Und er hat es doch getan! Der von FIFA-Präsident Gianni Infantino geleitete Council wirft die zwei Chefs der Ethikkommission raus. Trotz klarer Verlautbarung der FIFA-Medienstelle auf eine Anfrage: «Herr Infantino hat Cornel Borbély und Hans-Joachim Eckert kennen- und schätzen gelernt. Er denkt sicher nicht daran, an ihren Positionen irgendetwas zu ändern».
Trotz deutlichen Worten von FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura in der «NZZ» auf die Frage, ob sie die beiden weiterbeschäftigen würde: «Ja, denn ich bin sehr zufrieden mit ihnen. Das ist, glaube ich, auch die Meinung des Präsidenten». Und trotz eindeutigem internen Statement von Präsident Infantino, der sich zwar öffentlich nie zu den Spekulationen über eine geplante Absetzung von Chefermittler Borbély und Richter Eckert äusserte, gegenüber Vertrauenspersonen solche Pläne aber stets negierte.
» Hier gibt's den Kommentar zur Absetzung der Ethikkommission.
Und nun das. Borbely und Eckert sind weg. Der Verantwortliche für diesen Handstreich ist schnell gefunden: «Gianni Infantino als Totengräber der FIFA-Reformen», schreibt der Tages-Anzeiger, «Infantino setzt oberste Ethiker ab», titel das St.Galler Tagblatt, «der sportpolitische Coup trägt die Handschrift von Gianni Infantino», weiss die Süddeutsche Zeitung.
Doch welche Rolle spielte Infantino tatsächlich? Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder plante der Italo-Schweizer diese Entmachtung von langer Hand und führte in den letzten Wochen alle in seinem Umfeld an der Nase herum. Für diese These spricht, dass verschiedene Zeitungen das nun eingetroffene Szenario exakt so prognostizierten.
Oder Infantino wurde vom Manöver des Councils selbst überrascht. Dagegen spricht, dass die FIFA am Mittwochabend von einer «einstimmigen Entscheidung» schreibt. Neben den Ethikern wurde auch der bisherige Chef des Governance-Komitees, der Portugiese Miguel Maduro, nach nur einem Jahr abgewählt. Maduro sorgte vor wenigen Wochen für Schlagzeilen, weil er dem mächtigen russischen Politiker Witaly Mutko die Wiederwahl ins FIFA-Council verwehrt hatte.
Traf Mutkos heiliger Zorn nun neben Maduro auch Infantino oder spannten die beiden gar zusammen? Gianni Infantino wird sich am Donnerstag nach Kongressende zur Angelegenheit äussern. Der 47-Jährige wird sagen, dass er kein Diktator sei und sich in der neuen FIFA auch ein Präsident an die demokratischen Spielregeln halten müsse. Und er wird die Qualitäten der neu gewählten Kommissionsmitglieder hervorheben.
Zurück von den Thesen zu den Fakten und deren Konsequenzen. Tatsache ist, dass aus den Mitgliedsverbänden für die Positionen in der Ethikkommission auffällig viele Last-Minute-Kandidaten gemeldet wurden. Tatsache ist auch, dass die Sitzung des Councils zwei Stunden länger dauerte als geplant. Und Tatsache ist, dass Präsident Infantino die Diskussion über die Besetzung der Kommissionen damit einleitete, dass es Beschwerden über zu viele Europäer in diesen geben würde.
Der Entscheid des Councils hat auch FIFA-intern viele hochrangige Mitarbeiter überrascht. Ob Generalsekretärin Fatma Samoura dazu gehört, ist nicht überliefert. «Es ist eine Katastrophe», klagt ein frustrierter Mitstreiter von Infantino. «Das ist kein guter Tag für die FIFA», sagt der abgewählte Hans-Joachim Eckert. Vor allem ist es ein herber Rückschlag für die Reformbemühungen, weil das neue, auf den ersten Blick durchaus hochkarätige Team der Ethiker Monate brauchen wird, um sich in die unzähligen pendenten Fälle einzulesen.
Damit übergibt die FIFA den Lead bei den Ermittlungen gegen korrupte Fussball-Funktionäre definitiv an die zivilen Strafbehörden. Was durchaus willkommen ist. Die eigenwillige US-Justiz wird weiterhin für die eine oder andere Überraschung sorgen. Und wenn die Zahlen des abgewählten Chefermittlers Cornel Borbély stimmen (siehe oben), werden die verschiedenen FIFA-Gremien in Zukunft noch weitere unerwartete Mutationen erleben. Dann aber nicht durch die Macht des Councils.