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Öffnet die Taufe tatsächlich die Himmelspforte?

In this photo released by the Vatican's L'Osservatore Romano newspaper, Pope Benedict XVI, in white at left at the microphone, baptizes the infant of Paolo Corvini a Vatican state employee,  ...
Papst Benedict der XVI. bei einer Kindstaufe im Vatikan. Bild: keystone
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Öffnet die Taufe tatsächlich die Himmelspforte – oder ist sie nur ein Trick der Kirchen?

Mit der Taufe sichern sich die Landeskirchen und die Freikirchen den Nachwuchs.
23.10.2021, 08:0223.10.2021, 12:55
Hugo Stamm
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Eine Kindstaufe war früher ein familiäres Grossereignis. Die Verwandtschaft strömte zusammen, das Baby wurde auf ein weisses Kissen gebettet und mit weissen Stickereien zugedeckt. Der Pfarrer liess Weihwasser über das Köpfchen träufeln, was häufig zu einem Protestgeschrei des erschrockenen Kleinkindes führte.

Das heilige Ritual war vor allem in der katholischen Kirche unabdingbar für das Seelenheil. Denn Babys kommen quasi als Heiden zur Welt. Erst durch die Taufe gehen sie in die Gnade Gottes ein. Diese ist Voraussetzung für eine spätere Erlösung, denn Ungetaufte haben in den Augen der Katholiken nicht wirklich ein Anrecht auf das Seelenheil.

Christliche Taufe in Freikirchen kurz erklärt:

Die Kindstaufe war vor allem in Zeiten hoher Kindersterblichkeit wichtig. Die Zeremonie erfolgte meist wenige Tage nach der Geburt. Bei Komplikationen wurde und wird der Pfarrer ins Spital gerufen. Erlaubt ist im Extremfall sogar die Nottaufe durch Laien: Die Seelen dürfen auf keinen Fall dem Satan anheimfallen.

Das heisst konkret, dass Kinder mit der Sünde geboren werden, obwohl sie im Mutterleib noch nicht sündig werden konnten. Der religiöse Kniff dabei: Wegen des Sündenfalles von Adam und Eva sind alle Wesen mit der Erbsünde beladen. Also müssen sie getauft und Mitglied der Kirche werden, um nicht auf ewig verloren zu sein.

Sollte sich Gott tatsächlich mit diesem «Buebetrickli» überlisten lassen, müsste man an seinen kognitiven Fähigkeiten zweifeln.

In der Bibel klingt es so:

«Petrus antwortete ihnen: Kehrt um und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung eurer Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Denn euch und euren Kindern gilt die Verheissung und all denen in der Ferne, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird.»
(Paulus)

Und:

«Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.»
( Matthäus 28,18–20)

Nachwuchs durch Taufe sichern

Dies ist die biblische oder religiöse Auslegung der Taufe. Es gibt aber auch einen kirchenpolitischen oder psychologischen. Mit der Kindstaufe sichern sich die Landeskirchen den Nachwuchs. Die katholische Kirche verlangt denn auch von ihren Gläubigen, die einen Partner einer anderen Konfession heiraten, die Kinder katholisch zu erziehen.

Unschön dabei: Die Eltern und die Kirche entscheiden über das Kleinkind. Ein Mitspracherecht kennt die Kindstaufe nicht. Und die Idee, dass Ungetaufte das Reich Gottes verpassen sollen, ist ein Druckmittel. Mithilfe der Angst werden Eltern gedrängt, ihr Baby rasch zu taufen. Befreiung durch Furchteinflössung ist pädagogisch ein Unding.

In vielen Freikirchen wird die Wassertaufe in einem grossen Becken oder See zelebriert (hier jedoch vermutlich orthodoxe Christen).
In vielen Freikirchen wird die Wassertaufe in einem grossen Becken oder See zelebriert (hier jedoch vermutlich orthodoxe Christen). bild keystone

Anders die meisten Freikirchen. Sie taufen die Gläubigen frühestens im Jugendalter. Damit berücksichtigen sie das Mitspracherecht. Doch auch sie benutzen die Taufe zur Bindung an ihre Institution.

Die Jugendlichen werden durch den dogmatischen Glauben derart «aufgeladen», dass sie sich die Taufe sehnlichst herbeiwünschen. Ihnen wird hundertfach eingeredet, dass die Aufnahme von Jesus in ihr Herz ein heiliger Akt und ein Sakrament sei, der sie in ein wahres Kind Gottes verwandelt.

In ihrem jugendlichen Bewusstsein glauben sie, mit der Taufe von Jesus beschützt zu werden und das ewige Glück zu erlangen. Sie wird denn auch als Siegel Gottes oder Bund mit Jesus bezeichnet. Eine sprachliche Überhöhung, die die Sehnsucht weiter steigert.

Taufe als euphorisches Erlebnis

Somit wird die Taufe zum euphorischen Erlebnis. Die Getauften interpretieren das überwältigende Gefühl als Signal von Jesus, in ihr Herz gekommen zu sein. Und als Beweis für die Gnade Gottes.

Eine Gläubige des ICF Zürich (International Christian Fellowship) gab folgendes Zeugnis ab:

«Ich kam zum Glauben an Jesus und wurde überschwemmt von der Liebe Gottes. Mein Leben hat sich von heute auf morgen total verändert. Die Kraft und die Liebe, die sich durch die Taufe in mir entwickelte, ist einfach nur wow.»

Dass das überwältigende Erlebnis primär das Produkt der vorgängigen Indoktrination, der Suggestion und der überzogenen Erwartung ist, können die Gläubigen nicht erkennen.

Taufe ist auch bei den Zeugen Jehovas eine wichtige Zeremonie

Ähnliches lässt sich von den Zeugen Jehovas sagen, für die die Taufe ebenfalls eine überragende Rolle spielt und ein wichtiges Instrument der Einbindung darstellt.

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Eine kuriose Spielart haben die Mormonen (Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage) entwickelt. Sie glauben ebenfalls, dass nur Gesalbte ins Himmelreich eingehen werden. Also Mormonen. Gesalbt kann nur sein, wer nach mormonischem Ritus getauft ist. Was natürlich Ahnen, die vor der Gründung der Kirche vor rund 200 Jahren gelebt haben, vom Heil ausschliesst.

Die Mormonen betreiben deshalb akribische Ahnenforschung, um den Seelen der Altvorderen in einer Stellvertretertaufe posthum die Himmelstür zu öffnen.

Sollte sich Gott tatsächlich mit diesem «Buebetrickli» überlisten lassen, müsste man an seinen kognitiven Fähigkeiten und seiner Empathie zweifeln.

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Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
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Dieses Baby pinkelt während der Taufe seinen Priester an – die Eltern lachen sich schlapp
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632 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Chancho
23.10.2021 09:49registriert Februar 2020
Wenn du schon von frühster Kindheit indoktriniert wirst.
Öffnet die Taufe tatsächlich die Himmelspforte – oder ist sie nur ein Trick der Kirchen?\nWenn du schon von frühster Kindheit indoktriniert wirst.
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MALUS
23.10.2021 09:06registriert Januar 2021
Die Taufe ist ein lebenslanger Prozess,

der bestimmt welcher Sekte man voraussichtlich
sein Leben lang Steuern / Mitgliederbeiträge abliefern wird.

Nur der Sektenaustritt kann Betroffene erlösen.
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Sariii
23.10.2021 09:06registriert April 2019
Dieses Thema popt immer mal wieder in meinem Kopf auf. Obwohl ich nicht sonderlich religiös erzogen wurde, hat sich diese Tradition ein Kind zu taufen fest in mir verankert. Meine eigenen Kinder möchte ich - wenn ich logisch denke - nicht taufen lassen. Sollen sie das doch selbst entscheiden, wenn sie alt genug sind. Diese krude Vorstellung, dass ungetaufte Kinder bei einem Todesfall verloren sind, ist dennoch irgendwo in meinem Unterbewusstsein. Rational kann ich das nicht erklären. Verrückt, diese Hirnwäsche...
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Alleine reisen mit Kind – ist eine Reisevollmacht nötig?
Wie so vieles war früher auch das Reisen mit Kindern einfacher: Wenn überhaupt, musstest du am Flughafen oder beim Grenzübertritt nur kurz belegen, dass es sich beim mitreisenden Kind um dein eigenes handelt, und schon stand den gemeinsamen Ferien nichts mehr im Wege. So einfach ist das heute nicht mehr. Aus gutem Grund.

Während es in der Schweiz grundsätzlich keine Ausweispflicht gibt, braucht auch ein Kind für einen Grenzübertritt ein eigenes Ausweisdokument. Innerhalb von Europa genügt, mit Ausnahme von Grossbritannien, in der Regel eine Identitätskarte. Ausserhalb Europas ist meist ein Reisepass nötig. Bis 2002 war das Ganze für Personen mit Schweizer Bürgerrecht einfacher, hier genügte es in der Regel, wenn das Kind im eigenen Pass mit einem so genannten «Kindereintrag» vermerkt war.

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