Die WM war drei Tage alt, als den Ski-Tross eine traurige Meldung erreichte. Ex-Rennfahrerin Elena Fanchini erlag mit erst 37 Jahren einem Krebsleiden. Die Siegerin von zwei Weltcup-Rennen und Vize-Weltmeisterin 2005 in Abfahrt war in der Szene beliebt, viele aktuelle Fahrerinnen kannten sie persönlich.
«Es ist schwierig, ihren Tod zu akzeptieren», sagte etwa Lara Gut-Behrami. Die Italienerin habe ihr immer gesagt, sie würde ihr so gerne zuschauen. «Als ich am Tag nach der Nachricht ihres Todes zum Abfahrtstraining gestartet bin, hatte ich Tränen in den Augen und wäre fast im Netz gelandet.»
Der WM-Ort Courchevel ist die Heimat von Alexis Pinturault, dem Gesamtweltcupsieger des Winters 2020/21. Der Franzose schien zuletzt von seiner Klasse eingebüsst zu haben – aber vor der eigenen Haustür schlug der 31-Jährige nochmals zu. Pinturault wurde Weltmeister in der Kombination und schlug im Super-G mit Bronze gleich nochmals zu.
An den Olympischen Spielen 2022 ging Mikaela Shiffrin überraschenderweise leer aus. In Frankreich schien der dominierenden Skirennfahrerin der Gegenwart erneut das Pech an den Ski zu kleben: Die WM begann mit einem Slalom-Aus in der Kombination.
Doch Shiffrin wendete das Blatt. Erst gewann sie Silber im Super-G, dann wurde sie Weltmeisterin im Riesenslalom und zum Abschluss gab es nochmals Silber im Slalom. Und zwischendurch gab die Amerikanerin die Trennung von ihrem Trainer bekannt. Es war also durchaus etwas los bei Shiffrin, die das interne Medaillen-Duell gegen ihren Lebenspartner Aleksander Aamodt Kilde für sich entschied. Der Norweger gewann in Abfahrt und Super-G jeweils Silber.
«Ich habe in zwei Wochen beinahe jedes Gefühl erlebt, das man haben kann und ich schätze alles – auch die enttäuschenden Momente», zog Shiffrin Bilanz. «Nach allem, was ich im Leben schon erlebt habe, bin ich dankbar für Silber im Slalom. An anderen Tagen werde ich nicht so viel Glück haben.»
And also…this was fun. So nice to have the chance to celebrate, finally! 🍾🥳 pic.twitter.com/G9bAxIVBYW
— Mikaela Shiffrin (@MikaelaShiffrin) February 19, 2023
Rang 6 im Super-G, nur vier Hundertstel hinter dem Podest. Rang 9 in der Abfahrt. Rang 4 im Riesenslalom, neun Hundertstel hinter dem Podest. Zwei Jahre nach Doppel-Gold in Cortina d'Ampezzo musste Lara Gut-Behrami ohne Medaille abreisen. Nach der dritten Enttäuschung an dieser WM konnte die Tessinerin ihre Tränen nicht verbergen.
Die 31-Jährige trottete davon, ohne mit den Reportern zu sprechen. Tags darauf kündigte sie an, es auch in Zukunft wissen zu wollen. Der Rücktritt sei kein Thema. «Manchmal denke ich, dass ich noch tausend Mal am Start stehen möchte. Und es gibt Tage, an denen ich aufstehe und das Gefühl habe, keine Kraft zu haben.» Gut-Behrami nannte die WM 2025 als womöglich letztes Ziel.
Es ist eine ungeschriebene Regel: An Grossanlässen wachsen Athleten aus Nordamerika häufig über sich hinaus. Das war 2023 nicht anders. Der Kanadier James Crawford wurde Super-G-Weltmeister, seine Landsfrau Laurence St-Germain gewann völlig überraschend den Slalom.
Dazu gab's Abfahrts-Bronze für Cameron Alexander und die gleiche Medaillenfarbe im Team-Event. Kein Wunder, sahen wir unsere Emily im Büro häufig vor Freude Purzelbäume schlagen. Die USA hatten Shiffrin – und gewannen im Team-Event auch ohne ihren Superstar Gold.
Als AJ Ginnis vor zwei Wochen aus dem Nichts auf Rang 2 des Weltcup-Slaloms von Chamonix fuhr, war das eine riesige Überraschung. Dass er diesen Erfolg an der WM bestätigen konnte, war die nächste Sensation. Ginnis gewann hinter Henrik Kristoffersen WM-Silber im Slalom.
Ginnis wuchs in Griechenland auf, wo er nördlich von Athen das Skifahren lernte. Als Jugendlicher wanderte die Familie nach Österreich aus, später fuhr er als College-Student Rennen in den USA. Wegen häufiger Verletzungen fiel Ginnis dort schliesslich aus den Kadern, der 28-Jährige schloss sich dem griechischen Verband an und sorgte für dessen grösste Sternstunde.
Gold und Silber für die Schweiz im gleichen Rennen – 34 Jahre lang musste man darauf warten. 1989 sorgten Martin Hangl und Pirmin Zurbriggen für einen Doppelsieg im Super-G, nun machten es ihnen Marco Odermatt und Loic Meillard im Riesenslalom gleich.
Der Nidwaldner Überflieger wurde dadurch Doppel-Weltmeister – und das in den zwei vielleicht wichtigsten Disziplinen Abfahrt und Riesenslalom. Meillard beflügelte die Medaille leider nicht: Als Mitfavorit im Slalom kam er nur drei Tore weit, dann schied er aus.
Wer vor der WM-Abfahrt der Frauen auf einen Titelgewinn von Jasmine Flury gedacht hatte, gehörte zu einem handverlesenen Kreis. Und Titelverteidigerin Corinne Suter gehörte kurz nach einem schweren Sturz und mässigen Trainingsleistungen definitiv auch nicht zu den Favoritinnen. Aber im Rennen nutzten die beiden besten Freundinnen die Gunst der Stunde. Der Davoserin Flury glückte mit früher Startnummer eine Fahrt, die sich als die schnellste erweisen sollte. Und Suter bewies Kampfgeist, der sie zu Bronze führte.
Jahrelang hetzte sie ihrem grossen Traum hinterher, einen Weltcup-Slalom zu gewinnen. Nach 30 zweiten und dritten Plätzen gelang es Wendy Holdener in diesem Winter endlich, sie siegte dann sogar zwei Mal hintereinander. Nun das nächste Ziel: Nach WM-Silber in Kombination und Parallelrennen soll im Slalom von Méribel ihre grosse Stunde schlagen. Holdener ist Zweite nach dem 1. Lauf und sie legt im 2. Lauf eine bestechende Fahrt hin – bis sie wenige Tore vor dem Ziel ausscheidet. Beobachter sind sich einig: Es wäre die Goldfahrt gewesen.
Doch so bleibt Holdener nur, die bittere Enttäuschung möglichst rasch zu verarbeiten und nach vorne zu blicken. Es ist ein bisschen fies: Mit fünf Olympia- und sechs WM-Medaillen ist Wendy Holdener eine ganz Grosse der Schweizer Ski-Geschichte, doch irgendwie kann sie das Etikett der «ewigen Zweiten» nicht abschütteln. Weil es die Schwyzerin mit dem grossen Kämpferherz immer weiter versucht, ist sie trotzdem ein Fan-Liebling.
Olympiasieger war er schon, den Gesamtweltcup hatte er auch gewonnen, doch eine WM-Medaille hatte Marco Odermatt noch nicht gewonnen. Im Super-G war Rang 4 ein herber Dämpfer.
Doch in der Abfahrt, in der er im Weltcup noch nie gewinnen konnte, geht dann alles auf. Odermatt kommt mit Bestzeit ins Ziel, er schreit seine Freude hinaus, spricht von der perfekten Fahrt. Das ist sie tatsächlich, denn niemand kommt ihm näher als eine halbe Sekunde. Marco Odermatt wird 2023 erstmals Weltmeister – und das gleich in der Königsdisziplin.