waren in Bezug auf ihre Einflüsse stets sehr offen und deutlich. Die Serie beginnt im Jahr 1983. Da gibt es während allen drei Staffeln kulturhistorische Anspielungen und Easter Eggs zuhauf – vom Analog-Synth-Soundtrack des Vorspanns über die Einbindung des historischen Fakts des CIA-Projekts Project MKUltra. Auch Stephen-King-Romane, alte Videogames oder japanische Anime werden zitiert.
Doch weitaus am wichtigsten sind gewisse Filmklassiker aus der Ära, in der «Stranger Things» spielt. Und diese empfehle ich euch hier als Einstimmung auf die nächste Staffel wärmstens:
Die Hauptquelle. Ach, wo soll man hier bloss anfangen? Derart viele Anspielungen auf den Spielberg-Klassiker finden sich in «Stranger Things». Die Kids auf ihren BMX-Velos zum Beispiel. Sowohl in «E.T.» wie auch in «Stranger Things» gibt es jene Schlüsselszene, in der ebendiese Kids auf ihren Fahrrädern flüchten müssen. In «E.T.» erheben sie sich dank E.T.'s telekinetischen Fähigkeiten in die Luft und fliegen davon. In «Stranger Things» ist es Eleven, die mittels ihrer telekinetischen Kräften den Chevy-Van in die Luft hebt.
Die Szene, in der Elliott E.T. sein Schlafzimmer zeigt («Star Wars»-Figürchen inklusive), erinnert wiederum doch sehr an Mike, der Eleven seine Spielhöhle zeigt («Dungeons and Dragons»-Figürchen inklusive). Ohnehin erinnert Mike und Elevens Beziehung am stärksten an die zwischen Elliott und E.T. Weitere Parallelen sind die geschiedenen Mütter, die kaum über die Runden kommen. Elliotts jüngere Schwester Gertie erinnert zuweilen an Lucas' kleine Schwester Erica. Als optische Anspielungen wären die Hazmat-Schutzanzüge zu nennen, oder die spooky Gartenhäuschen in beiden Produktionen. Und hey, die Eröffnungsszenen beider Streifen zeigen die Kids, die Dungeons and Dragons spielen.
Auch thematisch lehnt sich «Stranger Things» stark an «E.T.» an. Zwar gibt es eine Reihe miteinander verwobener Handlungsstränge, in denen Erwachsene eine Rolle spielen, doch in «Stranger Things» wie auch in «E.T.» leben die Kinder in einer Parallelwelt, die bewusst und deutlich von jener der Erwachsenen getrennt ist. Von Walkie-Talkies bis hin zu Fusstritten unter dem Tisch – ihre Kommunikation ist verdeckt und geheim.
Keine Frage: Die Aufstellung der Schüler-Clique in «Stranger Things» und das Kleinstadt-Mystery-Ambiente stammen direkt aus «The Goonies», das Drehbuchautor Chris Columbus auf eine Geschichte von Steven Spielberg basierte und bei dem Richard Donner Regie führte. Es gibt direkte Korrelationen zwischen Mike und dem Feinschmecker Dustin in «Stranger Things» und «Goonies»-Mike und dem übergewichtigen Chunk. Und ach ja, Sean Astin spielt die Rolle des Mikey Walsh in Goonies ...
... und ist Bob the Brain selig in «Stranger Things»:
Ein Protagonist, der von einem abstrusen, übernatürlichen Konzept besessen ist, das alle anderen für aussichtslos und lächerlich halten? Kommt uns das bekannt vor? Joyce Byers mit ihrer sturen Haltung, an eine Kommunikation mit ihrem verschwundenen Sohn glauben zu wollen, ist eindeutig an Roy Neary mit seiner UFO-Besessenheit angelehnt. Richard Dreyfuss' Neary baut den «Devil's Tower»-Berg aus Kartoffelpüree und karrt einen riesigen Haufen Erde in sein Wohnzimmer, während Winona Ryders Filmfigur stapelweise Weihnachtslichter installiert und eine Axt durch die Hauswand schlägt, um ihren Sohn zu erreichen.
Optisch erinnern ebendiese Lichterketten an die blinkenden Lichter des «Close Encounters»-Raumschiffs.
Für das Casting der vier Jungs in «Strangers Things» – Mike, Lucas, Dustin und Will – liessen die Duffer-Brüder die Schauspieler Zeilen aus «Stand By Me» sprechen (Rob Reiners Adaption von Stephen Kings Kurzgeschichte «The Body»). Dies mit gutem Grund: Parallelen zwischen den beiden Geschichten haben mehr als alles andere mit dem Tonfall zu tun: Kinder in einem sorglosen Alter, die plötzlich von echten Tragödien und Verlusten erschüttert werden; Ereignisse, die ihre Freundschaft auf die Probe stellen und letztendlich stärken. Die klassische Coming-Of-Age-Parabel ... Spaziergang entlang der Bahngleise inklusive.
Dieses eklige wurmähnliche Ding, das Will rauskotzt ... woher kennen wir das? Ach ja, genau. Das Konzept eines Wesens, das Menschen als Brutkästen benutzt, indem es sie fesselt und mit einem schlangenähnlichen Gebilde befruchtet, ist eins zu eins des Motivs von «Alien» entlehnt. Und etliche Details ebenfalls: Jener eklige Glibber, etwa, durch den man sich kämpfen muss. Oder der Facehugger, der einem Ei entspringt, das sich beim Öffnen in Teile aufspaltet – wie beim Kopf des Demogorgon. Ohnehin erinnert H.R. Gigers ausserirdische Kreatur sehr an den Demogorgon der ersten «Stranger Things»-Staffel. «Alien» ist überall im Upside Down.
Aber eigentlich ist dieser Film fast wichtiger:
Unabhängig von seiner humanoiden Form ist der extradimensionale Demogorgon aus dem Upside Down – in der Art seines plötzlichen Auftauchens und seiner Raubtierhaftigkeit – direkter vom Weissen Hai in Spielbergs Action-Thriller beeinflusst als von der Kreatur in «Alien».
Spielberg – immer wieder Steven Spielberg, also? Oh ja. Hier auch:
Der von Spielberg geschriebene und produzierte visionäre übernatürliche Thriller unter der Regie von Tobe Hooper dreht sich um die kleine Carol Anne, die in einer alternativen Dimension gefangen ist und via dem geisterhaften Rauschen des Fernsehers mit ihrer Familie kommuniziert. In «Stranger Things» ist es kein TV-Gerät, sondern es sind Weihnachtslichter, Radios, Telefon, mit denen Will Kontakt zu seiner Mutter aufnimmt. Das Prinzip ist dasselbe.
Isolationstanks zur sensorischen Deprivation – dieses Motiv ist zentral für die Entwicklung von Eleven und das Erlernen der Kontrolle ihrer parasensorischen Fähigkeiten, wie etwa der Zugang zu einer anderen Ebene des Bewusstseins – zum Upside Down. Genau so verhält es sich in Ken Russells trippigem Film «Altered States», in dem sich William Hurts Hauptfigur mittels verschiedener psychotroper Drogen und eines Isolationstanks in zunehmend fremdartigere Wesen verwandelt.
In der zweiten Staffel von «Stranger Things», die im Jahr 1984 spielt, wird auf etliche Filme aus jenem Kinojahr angespielt: «Ghostbusters» (was die Jungs auf die Idee für ihre Halloween-Kostüme bringt), «The Karate Kid», «Splash», «The Terminator», «Indiana Jones and the Temple of Doom» und, besonders interessant, «Gremlins». Süsse, knuddelige Viecher verwandeln sich zusehends in unknuddelige Monster, welche die Stadt in einem «War of the Worlds»-ähnlichen Desaster belagern ... öh, hörst du uns zu, Dustin?
Analog zu «E.T.» ist diese Stephen-King-Verfilmung von Mark L. Lester eine direkte Vorlage für «Stranger Things»: Die neunjährige Charlie, die pyrokinetische Heldin, ist die Inspiration für die psychokinetische Eleven (psycho/pyro – klar?). Das mit dem Nasenbluten? Jap – ebenfalls direkt dem 1984er-Streifen entnommen. Und beide Girls sind auf der Flucht vor den Schergen der Regierung.