In der Schweiz leben rund 15 Millionen Nutztiere. Die Entwicklung der Bestände von Rindern, Pferden, Schafen, Ziegen, Schweinen und Geflügeln hat sich seit 1985 sehr unterschiedlich entwickelt.
Was auffällt: Die Geflügelpopulation hat sich in dieser Zeit fast verdoppelt. Sie macht auch rund 75 Prozent des gesamten jährlichen Nutztierbestandes der Schweiz aus. Wie kam es dazu? Und wo leben sie? Mehr dazu gibt es ab Punkt vier.
Bevor wir zum Geflügel kommen, schauen wir uns zunächst an, in welchen Gemeinden wie viele Tiere leben.
Je dunkler das Blau bei einer Gemeinde, desto grösser die Zahl an gemeldeten Tieren also. Und je grösser die Zahl, desto wahrscheinlicher, dass eine Geflügelfarm ansässig ist, denn diese erreichen viel höhere Bestände als andere Nutztiere. In Gemeinden mit über 40'000 gemeldeten Nutztieren drückt in allen Fällen eine grosse Geflügel-Zucht die Zahl in die Höhe. In der Zusammenfassung sieht das wie folgt aus:
Mit Abstand am meisten Nutztiere sind also im freiburgischen Montagny gemeldet. Die Gemeinde hat gerade einmal 2404 Einwohner – aber über 260'000 Nutztiere. Wobei es sich praktisch ausschliesslich um Geflügel handelt. Dass sich die Geflügelhochburgen rund um das freiburgische Courtepin ballen, ist kein Zufall: Dort steht mit dem Geflügelschlachthof der Micarna einer der grössten der Schweiz (mehr dazu unten).
Ansonsten sehen wir die drei Nutztier-Hotspots in den Kantonen Freiburg und Luzern, sowie in der Ostschweiz.
Es gibt allerdings auch Gemeinden, die gar keine Nutztiere gemeldet haben. Werfen wir zunächst einen Blick auf diese:
Meist handelt es sich bei den Gemeinden ohne Nutztiere um flächenmässig kleine, aber dicht besiedelte Gebiete. Im Fall von Rorschach – der flächenmässig kleinsten Gemeinde des Kantons St. Gallen – kann uns kein Landwirtschaftsbeauftragter weiterhelfen. Warum, erklärt sein «Stellvertreter» gleich selbst: «Es gibt keinen Landwirtschaftsbetrieb in Rorschach», sagt Eugen Loepfe, Mitarbeiter der Stadtkanzlei. «Hier ist alles fast bis auf den letzten Quadratmeter überbaut. Die Grünflächen beschränken sich vor allem auf einige Parks dem See entlang.»
Ähnlich tönt es aus Oberengstringen, einer der flächenmässig kleinsten, dafür in Sachen Einwohnerdichte weit oben platzierten Gemeinden im Kanton Zürich an der Limmat: «Historisch hatten wir viele Blumenfelder», sagt Gemeindepräsident André Bender auf Anfrage. Und Bauernhöfe? «Vor zwei bis drei Jahren hörte der letzte (Klein-) Betrieb auf.»
Immerhin zwei Bauernhöfe existieren noch im solothurnischen Zuchwil. «Allerdings haben die keine Tiere», so Thomas Emch, der Erhebungsverantwortliche Landwirtschaft. «Schafe weideten vor ein paar Jahren noch in Zuchwil, heute weiss ich nur von einer einzigen Ziege», allerdings gehört diese nicht zu einem landwirtschaftlichen Betrieb und somit nicht in die Statistik.
Schauen wir nun auf die Geflügel-Population in der Schweiz. So verteilen sie sich:
Wie oben bereits erwähnt, ist die Ballung rund um Courtepin FR logisch. Düdingen – mit 116'752 Geflügeln die Gemeinde mit der zweithöchsten Anzahl Federvieh – ist einer dieser Orte. Gemeinderat Stefan Siegenthaler sagt: «Wir haben hier diverse grössere Hallen für Geflügel. Einige davon bieten 8000 Tieren Platz, zwei 12'000 und eine rund 18'000.»
Diese Konzentration auf ein Gebiet macht durchaus Sinn. Thomas Jäggi, Stv. Leiter Geschäftsbereich Viehwirtschaft beim Schweizerischen Bauernverband, erklärt: «Micarna sucht sich natürlich neue Mäster wenn möglich in der Nähe aus. Das liegt ökonomisch und ökologisch auf der Hand und die kurzen Transportwege unterstützen das Tierwohl. Da die Nachfrage nach Poulet weiter wächst, dürfte diese Region auch in den nächsten Jahren noch an Geflügel-Beständen zulegen und sich der Hotspot so ausdehnen.» Zwei weitere Geflügel-Hotspots gibt's im Kanton Luzern und der Ostschweiz. Was diese begünstigt, ist der Trend zu «Aus der Region, für die Region».
Saillon im Wallis tanzt hier etwas aus der Reihe. Es handelt sich nicht um einen klassischen Mastbetrieb. Im Gegenteil: Dort leben die Muttertiere für die Küken, welche dann in Micarna-Betrieben aufgezogen werden.
Wie aber kam es zu dieser massiven Zunahme beim Geflügel? Thomas Jäggi nennt zwei Hauptgründe: «Die Nachfrage ist gestiegen und der Inland-Marktanteil legte massiv zu.»
Die Steigerung der Nachfrage setzt sich dabei aus verschiedenen Faktoren zusammen. Zum einen wuchs schlicht die Bevölkerung und damit die Zahl potentieller Kunden, zum anderen wird allgemein mehr Poulet gegessen, weil das Fleisch als gesünder gilt (was nicht unbedingt zutrifft), und letztlich spielt auch der Preis eine Rolle.
Auch bei Proviande nennt man die gleichen Gründe. Regula Kennel, Leiterin Unternehmensentwicklung, ergänzt: «Der zunehmende Anteil der Bevölkerung, welcher kein Schweinefleisch isst, bewirkt, dass an Schulen, in Mensen oder überall dort, wo grosse Gruppen zusammenkommen, anstelle von Schweinefleisch Geflügel angeboten wird.»
Ein wichtiger Grund sind aber auch gesetzliche Entwicklungen für die Haltung von Legehennen oder Masttieren. 1981 trat in der Schweiz ein Tierschutzgesetz in Kraft, das Batteriehaltung verbot. Nach einer zehnjährigen Übergangsfrist gibt es in der Schweiz seit 1991 keine Batteriehaltungen mehr. In anderen Ländern treten erst jetzt ähnliche Gesetze in Kraft.
Auch bei der Produktion von Poulet ist das Tierwohl in der Schweiz deutlich höher gewichtet als im Ausland, so zum Beispiel mit dem ganzjährigen Zugang zu einem Aussenklimabereich. «Das Schweizer Ei und Poulet hat sich dadurch in den letzten Jahren einen hervorragenden Ruf geschaffen», sagt Jäggi.
Ob der Siegeszug des Schweizer Geflügels so weitergeht? Jäggi lässt sich nicht auf die Äste hinaus: «Vorderhand sieht es so aus. Aber da spielen auch gesellschaftliche Tendenzen mit, darum ist eine Prognose schwierig. Bei der Eiproduktion in der Schweiz bewegen wir uns wohl auf ein Maximum zu, beim Poulet könnte – zulasten des Imports – noch was gehen.»
Die Entwicklung beim Geflügel ist mit Abstand die auffälligste. Ob es auch bei Rindern, Schweinen, Pferden und Schafen/Ziegen regionale Hotspots gibt oder diese sich ausgeglichener verteilen, zeigen die folgenden Grafiken.
Eine Hotspot-Region wie beim Geflügel gibt es bei den Rindern nicht. Das wird auch in Zukunft so bleiben.
Der Hotspot für Schweinehalter ist im Kanton Luzern. Dieser ist allerdings im Gegensatz zum Geflügel historisch gewachsen und hängt nicht mit einem grossen Schlachtbetrieb in der Nähe zusammen.
Mit rund 80'000 Exemplaren besetzen Pferde bei den Nutztieren schon fast eine Nische. Ein kleiner Hotspot bilden – historisch gewachsen – die Freiberge im Jura. Hier siehst du, wie es in deiner Gemeinde steht:
Ähnlich wie bei den Pferden ist auch die Verteilung der Schafe und Ziegen wenig überraschend. Der Hotspot wird auch in Zukunft in den bergigeren Gebieten bleiben.