Eine Kindstaufe war früher ein familiäres Grossereignis. Die Verwandtschaft strömte zusammen, das Baby wurde auf ein weisses Kissen gebettet und mit weissen Stickereien zugedeckt. Der Pfarrer liess Weihwasser über das Köpfchen träufeln, was häufig zu einem Protestgeschrei des erschrockenen Kleinkindes führte.
Das heilige Ritual war vor allem in der katholischen Kirche unabdingbar für das Seelenheil. Denn Babys kommen quasi als Heiden zur Welt. Erst durch die Taufe gehen sie in die Gnade Gottes ein. Diese ist Voraussetzung für eine spätere Erlösung, denn Ungetaufte haben in den Augen der Katholiken nicht wirklich ein Anrecht auf das Seelenheil.
Die Kindstaufe war vor allem in Zeiten hoher Kindersterblichkeit wichtig. Die Zeremonie erfolgte meist wenige Tage nach der Geburt. Bei Komplikationen wurde und wird der Pfarrer ins Spital gerufen. Erlaubt ist im Extremfall sogar die Nottaufe durch Laien: Die Seelen dürfen auf keinen Fall dem Satan anheimfallen.
Das heisst konkret, dass Kinder mit der Sünde geboren werden, obwohl sie im Mutterleib noch nicht sündig werden konnten. Der religiöse Kniff dabei: Wegen des Sündenfalles von Adam und Eva sind alle Wesen mit der Erbsünde beladen. Also müssen sie getauft und Mitglied der Kirche werden, um nicht auf ewig verloren zu sein.
In der Bibel klingt es so:
Und:
Dies ist die biblische oder religiöse Auslegung der Taufe. Es gibt aber auch einen kirchenpolitischen oder psychologischen. Mit der Kindstaufe sichern sich die Landeskirchen den Nachwuchs. Die katholische Kirche verlangt denn auch von ihren Gläubigen, die einen Partner einer anderen Konfession heiraten, die Kinder katholisch zu erziehen.
Unschön dabei: Die Eltern und die Kirche entscheiden über das Kleinkind. Ein Mitspracherecht kennt die Kindstaufe nicht. Und die Idee, dass Ungetaufte das Reich Gottes verpassen sollen, ist ein Druckmittel. Mithilfe der Angst werden Eltern gedrängt, ihr Baby rasch zu taufen. Befreiung durch Furchteinflössung ist pädagogisch ein Unding.
Anders die meisten Freikirchen. Sie taufen die Gläubigen frühestens im Jugendalter. Damit berücksichtigen sie das Mitspracherecht. Doch auch sie benutzen die Taufe zur Bindung an ihre Institution.
Die Jugendlichen werden durch den dogmatischen Glauben derart «aufgeladen», dass sie sich die Taufe sehnlichst herbeiwünschen. Ihnen wird hundertfach eingeredet, dass die Aufnahme von Jesus in ihr Herz ein heiliger Akt und ein Sakrament sei, der sie in ein wahres Kind Gottes verwandelt.
In ihrem jugendlichen Bewusstsein glauben sie, mit der Taufe von Jesus beschützt zu werden und das ewige Glück zu erlangen. Sie wird denn auch als Siegel Gottes oder Bund mit Jesus bezeichnet. Eine sprachliche Überhöhung, die die Sehnsucht weiter steigert.
Somit wird die Taufe zum euphorischen Erlebnis. Die Getauften interpretieren das überwältigende Gefühl als Signal von Jesus, in ihr Herz gekommen zu sein. Und als Beweis für die Gnade Gottes.
Eine Gläubige des ICF Zürich (International Christian Fellowship) gab folgendes Zeugnis ab:
Dass das überwältigende Erlebnis primär das Produkt der vorgängigen Indoktrination, der Suggestion und der überzogenen Erwartung ist, können die Gläubigen nicht erkennen.
Ähnliches lässt sich von den Zeugen Jehovas sagen, für die die Taufe ebenfalls eine überragende Rolle spielt und ein wichtiges Instrument der Einbindung darstellt.
Eine kuriose Spielart haben die Mormonen (Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage) entwickelt. Sie glauben ebenfalls, dass nur Gesalbte ins Himmelreich eingehen werden. Also Mormonen. Gesalbt kann nur sein, wer nach mormonischem Ritus getauft ist. Was natürlich Ahnen, die vor der Gründung der Kirche vor rund 200 Jahren gelebt haben, vom Heil ausschliesst.
Die Mormonen betreiben deshalb akribische Ahnenforschung, um den Seelen der Altvorderen in einer Stellvertretertaufe posthum die Himmelstür zu öffnen.
Sollte sich Gott tatsächlich mit diesem «Buebetrickli» überlisten lassen, müsste man an seinen kognitiven Fähigkeiten und seiner Empathie zweifeln.