Kommentar
Der diskrete Abschied geniesst hierzulande völlig zu Unrecht einen schlechten Ruf.
22.03.2019, 19:5724.03.2019, 10:17
![Oliver Baroni](/_watsui/static/img/socialicons/icon_filled_x.svg)
Folge mir
Sagt mal – gehe ich richtig in der Annahme, dass der französische Abgang in der Schweiz als unhöflich gilt? Mir erscheint es jedenfalls so.
«Gestern beim Fest warst du plötzlich nicht mehr da! Hast wohl einen französischen Abgang gemacht, hä!»
*Vorwurfsvoller Blick*
So viel gleich im Voraus: In anderen Kulturen ist der diskrete Abmarsch gar nicht so sehr verpönt. Zum Teil gilt er sogar als höflich.
Aber erst mal von vorne. Ihr kennt die Situation:
Nette Party bei jemandem zuhause. Alle quatschen, einige tanzen gar, etwas Alkohol fliesst, es wird gelacht, gute Stimmung ist da! Und da steht das eine Pärchen auf (ja, es ist meistens ein Pärchen, interessanterweise), das den ganzen Abend über auffallend wenig getrunken und einiges weniger gelacht hat und verkündet lautstark:
«HEY TSCHAU ZÄME! Ja, wir müssen LEIDER gehen. SORRY gell. Wir müssen eben MORGEN ZIEMLICH FRÜH LOS, weisch. Ist eben doch schon 23 Uhr und weisch, die letzte S-Bahn und so. ABER HABT WEITER SPASS, gellet, wir würden ja gerne mit euch weiterfesten, LASST EUCH NICHT STÖREN.»
Stören? Too bloody LATE, ihr rücksichtslosen Pflöcke!
Und siehe da: Bei einigen Partygästen, die sich eben noch vorhin unbeschwert am verlustieren waren, regen sich Spuren von Vernunft oder Gewissen:
«Ou shit, eigentlich sollte ich morgen auch aufstehen. Ui, schon so spät?»
Andere wiederum geben sich Mühe, die Stimmung von vorhin wieder hinzubiegen, ... doch öfters als nicht wird diese kaum noch erreicht. Ergo: Deine vermeintliche Höflichkeit, allen Adieu zu sagen, ist in Tat und Wahrheit asozialer Egoismus.
Was gesagt wird:
![Bild](/imgdb/48b5/Qx,B,467,0,4004,3759,2121,1565,848,626/3915643691709899)
Bild: shutterstock / watson (jodok meier)
Was es eigentlich bedeutet:
![Bild](/imgdb/475f/Qx,B,719,0,4084,3759,2121,1565,848,626/4851651272769881)
bild: shutterstock / watson (jodok meier)
Ich plädiere für den gepflegten französischen Abgang.
Nun, ich lehne vieles ab, das mir als Kind als ‹Höflichkeit› und ‹Benehmen› verkauft wurde. Zu viel manierlicher Blödsinn war dabei. Doch diese eine Regel machte immer total Sinn:
It's rude to break up the party.
So macht man's stattdessen: Man geht einzig zur Gastgeberin und zum Gastgeber, bedankt sich herzlich für die Einladung und verabschiedest sich diskret. Lass die Gäste in Ruhe!
Zudem hat das Nicht-Verabschieden einen weiteren entscheidenden Vorteil: Man bekommt so einen zwingenden Grund, sich bei den Leuten, mit denen man an der Party eine gute Zeit hatte, wieder zu melden. Es ist sozialer. Und das ist etwas, das wir mehr sein sollten.
Senf-Beigabe-Box:
I would like to dedicate this Meinungsstück to User wie «liyi» und anderen, die sich über meinen inflationären Gebrauch von Anglizismen nerven.
Love and peace xxx.
Apropos Party ...
Video: watson/Knackeboul, Madeleine Sigrist, Lya Saxer
Und hier noch die «5 Stadien der Trunkenheit» ...
1 / 7
Die fünf Stadien der Trunkenheit ...
Aus Australien erreichen uns diese wunderbar lehrhaften Bilder, die man zeitlich zwischen 1863 und 1868 ansiedelt.
quelle: charles percy pickering / new south wales state library / charles percy pickering / new south wales state library
Das könnte dich auch noch interessieren:
Das nur schwer verdauliche Geschehen rund um den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands im Spiegel der Karikaturisten – garniert mit frechen Memes und treffenden Sprüchen.
Obacht, geschätzte watson-Userin, geschätzter -User: Wenn die Tweets in diesem Artikel nicht prompt angezeigt werden, klicke für unseren hilfsbereiten IT-Support auf diesen Link, zähle wahlweise laut oder leise auf fünf und scrolle erst dann weiter.