Okay, um es im Voraus klarzustellen: Nein, wir reden hier nicht von Beach Buggies. Die, nämlich, sind (zumindest theoretisch) geländegängige Spassmobile, die in den frühen Sechzigerjahren in Kalifornien erfunden wurden:
Auch reden wir hier nicht von der ähnlich obskuren Autoklasse der Mini-Jeeps, die an dieser Stelle bereits einmal porträtiert wurden:
Nein, mit einem Beach Car (= Strandauto) ist etwas in dieser Art hier gemeint:
Es sind demnach europäische (allermeistens italienische) Fahrzeuge, die alleine einem einzigen Zweck taugen: Sehr stylishe Menschen entlang mediterranen Küstengefilden zu spedieren, nämlich, und diese dabei noch stylisher als sonst aussehen zu lassen. So in den Jahren zwischen 1950 und 1970, ungefähr.
Meistens haben sie Korbsitze. Luxus-Schnickschnack wie Türen? Fehlanzeige. Sitzgurte? Sag' mal, spinnst du? Nö, das sind ungemein unpraktische Dinger, die mit ihrer Kombination von spartanischer Ausstattung und schickem Styling die ultimative Form von Luxus darstellen. Und eine Fahrzeugkategorie ist, die aufgrund ihrer Seltenheit gerne vergessen geht. Lassen wir also einige der grossartigsten Beach Cars der Automobilgeschichte Revue passieren!
Dieser Topolino-Umbau von 1954 müsste wohl das erste Auto sein, das der Kategorie Beach Car entspricht. Wenig ist darüber bekannt, ausser dass dies ein Einzelstück geblieben ist ...
... was aber von dem hier nicht behauptet werden kann:
Diese Version des Fiat-600-Kleinwagens dürfte das wohl erfolgreichste Beach Car der Geschichte sein. Okay, ‹erfolgreich› ist relativ, blieben die Stückzahlen doch stets minim – wir reden hier von weniger als 100 Exemplaren (wobei es bei vielen der weiter unten aufgelisteten Vehikel gar bei Einzelanfertigungen geblieben ist).
Korbsitze, eine Karosserie vom Design-Team von Carozzeria Ghia – und bei Bedarf ein ... naja, wie nennt man so was? Markisen-Dach?
Grossartig ist's auf jeden Fall.
Und den noch kleineren Fiat 500 gab es ebenfalls als Jolly – auf Wunsch mit Parasol-Dach!
Derweil wurden – wiederum auf der Fiat-600-Platform – Beach-Car-Versionen des Frontlenker-Minivans Fiat 600 Multipla hergestellt. Denn vielleicht wollte man ja zu sechst an den Strand.
Derweil, in Frankreich, stellte man fest, dass in den trendigen Sommerdestinationen an der Côte sich Mini Mokes zunehmender Beliebtheit erfreuten. Citroën antwortete darauf mit einer Jeep-Version seines Dyane, dem Méhari, während Renault gleich zwei Modelle anbot: Den Rodeo, ein eher frugales, kantiges Jeep-Ding, und den Renault 4 Plein Air:
Trés chic! (Geparde nicht im Lieferumfang enthalten.) 2019 stellte Renault eine Elektro-Version vor:
Serienproduktion? Bisher leider Fehlanzeige.
Aber bereits vor dem Plein Air liess Renault vom italienischen Karosserienbauer Ghia 50 Stück dieses Renault 4CV Ressort Special anfertigen.
Oh ja. Auch den Mini gab es als Beach Car! Sogar in einer Version mit Stufenheck:
Vom argentinischen Designer Dick Burzi gestylt, wurden weniger als 20 Stück für eine sehr erlesene Kundschaft gebaut. Die Queen bekam einen – und soll ihn rege auf ihrem Landanwesen in Sandringham benutzt haben.
Auch die niederländische Königsfamilie bekam ein Beach Car. Der italienische Autodesigner Giovanni Michelotti konstruierte auf Basis des DAF 32 den Kini, den er Willem-Alexander taufte nach dem damaligen Thronfolger (und heutigen König).
So, und nun kommen nur noch Fiats. Es gibt zig Versionen, die vor allem auf der Plattform des Fiat 600 Multipla basieren und jeweils in kleinsten Stückzahlen von den schicken Karosserienstylisten wie Ghia, Vignale, Pininfarina und Konsorten entworfen und konstruiert wurden. Und alle sind hammercool. Guckt mal:
Giovanni Michelotti entwarf etliche grossartige Beach Cars für das Designstudio Fissore. Auf Basis des Fiat 600 Multipla etwa dieses Einzelstück Marinella.
Oder auf Basis des Fiat 850 die Shellette, die nicht nur Sitze aus Korbgeflecht bekam, sondern gar die gesamte Frontkonsole!
Und dann war noch der Boano Spiaggia, entworfen von Mario Boano von Carrozzeria Ghia. Genau zwei Stück dieses Autos wurden gebaut – eins für Aristoteles Onassis und eins für Fiat-Chef Gianni Agnelli höchstpersönlich.
Hier sieht man Onassis am Steuer mit Beifahrer Winston Churchill, 1959 unterwegs zur Ausgrabungsstätte bei Delphi:
Hier eine Version des Designteams Vignale, ... zu der es ziemlich genau zero Info gibt. Dem Nummernschild nach darf man annehmen, dass es anno dazumal in Monaco wohl zwischen Jachthafen und Luxusvillen hin und her kurvte.
Am legendärsten ist vielleicht Gianni Agnellis persönliches Beach Car, das Fiat 600 Eden Roc. Wiederum auf Basis der 600 Multipla entwarf das Designhaus Pininfarina eine luxuriöse Karosserie, die den Riva-Motorbooten nachempfunden war. Ganze drei Stück dieses Modells wurden gebaut; eins gehörte Konkurrent Henry Ford II, der es sein Lieblingsauto nannte.
Es gibt noch etliche weitere Variationen des Prinzips. Gemeinsam haben sie alle, dass sie unglaublich unpraktisch sind und wir alle trotzdem so ein Ding wollen. Einen Sommer lang irgendwo am Mittelmeer mit so einem Ding herumcruisen. Hach.
Gemeinsam haben alle obenstehenden Modelle auch, dass sie heute aufgrund ihrer Seltenheit hohe Preise an Auktionen erzielen. So ein Mini Beach Car wurde letztes Jahr für 230'000 Dollar versteigert. Naja. Träumen ist gratis.