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Kommentar

Kommentar: Christian Streichs Rede über Roger Schmidt

Lasst die Trainer fluchen! Warum die Rede von Streich ganz grosser Sport ist

Christian Streich äusserte sich mit einer Brandrede zur Sperre gegen seinen Trainerkollegen Roger Schmidt. Coaches gehören geschützt, das ist richtig so, sonst verschwinden emotionale Trainer schon bald ganz von der Bildfläche.
25.10.2016, 08:3725.10.2016, 16:00

Als «Spinner» hat Leverkusen-Coach Roger Schmidt am vergangenen Wochenende Julian Nagelsmann, den Trainer von Hoffenheim, beleidigt – aufgenommen während der Partie von den Platzmikrofonen.

Dafür wurde der Schmidt vom Sportgericht des Deutschen Fussball-Bundes (DFB) für zwei Spiele gesperrt und muss zudem eine saftige Busse bezahlen. Dass dies eine grundfalsche Entscheidung ist, hat Trainer-Kollege Christian Streich vom SC Freiburg der Welt gestern mit seiner emotionalen Rede mitgeteilt.

Streich sagt, was er denkt und das ist auch gut so.Video: YouTube/badischezeitung

Christian Streich hat Recht, Trainer sind kein Freiwild und sollen es auch nicht werden oder wie er es selbst ausdrückt: «Es kann nicht sein, dass Schmidt nun wie eine Sau durchs Dorf getrieben wird.»

Fussballtrainer und der Druck
Wer sich diesen Druck, mit dem die Trainer umgehen müssen, nicht richtig vorstellen kann, dem sei die Dokumentation «Trainer!» von Aljoscha Pause empfohlen. Sie gibt einen tiefen und vor allem ehrlichen Einblick in das Leben der deutschen Profi-Trainer André Schubert (damals noch St. Pauli), Stephan Schmidt (damals Paderborn) und Frank Schmidt (Heidenheim).

Trainer stehen deutlich stärker unter Druck, als es die Spieler tun. Schliesslich sind sie es, die entlassen werden, wenn ihre Schützlinge das Tor nicht treffen. Es gibt wohl kaum einen Beruf mit tieferer Jobgarantie als derjenige des Fussballtrainers. Medien, Fans und Klubvorstand stürzen sich bei Misserfolgen wie Aasgeier auf die Trainer – der Sündenbock ist so jeweils schnell gefunden.  

Wehe dem Trainer, der sich nicht vorbildlich verhält

Jemanden als «Spinner» zu bezeichnen und ihm zu sagen, er soll «die Schnauze halten», das gehört bestraft. Im Kindergarten unterstütze ich diese Forderung – nicht aber, wenn es im Sport im Affekt gesagt wird. Müssen Trainer in der Schweiz bald mit einer Strafe rechnen, wenn sie andere als «Gaggalaari», «Globivogel» oder «Glöggliböög» bezeichnen?

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Weshalb braucht es gleich bei den Trainerzonen Platzmikrofone, nur um jedes Wort der Trainer zu protokollieren und sie danach zu bestrafen und als schlechte Vorbilder darzustellen? Trainer schreien, fluchen und gestikulieren während der Spiele wie wild. Das passiert mit Menschen, wenn sie unter Druck stehen und sich mit voller Hingabe einer Sache widmen.

Sind sie deswegen schlechte Vorbilder? Ist es «unsportliches Verhalten», wenn zwei Trainer auf dem Feld Meinungsverschiedenheiten haben? Nein. Es ist nichts anderes als menschlich. 

«Streit ist das Normalste der Welt. Was gibt es natürlicheres für Menschen als Streit?»
Christian Streich
Leverkusen head coach Roger Schmidt watches from the tribune beside spectators after he was sent off by the referee during the German Bundesliga soccer match between Bayer Leverkusen and TSG Hoffenhei ...
Roger Schmidt wurde in der letzten Partie gegen Hoffenheim auf die Tribüne verbannt.Bild: Martin Meissner/AP/KEYSTONE

Während aufmüpfige und hitzköpfige Spieler dank PR-Schulungen der Klubs fast schon ausgestorben sind und Fans mit unzähligen Auflagen eingeschränkt werden, züchtigen die Verbände nun auch Trainer in diese heile und vor allem streitfreie Sportwelt. Es scheint kein Platz mehr zu geben für kleine Verfehlungen oder verbale Ausrutscher – von gar keinem Beteiligten, der während eines Fussballspiels im Stadion ist. 

Irgendwann sind die Spieler alle höchst diszipliniert, die Trainer sowieso und die Fans sitzen ruhig auf ihren Plätzen. Bis diese Fans wegen gähnender Langeweile und fehlender Emotionen lieber zuhause bleiben. Nur einer wird auch dann noch lautstark seine Meinung sagen: Christan Streich. Danke dafür.

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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ohniznachtisbett
25.10.2016 10:42registriert August 2016
Streich ist grossartig und hat ja so Recht. Schmidt hat nicht mit üblen Beleidigungen um sich geworfen. Er hat gesagt "Spinner", wo sind wir eigentlich gelandet. Die Basler, Effenbergs, Eilts, Eliks, Antisin und McDougals gibt es leider schon nicht mehr. Zu sehr werden alle auf "Musterprofi" getrimmt. Kruse wird aus der DFB11 geworfen, weil er noch ein Typ ist. Der Sport wird leider, zum Einheitsbrei. Alle gleich. Keiner der sich nach der Niederlage in die Kneipenmeile begibt. Keine Spieler mehr, die mal den Stinkefinger zeigen. Ist vielleicht anständig. Ich bevorzuge Emotionen.
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anonymer analphabet
25.10.2016 10:00registriert April 2016
Streich bringt es auf den Punkt, guter Typ. Es wird allgemein das ganze Drumherum viel zu fest aufgebauscht. Wieso braucht es Mikrofone in der Trainerzone, das sind alles erwachsene Menschen die können das unter sich klären. Da muss das Sportgericht vom DFB unbedingt über die Bücher. Wichtig ist doch, dass man sich nach dem Spiel die Hände schüttelt, dann ist das Spiel vorbei, aber während dem Spiel gibt es halt auch mal Emotionen…
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Denk nach
25.10.2016 13:23registriert Juli 2016
Lächerlich Trainer für sowas zu bestrafen...

Geht Spinner schon unter Beleidigung?
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