«Der grösste Klubwettbewerb des Sommers», «Fussball wie nirgends sonst auf der Welt». So preisen die Veranstalter den International Champions Cup an. Auf dem Papier klingt es super: 18 hochdekorierte Klubs aus sechs europäischen Ländern sind dabei, darunter auch die Crème de la Crème des internationalen Fussballs: Real, Barça, Juve, Manchester City und United, Liverpool, Chelsea, Bayern. Sie alle sollen in der Pause zwischen WM und Beginn der neuen Saison einen Hauch von Champions-Leauge-Atmosphäre versprühen.
In 23 Stadien in sieben Ländern finden die insgesamt 27 Partien statt, 17 in den USA, sieben in Europa und drei in Singapur. Gespielt wird – vor allem in den USA – in den grössten und modernsten Arenen des Landes. Gestern kam es gleich zu fünf vermeintlichen Top-Duellen:
🇩🇪 Meister 🆚 🇮🇹 Meister
— FC Bayern München (@FCBayern) 26. Juli 2018
🎥 Die #JuveFCB-Highlights. ⬇ #ICC2018 #AudiFCBTour #VisitingFriends #FCBayern #MiaSanMia pic.twitter.com/k52ISy398h
Keine Frage: Fussballfans weltweit hochwertigen Vorbereitungsfussball zu präsentieren, hätte Potenzial. Doch am Ende geht es vor allem um das liebe Geld und nicht ums Sportliche, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Der ICC wurde im Jahr 2012 von zwei amerikanischen Investoren gegründet. Milliardär Stephen M. Ross, Inhaber des NFL-Teams der Miami Dolphins, und Matt Higgins hatten die Ursprungsidee zum International Champions Cup und riefen das Format über ihre Promotionsfirma Relevant Sports ins Leben. 2013 fand schliesslich die erste Ausgabe statt. Ziel war es, die Testspiele der Topklubs in einem der letzten offenen Zeitfenster im durchkommerzialisierten Fussball auch noch zu Geld zu machen. Für die Klubs wie auch für die Veranstalter.
Kürzere Sommerpause, unnötige Reisestrapazen, Spiele in der amerikanischen oder europäischen Sommerhitze – für die Saisonvorbereitung alles andere als optimal. Doch wer im europäischen Klubfussball zur Spitze gehören will, der muss mittlerweile am International Champions Cup dabei sein. Das Stichwort: Globale Vermarktung. In Europa sind die Grenzen ausgelotet, die Positionen besetzt. In Asien und den USA ist aber noch viel Potenzial vorhanden.
Borussia Dortmund beispielsweise rechnet bei seiner neuntägigen USA-Reise mit einem Reingewinn von 5 Millionen Euro. Und das soll nur der Anfang sein. Mehr Fans = mehr Cash. Vorbild sind Marketing-Vorreiter wie Manchester United oder Real Madrid, deren Fans zu einem immer kleineren Bruchteil aus dem eigenen Land stammen. Dass die Kluft in der heimischen Liga zwischen Topklubs und dem Rest immer grösser wird, stört die ICC-Teilnehmer freilich nicht. Hauptsache, in der eigenen Kasse klingelt's.
Im Gegensatz zum Vorbild Champions League ist der International Champions Cup sportlich eine Farce. Das liegt auch am Modus. Dieser hat sich in den letzten Jahren stets verändert. Und auch die neueste Version ist alles andere als ein grosser Wurf: Jedes der 18 Teams bestreitet nur drei Spiele, die am Ende in einer grossen Abschlusstabelle münden.
Gut möglich, dass am Ende gar das Los den Turniersieger bestimmt. Bei Punktgleichheit entscheidet zunächst der Direktvergleich, den es bei drei Spielen pro Team in den meisten Fällen gar nicht gibt. Danach die Tordifferenz, die erzielten Tore und schliesslich der Münzwurf.
Punkte werden nicht wie üblich verteilt, sondern wie im Eishockey: Steht nach 90 Minuten kein Sieger fest, geht's direkt ins Penaltyschiessen. Wer sich dort durchsetzt, bekommt nur zwei Punkte gutgeschrieben, der Verlierer einen Punkt.
Etwas gewöhnungsbedürtig ist auch der Ablauf des Turniers: Während der BVB seine drei Spiele bereits absolviert hat, greift Real Madrid erst am nächsten Dienstag ins Geschehen ein. Während der Grossteil des Trosses in den USA engagiert ist, bestreiten Arsenal, Atlético Madrid und Paris St-Germain in Singapur ein kleines Mini-Turnier im Turnier selbst.
Den Testspiel-Charakter des Wettbewerbs unterstreicht schliesslich das Auswechsel-Kontingent. Bei 30 Mann auf dem Matchblatt sind 11 Auswechslungen erlaubt, in Absprache mit dem Schiedsrichter gar noch ein zwölfter Wechsel.
Fünf Tage nach dem WM-Final startete mit der Partie Manchester City gegen Borussia Dortmund der International Champions Cup. Ziemlich früh, wie ein Blick auf die Kader zeigte: Bei Manchester City spielte mit Ausnahme von Neuzugang Riyad Mahrez nur die dritte Garde, bei Lucien Favres BVB ausser Mario Götze und dem US-Aushängeschild Christian Pulisic die zweite.
Here's the @ManCity side facing off against @BVB, brought to you by @Hertz #ICC2018 #ChampionsMeetHere pic.twitter.com/zaOlx4z5DG
— International Champions Cup (@IntChampionsCup) 21. Juli 2018
Der ICC soll zwar auch Schaufenster für Jungstars sein, aber wohl mehr zwangsläufig. Die absoluten Superstars erholen sich noch von den WM-Strapazen, kommen nur sporadisch zum Einsatz. So auch Sadio Mané und Mohamed Salah, die bei Liverpools Duell mit ManCity höchstens eine Halbzeit spielten. Bei Juves 2:0 gegen Bayern hiess der Doppeltorschütze Andrea Favilli, bei den Deutschen standen Ryan Johansson, Marcel Zylla, Meritan Shabani und Josip Stanisic in der Startelf.
An alle Nachtschwärmer - hier ist unsere Aufstellung! 🙌
— FC Bayern München (@FCBayern) 25. Juli 2018
Wer schaut das Spiel heute Nacht❓#AudiFCBtour #VisitingFriends #ICC2018 #JuveFCB pic.twitter.com/xHJlVbeG1J
Immerhin: Je näher der Saisonstart in den heimischen Ligen rückt, desto öfter werden die Zuschauer auch die ganz grossen Namen des Weltfussballs zu Gesicht bekommen. Schliesslich macht man nur mit ihnen das grosse Geld.
Wenn man neue Fans generieren will oder muss, spielt man nicht vor den eigenen. Die Stadien in Pittsburgh, Chicago, San Diego oder Klagenfurt waren bisher jedoch alles andere als voll. 68'400 Zuschauer passen beispielsweise ins Heinz Field der Pittsburgh Steelers, ans Spiel zwischen Borussia Dortmund und Benfica Lissabon verirrten sich aber lediglich 16'171 Fussball-Fans.
Eine Auslastung von über 50 Prozent erreichte man immerhin bei ManCity gegen Liverpool. 52'635 kamen ins 82'500 Zuschauer fassende MetLife Stadium der New York Giants und Jets. Selbst in der Sommerpause von NFL, NHL und NBA tut sich der Amerikaner schwer mit «Soccer».
Grund für den mangelnden Zuschaueraufmarsch könnten – zumindest bei den Spielen in Europa – die saftigen Eintrittspreise sein. Bei PSG gegen Bayern in Klagenfurt kostete ein Ticket im Durchschnitt 75 Euro. Die günstigsten Plätze waren für 45 Euro zu haben. Eine vierköpfige Familie, die in der Nähe Ferien macht, hätte also rund 250 Euro für den Ausflug einrechnen müssen, weshalb das Stadion am Ende halb leer war.
Anders sieht es dann sicher am 28. Juli in Ann Arbor, Michigan, aus: Dann versucht Manchester United im North-West Derby gegen Liverpool den eigenen Publikumsrekord von 2014 zu knacken. Damals kamen zum Duell gegen Real Madrid 109'813 Zuschauer ins College-Football-Stadion – so viele wie für kein anderes Fussball-Spiel vorher oder nachher auf US-Boden.
Ob solche Rekordmeldungen helfen, den International Champions Cup im Fussball-Weltmarkt etablieren zu können? Nur so lange das Geld fliesst. Noch tut es das: Laut «Forbes» steigen die Sponsoren- und TV-Einnahmen stetig. Doch die Einschalt-Quoten sinken. Die «alten» Fussball-Fans scheint der ICC nicht sonderlich zu interessieren und die neuen, für die scheint «Soccer» lediglich ein exotischer Zeitvertreib für den Sommer zu sein.
So besuchte gestern beispielsweise Neil Patrick Harris, besser bekannt als «Barney» aus der TV-Serie «How I met your mother», zum ersten Mal ein Fussball-Spiel. Bei Liverpool gegen ManCity erschien der 45-Jährige im hellblauen «Citizens»-Trikot und stellte ein Video von sich und seiner jungen Begleitung auf Instagram, in dem er am Ende «Go Manchester United» in die Kamera schreit ...